Asylsuchende aus Ungarn

Flüchtlinge: "Wir brauchen Verteilersteckdosen"

Die ersten Flüchtlinge aus Ungarn kamen in der Nacht mit Bussen in der Unterkunft in der ehemaligen Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne in Spandau an.
Die ersten Flüchtlinge aus Ungarn kamen in der Nacht mit Bussen in der Unterkunft in der ehemaligen Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne in Spandau an.
Spandau - Empfang mit Beifall: In der Nacht erreichten die ersten von mehreren hundert Flüchtlingen aus Ungarn via München die Spandauer Kaserne.

Mehrere hundert Flüchtlinge, die kürzlich aus Ungarn über Österreich nach München gekommen waren, sind in der Nacht zu Montag in der ehemaligen Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne eingetroffen. Gegen 3.30 Uhr rollten die ersten Busse am Gelände in Spandau vor. Mehrere Dutzend Unterstützer begrüßten die erschöpften Menschen mit Beifall, einige Berliner warteten mit Sachspenden vor dem Tor, das mit Girlanden und Luftballons geschmückt war.

„Willkommen in Berlin-Spandau“, steht am Morgen auf einem Plakat am ehemaligen Kasernentor, auch auf arabisch. Es ist sonnig, aber kalt. „Benötigen Sie Kleiderspenden?“, fragt ein Anwohner. „Nein, danke, aber Decken und Kissen – und Verteilersteckdosen!“, antwortet eine Mitarbeiterin. Die ersten Flüchtlinge verlassen das Gelände: Sie seien gerade angekommen, erzählen zwei Männer, erst einmal seien sie glücklich, in Deutschland zu sein. Jetzt erkunden sie die Nachbarschaft. Gegenüber ist eine Polizeiwache, ein großer Supermarkt, eine Kirche.

350 Flüchtlinge erwartet

„Gemäß der Verabredung zwischen Bund und den Ländern haben alle Bundesländer einer schnellstmöglichen und unkomplizierten Weiterleitung nach dem Königsteiner Schlüssel zugestimmt“, teilte die Sprecherin der Berliner Sozialverwaltung, Regina Kneiding, am Sonntagnachmittag zunächst mit. „Für die in Berlin zunächst zu erwartenden etwa 350 Flüchtlinge sind umgehend alle Vorbereitungen getroffen worden.“

Am Sonntagabend hieß es dann, Berlin habe angesichts der vielen Flüchtlinge in München sein Aufnahmekontingent um 250 Menschen erhöht. Für die medizinische Erstversorgung stehen 25 Sanitäter und zwei Ärzte des Malteser Hilfsdienstes bereit, die diese Aufgabe im Auftrag der Berliner Feuerwehr ausführen. Der Malteser Hilfsdienst koordiniert auch die Spendenannahme.

Die ersten drei Busse mit 150 Flüchtlingen waren nach Kneidings Informationen gegen 16.45 Uhr in München abgefahren. Die Flüchtlinge sollen in Zelten auf dem Areal der Spandauer Kaserne untergebracht werden. Dort waren in der vergangenen Woche zusätzlich 71 Zelte mit jeweils 10 Betten aufgestellt worden.

Überwältigende Spendenbereitschaft der Berliner

Nach Kneidings Informationen befanden sich 250 weitere Flüchtlinge in Bussen auf dem Weg von München nach Eisenhüttenstadt, wo sich die brandenburgische Erstaufnahmestelle befindet.

Kneiding bedankte sich zudem „für die ausgesprochen große Spenden- und Unterstützungsbereitschaft der Berliner Bürgerinnen und Bürger sowie der Hilfsorganisationen“. Bereits jetzt seien vor Ort alle Möglichkeiten zum Lagern von Sachspenden ausgeschöpft. „Daher haben wir den Malteser Hilfsdienst gebeten, weitere Spenden vor Ort entgegenzunehmen und an geeigneter Stelle einzulagern.“ Die Spenden würden dann unmittelbar den Flüchtlingen zur Verfügung gestellt.

