„Pudel-Salon. Pflege aller Rassen“ titelt das markante Ladenschild an der Helmstraße/ Ecke Erdmannstraße in Schöneberg. Sprayer haben ihre Tags an der schmuddeligen Fassade und der heruntergelassenen Jalousie hinterlassen. Die dunklen Fensterscheiben lassen erahnen, dass der Salon, genau wie viele andere Orte, die typisch für das Berliner Stadtbild sind, seine besten Zeiten bereits hinter sich hat.
Der ehemalige Pudelsalon, der von 1968 bis 2008 in Betrieb war, ist Teil des Projekts Vanishing Berlin – verschwindendes Berlin. Der Berliner Autor und Fotograf Alexander Steffen hat sich zur Aufgabe gemacht, vom Verschwinden bedrohte Orte zu fotografieren und zu dokumentieren. Das Fotoprojekt betreibt er als Blog und brachte 2016 dazu per Crowdfunding und ohne Verlag im Rücken einen gleichnamigen Bildband heraus. Ladenfronten, Brachen, Brandschutzmauern und andere liebgewonnene Orte quer durch die Kieze – plötzlich sind sie einfach weg und wir können uns nur noch mit Wehmut an sie erinnern. Doch Alexander Steffen will bewahren, was langsam verschwindet. Die beeindruckenden Fotografien sind derzeit auch in der Austellung Camera Urbana in der Domäne Dahlem zu sehen. Die Ausstellungsreihe beschäftigt sich mit dem Thema Fotografische Perspektiven auf Landschaften in Berlin und zeigt neben den Bildern von Alexander Steffen auch Arbeiten von Tim van den Oudenhoven, der mit mysteriös wirkenden Nachtabbildungen von verlassenen Gebäuden und Stadtruinen das Gefühl von Entfremdung und Hoffnungslosigkeit vermitteln will. Analoge Fotografien von Euan Williams aus der Serie „Collapse“ demonstrieren hingegen atmosphärische Blicke auf Berlin.
Dort, wo Häuser abgerissen werden, Freiflächen verschwinden und Menschen gehen, entstehen aber auch neue Bauten, ja sogar ganz neue Viertel. Die Stadt ist eben immer in Bewegung: „Woher kommt das ganze Geld?“, fragt sich Alexander Steffen in seinem Buch. „Easyjetter aus Kopenhagen oder London? Chinesen von der anderen Seite des Flusses? Russische Neureiche auf Geldwäsche-Tournee? Globalisierte Jungunternehmer kaufen die Stadt leer.“ Wie viele Großstädte ist auch Berlin zunehmend geprägt von seelenloser Architektur, Konformität und rasant steigenden Mieten.
Vanishing Berlin führt uns die Verwandlung der Stadt vor Augen, ist aber gleichzeitig auch eine Spurensuche. Alexander Steffen wuchs in der Schöneberger Nollendorfstraße auf, nahe dem ehemaligen Pudel-Salon. Seine Fotos geben uns einen persönlichen Blick auf die Stadt, in der der Fotograf geboren und aufgewachsen ist und sind mit anekdotischen Erinnerungen, auf Deutsch und auf Englisch, aus seiner Kindheit und Jugend versehen.
Auch wenn man beim Durchblättern des Buchs den Eindruck bekommt, die Fotos seien bereits Jahrzehnte alt, ist Vanishing Berlin doch kein Geschichtsbuch: Alle Bilder sind zwischen 2009 und 2016 entstanden. Der Fokus liegt hier nicht auf dem Vergangenen, sondern auf der aktuellen Entwicklung des städtischen Raums. Am Ende stellt sich dem Leser also die Frage: Welche Orte sind wohl schon verschwunden, welche existieren noch?
Vanishing Berlin: Dokumente des Übergangs. Fotografien 2009-2016
Die Ausstellung „Camera Urbana. Fotografische Perspektiven auf Landschaften in Berlin.“ ist noch bis zum 16. September 2018 in der Domäne Dahlem zu sehen.