Sich den Kiez von Patrice erklären zu lassen, das ist eine One-Man-Show, diesmal für QIEZ.
Der gebürtige Berliner kommt im Gespräch dann schnell in Fahrt, weiß um die streitfreudige Berliner Schnauze und den Schwaben-Hass. Schlimm findet er die Popularität Berlins aber gar nicht, an simplen Beispielen macht er dingfest, was für eine Bereicherung Zugezogene für Berlin sind. „Im Pergamon“, runzelt Patrice die Stirn: „dachte ich mir: Langweilig, muss raus!“ Wer, wenn nicht Touristen und City-Neulinge gingen in Museen! „Umgekehrt geht’s aber auch, viele Berliner sind nicht bereit, die Stadt zu verlassen für ne gute Möglichkeit“, resümiert er. Sie blieben dann einfach hier, warteten und warteten auf Gelegenheiten, die von alleine nie kommen.
Vom Groben Unfug zum Videodrom
Zwischenzeitlich ordert der bekennende Jamie-Oliver-Fan schmunzelnd „traditionell imperialistisch amerikanischen Bagel“ bei einer Kellnerin, mit Lachs im Weißbrot, dazu Milchkaffee: „Habt ihr auch so hippes Zeug, wie in Prenzl‘ Berg? Mandelmilch? Oder nur so Sojamilch und laktosefreies?“ Die Kellnerin ist ein wenig überfordert, Patrice übergeht das. „Okay, okay, ich nehm‘ aus Prinzip die normale.“ Dann wendet er sich wieder Berlin zu, gestikuliert nach links und rechts. Erste Adresse im Bergmannkiez, schon als Kind, war für ihn der Grobe Unfug, der Comicladen in der Zossener Straße. Auf seinen Bagel wartend schwärmt er auch vom Grande Gyros. Aufgewachsen in Reinickendorf ist er ganz alleine, wie er beteuert, ohne Eltern, trotzdem regelmäßig dorthin gefahren. Er sagt: „Das Geheimnis ist die Soße.“
Als der proppenvolle Lachsbagel ankommt, zückt er erst einmal die Lumix und schießt ein Foto. Das ist sein Ding, Essen instagramen, Zeugs abfotografieren, Bekanntschaften ablichten. Wem das nicht passt, hat Pech. Anecken? „Mach ich gern.“ Wobei … „Womit ich immer noch kämpfe, ist die eigene Eitelkeit.“ Sich mal nicht nur von der Schokoladenseite präsentieren, den Leuten was zu lachen, zum Nachdenken und überhaupt, zum Kommunizieren geben, das will Patrice zukünftig in einem eigenen Blog erreichen. Vielleicht startet er damit noch dieses Jahr. Noch drückt er sich ein wenig vor dem Release, fürchtet die „Hungerzeit“ wenn zunächst nur wenige Besucher seine Einträge lesen. „Ich muss mir jeden Klick erarbeiten.“
„Berlin ist Hauptstadt, das müssen auch die Berliner verstehen.“
Das ist ein bisschen wie mit Berlin selbst. „Arm aber sexy“ trifft in weiten Teilen schon nicht mehr zu, das weiß Patrice selber. Aber gerade wegen des Wandels ist Berlin ein einzigartiges Epizentrum, war es schon immer. „Hier kamen Bowie und Iggy Pop her, weil sie’s geil fanden. Und Teenies, und wenn’s nur für’s Coming-Out ist, das im Dorf nicht ging.“, resümiert er. Und heute? Dass viel gutes Altes für unbekanntes Neues verschwindet, sieht Patrice bis zu letzt locker, als Chance.
Kein Thema, zu dem er keine Meinung vertritt. Den Bergmannkiez und das Barcomi’s als Treffpunkt hatte der Urberliner sich nicht einmal selbst ausgesucht, trotzdem weiß er, dass Cynthia Barcomi vor zehn Jahren zuerst die Rösterei und dann das Deli in Mitte gegründet hat. Wieder dreht er sich um die eigene Achse, zeigt auf die mit Blumen tapzierten Wände und die rosa Farbe, sagt: „Damals, da sah der Laden hier ganz anders aus …“
Steht man das nächste Mal verloren an einer Straßenecke und fragt den nächstbesten Passanten nach dem Weg, kann man nur hoffen, dass es zufälligerweise Patrice ist, der ihn erklärt.