Eins vorneweg: Ich hasse Zumba. Aber nachdem ich das erste Mal zu Anisha Müllers Choreographie getanzt hatte, wusste ich: Ich will mehr davon. Auf den ersten Blick erscheint FemmeFitness vielleicht wie Zumba, aber in Wahrheit ist es das genaue Gegenteil zu albernem Gezappel und schmierigen Latino Chartsongs. Statt Ai Se Eu Te Pego, das wortwörtlich davon handelt, eine Frau ins Bett zu bekommen, tanzen hier Powerfrauen zu Powersongs aus Afrobeats, Reggaeton, Soca und Dancehall: mal sexy, mal ganz cool und immer mit ganz viel Spaß. Natürlich geht es auch hier in erster Linie darum, Tanzspaß mit Fitness zu kombinieren, aber das Workout ist nur der Knotenpunkt für viel mehr.
FemmeFitness zielt nicht darauf ab, beim Sport möglichst schick auszusehen und auf eine makellose Bikinifigur hinzuarbeiten – statt verbissener Selbstgeißelung und -optimierung steht hier der Spaß an Musik und Bewegung im Vordergrund. „Ich will, dass die Leute nicht daran denken, wie sie beim Tanzen aussehen oder was sie damit erreichen wollen: Bei FemmeFitness geht darum, sich selbst zu fühlen, sich auszudrücken und im Moment zu leben“, sagt die 24-jährige Anisha. Das merke ich am eigenen Leib. Als ich aufhöre, die doch recht anspruchsvolle Choreographie möglichst perfekt nachmachen zu wollen – weil ich vor lauter Konzentration das Atmen vergessen habe und Seitenstechen bekomme – läuft es auf einmal viel besser: Freestyle statt strengen Regeln eben, Spaß und Lockerheit statt Perfektion.
Kein Zumba-Song, sondern Afrobeats
Die Idee, selbst Tanzunterricht zu geben, bekam die gebürtige Britin durch eine Freundin. Sie selbst störte sich immer mehr daran, dass man beim Zumba zu Songs aus anderen Kulturen und Ländern tanzte, aber nie die Herkunft dieser Lieder thematisiere wurde. Wozu das führt, erzählt sie anhand einer Anekdote: Als in einem Club ein westafrikanischer Song gespielt wurde, rief ein Partygast: „Hey, das ist ein Zumba-Song!“ Anisha antwortete daraufhin: „Nein, das ist ein Afrobeats-Song.“ Sie sagt, man müsse darüber diskutieren, wo wir als Weiße in diesem Kontext stehen. Ihre eigene Fitness-Playlist besteht darum überwiegend aus weiblichen, nicht-binären und queeren Künstlern, um hervorzuheben, dass diese ebenfalls tolle Musik machen. „Ich will zeigen, dass es durchaus Musiker aus den als sexistisch verrufenen Genres wie Dancehall und Reaggeton gibt, die politisch sind und sich gegen genau diesen Sexismus stellen“, so Anisha, die seit zwei Jahren in Berlin wohnt. Als ihre Freundin sie also eines Tages fragte, warum sie nicht selbst Tanzworkouts veranstalte, war sie sofort Feuer und Flamme. Schließlich stand sie beim Zumba immer in der ersten Reihe und kannte die Tanzschritte sogar besser als die Lehrerin.
Doch Zumba passte auf Dauer nicht zur feministischen Weltansicht der jungen Frau, die selbst seit ihrer Kindheit sport- und tanzbegeistert ist: „Es störte mich, dass Gesundheit immer mit Dünnsein in Verbindung gebracht wird“, so Anisha. Statt also als Fitnesstrainerin die Leute mit der Aussicht auf einen knackigen Po anzuspornen, geht es ihr um etwas ganz anderes. Deshalb wird in der Turnhalle in Kreuzberg zwar ordentlich geshaked und geschwitzt, aber innerhalb der FemmeFitness-Community auch online kritisch über die Rollenbilder unserer Gesellschaft und deren Auswirkungen diskutiert. Auf der FemmeFitness Facebookseite und der dazugehörigen Gruppe geht es dann um Themen wie: Warum wollen wir so aussehen wie Frauen in Magazinen oder welche Industriezweige beschränken Frauen auf ihren Körper? Außerdem gibt Anisha hier noch mehr Informationen zu den einzelnen Songs aus ihrer Klasse und teilt Beiträge zum Thema sexistischer Sprache im Rap oder feministische und queere Film- und Buchempfehlungen.
Tanz dich stark
Die Turnhalle in Kreuzberg ist nur eine vorübergehende Lösung: Noch sucht die fröhliche Wahl-Berlinerin nach einem perfekten Ort für ihren FemmeFitness-Kurs. Der übrigens ordentlich fordert! Nach weggetanzten 60 Minuten fühle ich mich aber so richtig gut und voller Power – und mir klebt trotz der Anstrengung auch immer noch ein Lächeln im Gesicht. Das liegt vor allem an Anishas Power und ihrer guter Laune, die direkt ansteckend ist: Während der ganzen Stunde strahlt die sympathische junge Frau über das ganze Gesicht und feuert uns an, alles zu geben. Und das tun wir doch gerne für den Feminismus.
Die Probestunden für Anishas FemmeFitness in die Turnhalle in Kreuzberg sind gratis, eine Zehnerkarte kostet 100 Euro.