Am Berliner Hauptbahnhof hatten in der Nacht zu Sonntag und am Vormittag eine Handvoll Unterstützer auf die Flüchtlinge gewartet. Sie waren sauer, dass es bis zum Mittag keine Informationen gab. Wie Dirk Stegemann aus der Gruppe sagte, wolle man die Flüchtlinge willkommen heißen. „Aber wir wissen nicht einmal, wohin wir mobilisieren sollen.“

Nach seinen Angaben kursierten die wildesten Gerüchte am Hauptbahnhof. Eines lautete, dass Bundespräsident Gauck die Flüchtlinge am zentralen Omnibusbahnhof empfangen werde. Das war aber nicht mehr als ein Gerücht. Per Zug kamen nur vereinzelt Flüchtlinge mit regulären Zügen an, berichtete Stegemann, der sich seit Jahren in Berlin für Flüchtlinge engagiert. Nach seiner Einschätzung würden nur Menschen, die in Berlin Freunde oder Verwandte haben, auf eigene Faust hierherkommen und nicht im Sammeltransport. Der reguläre Nachtzug aus Budapest sei hingegen weitgehend leer gewesen, berichtete die grüne Abgeordnete Canan Bayram über Twitter.

In dem Zug hätten nur zwei Flüchtlinge gesessen, für die Unterstützer Schlafplätze organisiert hätten. Für den Montag hat Bayram, die flüchtlingspolitische Sprecherin der Berliner Grünen, eine Kundgebung vor der Ausländerbehörde am Friedrich-Krause-Ufer angemeldet unter dem Motto: „Willkommen heißen, nicht abschieben“. Die Kundgebung soll um 8 Uhr beginnen, erwartet werden 30 Teilnehmer.

Rechte und linke Demos am Montag

Zudem sind am Montag mehrere rechtsextremistische Demonstrationen in Berlin angemeldet und Proteste dagegen von der linken Szene. In Dortmund hatte es in der Nacht am Hauptbahnhof gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Links- und Rechtsextremisten gegeben. Eine rechte Gruppe hatte eine Demo am Bahnhof angemeldet, um gegen die Ankunft der ungarischen Flüchtlinge zu protestieren. Die Berliner Polizei steht am Montag also vor einem Großeinsatz.

Am Nachmittag mobilisiert die Pankower NPD zu einer Demo, die sich gegen die Bewohner eines Hauses am Blankenburger Pflasterweg richtet. Nach Angaben linker Gruppen ist es von Roma bewohnt. Die NPD begründete die Demo mit der angeblichen Belästigung eines 14-Jährigen Mädchens durch Bewohner des Hauses. Nach Angaben des Polizeipräsidiums sei allerdings keine entsprechende Strafanzeige bekannt.

Die Polizei nannte am Sonntag noch keine Route, diese soll erst am Montag endgültig festgelegt werden. Sie soll in der Nähe des nach Angaben linker Gruppen von Roma bewohnten Hauses am Blankenburger Pflasterweg stattfinden, aber wohl kaum direkt davor. Nach Informationen der örtlichen Antifa soll die Demo um 16 Uhr in der Blankenburger Bahnhofstraße Ecke Krugstege beginnen. Um 20 Uhr soll am Alexanderplatz eine Demo der Gruppierung „Wir für Deutschland“ mit 300 Teilnehmern starten. Sie soll nach Angaben der Polizei über Otto-Braun-Straße, Greifswalder Straße und Danziger Straße zum S-Bahnhof Landsberger Allee ziehen.

Gegen beide Demonstrationen haben linke Gruppen massive Proteste angekündigt. Gegen 18 Uhr startet am Hauptbahnhof wie jeden Montag die „Bärgida“-Demo. Die Rechtspopulisten wollen mit 200 Personen zum Brandenburger Tor und zurück ziehen. Linke Gruppen haben angekündigt, auch diesen Marsch zu blockieren.


Quelle: Der Tagesspiegel

Flüchtlinge: "Wir brauchen Verteilersteckdosen", Schmidt-Knobelsdorf-Straße, 13581 Berlin

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