Das Berliner Nachtleben ist guter Filmstoff. Im vorigen Jahr kamen mit „Victoria“ und „Tod den Hippies!! Es lebe der Punk“ schon zwei Streifen in die Kinos, jetzt folgt der nächste: „Desire Will Set You Free“ zeigt die queere Partyszene – mit Gastauftritten von Filmemacher Rosa von Praunheim, Sängerin Nina Hagen und ihrer Kollegin Peaches.
Regisseur und Hauptdarsteller ist einer, der seit 2010 im Berliner Untergrund unterwegs ist: Yony Leyser. Der 31-Jährige trägt ein bunt gemustertes, schwarz-rot-goldenes Hemd, spricht schnell und scheint fokussiert, obwohl er zum Zeitpunkt der Interviews in den letzten Vorbereitungen zu seinem Film steckt.
Leyser hat auch das Drehbuch zu der Doku-Fiction geschrieben, die vom Medienboard Berlin-Brandenburg und vom ZDF gefördert wurde. In anderthalb Stunden zeigt er das Spektrum des schwul-lesbischen Nachtlebens in Berlin: von Clubs wie Berghain und About blank bis Kneipen wie das Roses. Der Zuschauer lernt Protagonisten kennen, die von Polyamorie und alternativen Bewertungsmodellen sprechen, schlussendlich doch nur die eine, monogame Liebe wünschen.
Ausstellung in Mitte
Leyser hat zur Zeit viel zu tun, in der Sprechsaal Galerie in Mitte findet parallel zum Filmstart seine Ausstellung „Queer x Desire“ statt, bei der die im Film verwendeten Requisiten und Kostüme zu sehen sind. Den Spielfilm hat Leyser im Sommer 2013 in nur dreieinhalb Wochen gedreht: „Jeder wollte Teil des Films sein, weil es ein Untergrund-Film ist, keine etablierte Produktionsfirma“, sagt Leyser, während er den Kopf auf seine Hände stützt. „Ich gehöre der Szene an, die ich porträtiere, die Schauspieler sind alle meine Freunde.“
Rummelsnuff ist auch dabei
Der junge amerikanische Schriftsteller, der seit ein paar Jahren in Berlin lebt, zieht von Party zu Party und genießt die vermeintlich absolute Freiheit. Er verliebt sich in den russischen Stricher Sasha (Tim-Fabian Hoffmann), zusammen ergründen sie die queere Undergroundszene. Eine klassische Liebesgeschichte klingt anders: „Berlin ist vielfältig, aber der deutsche Film ist sehr von dem Thema Weißer-Junge-liebt-weißes-Mädchen bestimmt“, sagt Leyser. „Meine Freunde und ich dachten: Das ist nicht unser Berlin! Das ist nicht unser Leben!“ Der Film sei für ihn eine Momentaufnahme von der Stadt, eine „Ansammlung von Postkarten, die man durchblättern kann.“
Der Regisseur fühlte sich daheim in den USA nicht wohl
Leyser, der in Chicago geborene Sohn eines deutschen Juden und einer iranischen Mutter, fühlte sich in den USA oft fehl am Platz: „In Chicago konnte ich nie wirklich mit meinem Partner Händchen halten.“ Auch New York sei nicht besser gewesen: Dort studierte er Journalismus und Experimentellen Film. Einsam sei er dort gewesen, geradezu isoliert. Die Ansicht von New York als offene Stadt für Künstler und Träumer kann Leyser nicht teilen: „Es gibt nur wenig soziale Interaktion oder Platz für eine Szene. Ich habe mich davon sehr unterdrückt gefühlt.“ Ganz anders in Berlin. Als er 2007 in die Stadt kam, habe er sich direkt verliebt: „Das erste Mal in meinem Leben habe ich mich sicher und glücklich gefühlt.“
Ins Berghain geht er nicht mehr
Zu einer anderen Zeit leben würde Leyser jedoch nicht: „Ich bin mit dem Jetzt zufrieden“, sagt er schulterzuckend. Zurzeit sitzt er bereits im Schnitt zu seinem nächsten Film, eine Dokumentation über die Homocore-Szene, der queeren Polit-Punk-Bewegung. Wohin er nach dem Interview geht, weiß er noch nicht. „Ins Berghain gehe ich jedenfalls nicht mehr.“ Scheint ihn nicht mehr zu interessieren.
„Desire Will Set You Free“ läuft unter anderem im Central Kino, Xenon, Lichtblick. Die Ausstellung „Queer x Desire“ ist noch bis zum 3. Juni in der Sprechsaal Galerie, Marienstraße 26, in Mitte zu sehen.
Mehr Infos unter: www.missingfilms.de