Der Countdown auf der Digitaluhr neben dem provisorischen Tigerkäfig am Maxim Gorki Theater zeigte noch 30 Minuten, da drängelte die Phalanx der Kameraleute nach vorn. Von drinnen fixierten vier Tiger ihre Betrachter aus gelben Augen. 15 Minuten später wurde das Fenster zum Gehege mit einer schwarzen Holzplatte blickdicht verschlossen. Selbst da war sich wohl noch nicht jeder Betrachter sicher, ob die provokante Kunstaktion des Zentrums für politische Schönheit das angedrohte blutige Finale nehmen könnte, gewissermaßen im Verborgenen.
Zu Beginn der Aktion vor gut zwei Wochen zählte sie zu jenen, die angekündigt hatten, sich den Tigern zu opfern, wenn ihre Forderung nicht erfüllt werde: Rücknahme einer EU-Richtlinie, die die Beförderung von Menschen ohne Visa in die EU unter Strafe stellt. Nun erklärte sie, dass ihr Opfer vergeblich wäre. Applaus aus der Menge, danach Schweigen, das man als betreten deuten könnte. Kein schlechtes Ende.
Dienstagvormittag war bereits bekannt geworden, dass der Charterflieger aus Antalya, mit dem die Künstler mehr als 100 syrische Flüchtlinge ohne Visa nach Berlin bringen wollten, am Boden bleiben musste – das Bundesinnenministerium erteilte keine Ausnahmegenehmigung.
Klage gegen die Bundesregierung
Die Fluggesellschaft Air Berlin hatte den seit Monaten bestehenden Charterflugvertrag „aus wichtigem Grund“ gekündigt. Die Künstler hätten den „Transport von Statisten eines Theaterstücks“ angekündigt, aber erst kurzfristig mitgeteilt, dass kaum ein Passagier eine Einreiseerlaubnis für Deutschland habe, so Air Berlin. Man sei über „wesentliche Aspekte der Beförderung“ im Unklaren gelassen worden.
Die Polizei hatte übrigens vorsorglich versichert, dass man etwaige „Selbstverfütterungen“ verhindern werde, doch am Abend waren keine Beamten zu sehen. Philipp Ruch, künstlerischer Leiter des Zentrums für politische Schönheit bestätigte, das wäre auch nicht nötig gewesen. Es sei tatsächlich um Kunst gegangen.