Vom Tipp zur Tat

Warum du anfangen solltest, auf dem Fahrrad Helm zu tragen

Ein Mann trägt sein Rennrad.
Uncool war gestern: Es gibt keine Argumente mehr gegen Helme.
Das Image der Fahrradhelm-Träger ist nicht das beste. Sie gelten als spießig und überängstlich. Es ist, als stünde man mit Helm auf der falschen Seite. Dabei beweisen Studien und Unfälle, dass es umgekehrt ist. Ein Selbstversuch im Berliner Verkehr…

Uncool, unsexy oder gar unmöglich? Fahrradhelme sind definitiv noch kein Must-Have. Als Mutter oder Vater sieht man das natürlich anders – allerdings nur für den Nachwuchs. Der bekommt schon zum Laufrad den Helm dazu und jede Menge Ermahnungen, ihn auch immer zu tragen. Mit Erfolg. Mein Sohn trägt sogar Helm, wenn er den Roller nimmt. Hohe Geschwindigkeit und hartes Pflaster sind einfach zwei todsichere Argumente für einen Kopfschutz. Im wahrsten Sinne. Fast 72 Prozent aller Fahrradunfälle verursachen Kopfverletzungen, die ein Helm verhindert hätte. Deshalb war es nur eine Frage der Zeit, bis mein Sohn auf die Idee kam, mich zu fragen: „Mama, warum trägst du eigentlich keinen Helm?“

So viel Pro und kaum Contra

Als er kleiner war, schaffte ich es noch, ihn abzulenken statt zu antworten. Als er größer wurde, verlor ich jede Debatte gegen ihn. Es spricht auch wirklich rein gar nichts gegen einen Helm. Die Frisur? Das Mitschleppen? Das unfreie Gefühl auf dem Kopf? Ehrlich, das sind nur peinliche Ausreden. Kein Tag verging ohne mahnende Worte des Vorbild-Sohnes – verkehrte Welt. Jeden Abend saß ich auf der Couch und googelte gegen mein schlechtes Gewissen an: Wenn ich nur einen Helm finden würde, der mir gefällt… War mein Selbstbetrug stärker oder die verdammte Eitelkeit? Natürlich habe ich erst bei Berliner Manufakturen gesucht, dann in der Region, schließlich deutschlandweit. Gelandet bin ich am Ende in den USA – bei einer Frau, der es erging wie mir. Gloria Hwang fand Helme auch immer zu sperrig und unattraktiv, bis ein Freund von ihr bei einem Bike-Unfall starb. Er trug keinen Helm. Also hat sie begonnen, selbst welche zu designen. Mit ihrem Label Thousand und ihren wirklich coolen Vintage-Modellen macht sie seither Menschen wie mich glücklich. Den stylishen Kopfschutz gibt es natürlich auch schon bei Händlern in Berlin – für circa 100 Euro.

Frau mit goldenem Fahrradhelm und Fahrrad.

Aller Anfang ist schwer: Unsere Redakteurin sieht man jetzt nur noch mit Helm auf dem Fahrrad.

 

Als ich endlich Helmbesitzerin war, brauchte ich noch ein paar Tage, bis ich das gute Stück tatsächlich benutzte. Ich betrachtete meinen Fahrradhelm mit dem wohlklingenden Namen Epoch – Stay Gold wie ein tolles Design-Objekt und nicht wie meinen neuen Alltagsgegenstand. Wie blöd wäre es, jetzt einen Unfall zu haben, während der Fahrradhelm zu Hause liegt, sagte ich mir und setzte ihn auf. Er ist bequem, weil er sich perfekt einstellen lässt, er ist nicht schwer und man kommt auch nicht groß ins Schwitzen, wie ich befürchtet hatte. Und mit jedem Tritt in die Pedale trage ich ihn ab jetzt selbstbewusster: Erst fühlte ich mich angestarrt, dann belächelt. Ich musste an jeder Ampel beweisen, dass mein Antritt noch immer fast and furious ist und auch auf den beliebtesten Radrennstrecken der Stadt wie Unter den Linden gab ich alles, um selbst Fahrradkurieren tempomäßig das Fürchten zu lehren. Mittlerweile fahre ich wieder gelassener und nehme mein Anti-Helm-Ego aus dem letzten Jahrtausend nicht mehr so ernst.

Schutz mit Design

Und wenn man sich anstrengt, den Blick zu ändern, sieht man plötzlich nicht nur die behelmten Ausbremser mit Sicherheitswesten, die es nicht einmal schaffen, während einer Ampelphase auf die andere Seite der Kreuzung zu radeln. Statt diesen und anderen nervenden Radfahrertypen entdeckt man sportliche Mittdreißiger mit angesagten Rennrädern und stylishen Helmen, man sieht stilsichere Charlottenburger*innen, lässige Kreuzberger*innen und hippe Mitte-People mit den unterschiedlichsten Modellen auf den Köpfen. Manchmal entdeckt man sogar jemanden, der einem selbst ähnelt: noch ein wenig verschämt am Helm herumruckelnd – mit einem fast entschuldigenden Lächeln. Das ist bald vorbei, denn wir werden mehr. Und das ohne Helmpflicht, denn die hat in Australien dazu geführt, dass weniger Menschen Rad fahren. Das will ja auch keiner. Was hilft, ist nur Einsicht. Oder wie mein Sohn sagt: „Coolsein schützt nicht vor dem Tod.“

Danke an Henning Voss, der mir meinen Wunsch-Helm für den Selbstversuch zur Verfügung gestellt hat.

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