Nollendorfkiez – Das Monsieur Le Boeuf, zu Deutsch "Herr Ochse", hat vor rund fünf Monaten neu eröffnet. Neben eingemachter Entenkeule und frischem Ziegenkäsesalat werden Gourmets hier vor allem mit edlen Tropfen aus Frankreich verwöhnt. Aber nicht nur Feinschmecker kommen auf ihre Kosten. Das französische Restaurant trägt zahlreiche Werke namhafter Künstler an den Wänden. Da isst auch das Auge mit.
Wir entscheiden uns für einen Platz draußen. Schließlich ist es ein lauer Augustabend und die weiß eingedeckten Tische mit klassischen roten Rosen und Kerzen darauf laden schon von weitem zum Verweilen ein. Kaum haben wir uns gesetzt, ist der sehr aufmerksame Kellner auch schon da und bietet uns einen Crémant Rosé an. Der ist überaus erfrischend. Leider finden das auch die Wespen, die mindestens genauso schnell wie der Kellner am Tisch erscheinen. Doch die Lösung kommt prompt in Form von brennendem Kaffeepulver. Wer hätte das gedacht – die Wespen verschwinden auf einen Schlag und kehren den ganzen Abend nicht mehr zurück. Das gibt Bonuspunkte für den freundlichen Kellner mit dem Geheimtipp gegen Berlins allsommerliche Wespenplage!
Nun sitzt es sich angenehm in der Nollendorfstraße und wir haben Zeit, in Ruhe die Gemälde an der sonst weiß getünchten Hauswand zu betrachten. Die dicken Köpfe mit den Glubschaugen und den vollen Lippen erinnern irgendwie an die East Side Gallery. Und tatsächlich: Der Künstler Thierry Noir, ein in Berlin lebender Franzose, bemalte bereits 1984 Teile der Berliner Mauer, die heute unter Denkmalschutz stehen. Mit diesem hegt Restaurantbesitzer Reza eine langjährige Freundschaft.
„In meinem Restaurant hängen fast ausschließlich Originale an der Wand“, erzählt Reza, der auch Besitzer des Café Reza in der Maaßenstraße ist und davor gut 15 Jahre in der Paris Bar arbeitete. Dort lernte er die Crème de la Crème von Künstlern, Fotografen und Filmsternchen kennen. Die meisten von ihnen waren damals noch unbekannte HdK-Studenten. Reza bot Daniel Richter, Jonathan Meese, Peter Doig und Co. gute Plätze an, bewirtete sie freundlich. Zum Teil entstanden daraus Freundschaften, deren Früchte heute im Monsieur Le Boeuf zu sehen sind. „Die Kunstwerke sind mehr wert als mein Restaurant. Der Einzelpreis mancher Werke allein liegt bei 100.000 Euro“, berichtet der Kunstliebhaber stolz. Selbstverständlich sei alles gut versichert. So hätten nicht nur er, sondern auch seine Gäste Freude daran.
Französisches Laissez-faire
Auch sonst ist Reza, der im Iran geboren wurde und mit 24 Jahren nach Deutschland kam, durch und durch Genießer. „Ich liebe Kunst, Essen, Musik, Reisen“, so der heute 50-Jährige. Laut eigener Aussage war er schon in rund 90 Ländern unterwegs. Aber Frankreich hat es ihm ganz besonders angetan: „Dieser französische Charme, diese Atmosphäre liegt mir am Herzen. Davon habe ich Ahnung, das kenne ich gut – egal ob es um Gerichte oder Weine geht.“ Kein Wunder also, dass es dem Gastronom wichtig ist, dass in seinem Restaurant nicht nur die Kunst, sondern auch die Speisen authentisch sind. Die Waren stammen zu 85 Prozent direkt aus Frankreich oder kommen von französischen Lieferanten. Selbst sein Geschäftspartner ist ein Franzose wie aus dem Bilderbuch – im edlen Zwirn mit einem Glas Rotwein und der „Le Monde“ in der Hand sitzt er da und versprüht das landestypische Laissez-faire.
Das alles passt ziemlich gut in den entspannten Nollendorfkiez, finden wir. Einen anderen Ort könnte sich Reza für sein Restaurant auch nicht vorstellen. Hier ist er Zuhause, hier fühlt er sich wohl. „Ich liebe die bunte Mischung Schönebergs. Die unterschiedlichen Leute machen die Gegend interessant“, berichtet der Wahlberliner. Außerdem gebe es immer was zu sehen, der Kiez stecke voller Leben. Gut leben und gut speisen. Das ist sein Credo und so überlässt uns Reza dann auch dem Genuss unserer eingemachten Entenkeule und des Lammfilets in rosa Pfeffersoße, die beide im Mund zerschmelzen. Vorher verrät er uns aber noch seinen Lieblingswein, Châteauneuf-du-Pape, einen roten Burgunder aus der Rhône-Region, der hervorragend zu unserem Hauptgang passt – und zu diesem schönen Sommerabend.