MASCHA FRAGT NACH

Seitensprung verzeihen, Beziehung retten - aber wie?

Verzeihen oder nicht verzeihen – so oder so ist ein Seitensprung eine harte Nummer.
Verzeihen oder nicht verzeihen – so oder so ist ein Seitensprung eine harte Nummer.
Mal eben schnell fremdvögeln oder gleich eine Affäre beginnen: Fremdgehen hat viele Gesichter. Doch fast immer stellt sich die Frage: Kann man einen Seitensprung verzeihen? Kolumnistin Mascha hat mal in sich reingehört, sich bei Freunden und im Netz umgehört – das ist ihr Fazit.

The struggle is real – und allgegenwärtig: Eifersucht, Affären, Seitensprung. Kaum etwas scheint die Menschen so zu packen wie die Frage: Kann man, kann ich einen Seitensprung verzeihen? Unter anderem ruft gerade die Wochenzeitung Zeit, bei mir prominent in den sozialen Medien platziert, zur großen Umfrage zum Thema auf. Kein Wunder, irgendwie: Verkörpert doch Fremdgehen oder gar eine waschechte Affäre das ultimative Böse in einer Beziehung – und ist doch gleichzeitig ein mehr oder weniger alltägliches Phänomen. Laut einer Umfrage von Statista aus dem Jahr 2017 haben rund ein Viertel der Befragten ihren Partner oder ihre Partnerin schon einmal betrogen. (Hier wäre für mich noch die Frage: Geht es dabei um aktuelle Partner*innen oder um potenziell alle jemals existierenden?) Demgegenüber sollen laut einer Umfrage von Parship aus dem Jahr 2018 stolze 38 Prozent der Befragten einen Kuss für einen Trennungsgrund halten. Das finde ich ja enorm. 88 Prozent finden, eine längerfristige sexuelle Beziehung – ich nenne es mal Affäre – ist ein Grund zum Schlussmachen. Hm. Das klingt schon nachvollziehbarer.

Affären sind ganz schön oft ein Trennungsgrund

Ich habe schon betrogen – mal mit, mal ohne Geständnis danach – und wurde schon betrogen. Und mir wurde schon verziehen und ich habe schon verziehen. Aber spurlos geht das meist nicht an einem vorüber. Ich glaube, jeder, der weiß, wie sich Betrug anfühlt, kennt den Schmerz, die Wut, die ätzende Unsicherheit. Und den gekränkten Stolz, ein nicht zu unterschätzender Faktor wenn es um die Frage geht: Kann ich Fremdgehen verzeihen? Kann die Beziehung diese Scheiße überleben?

Ich habe mal in meinem Umfeld nachgefragt und mich daran erinnert, was mir im Laufe der letzten Jahre so an Betrugs- und Seitensprung-Szenarien erzählt wurde. Und da fiel mir auf – wie mir ja so oft immer mal was auffällt: Das war erstaunlich wenig. Das liegt zum einen daran, dass offenbar wenig passiert ist in meinem Umfeld. Es gab einen Fall, in dem ein Bekannter seiner Freundin monatelang mit wechselnden Frauen betrogen hat. Eine Art letztes Aufbäumen, denn die Beziehung war sowieso am Boden. Vor ein paar Wochen haben sie sich getrennt. Dann gab es noch ein, zwei heimliche Fremdgeh-Storys bei einer Freundin verbunden mit einer alten Liebelei aus Schulzeiten. Da wurde mal geknutscht und etwas gefummelt, aber dann ging sie zurück zu ihrem Freund, als wäre nichts gewesen. Für sie war es einfach nicht relevant genug, um da eine große Sache draus zu machen. All dem ist gemein: Eine Aussprache gab es nicht. Und wie soll man einen Seitensprung verzeihen, wenn man gar nichts davon weiß?

Fremdgehen verzeihen? Meist bleibt es geheim

Zum anderen hängt das Ganze aber natürlich mit der Tatsache zusammen, dass strikt monogame Beziehungen ja immer verpönter werden. Zumindest in meinem erweiterten Dunstkreis, speziell in Berlin. Wie soll man fremdgehen oder ein Fremdgehen verzeihen, wenn man offiziell gar nicht betrügen kann? Ich habe ja schon mehrfach bei „Mascha fragt nach“ von Paaren erzählt, bei denen das mit der offenen Beziehung tatsächlich funktioniert. Die sind natürlich fein raus. Wobei ich immer wieder merke, dass die Frage, was denn nun erlaubt ist in Sachen Sex und Liebelei und was nicht, durchaus problematisch werden kann in einer vermeintlich offenen Beziehung – aber dem Thema widme ich mich ein andermal gesondert. So oder so: Ich habe erschreckend wenig Bezugsmasse zur Frage, ob nach dem Fremdgehen die Beziehung denn nun wieder aufgepäppelt werden kann oder nicht. Denn die, die so etwas wie einen Seitensprung betreiben, nennen es nicht so oder schweigen es tot.

Bleibt mir also nichts anderes übrig, als mal wieder die Expert*innen im Netz zu bemühen. Da ist ja immer mal wieder zu lesen, nein, ein Seitensprung muss natürlich nicht das Ende der Beziehung bedeuten und hey, das kann doch sogar eine Chance sein – oder, obacht, es ist ein Hilferuf von den Betrüger*innen, da kann man mal anknüpfen und schön an der Liebe arbeiten. Das mag alles sein und würde ich auch zu Teilen unterschreiben. Aber wie, ja wie bloß überlebt man besagten Schmerz, die Wut, die Unsicherheit, wenn man denn nun zur Fraktion „betrogen“ gehört?

 

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Ein Beitrag geteilt von Tumblr (@fetita.tumblr97) am Nov 6, 2019 um 6:53 PST

Seitensprung verzeihen: Das sagen Expert*innen

Immer sehr gern lese ich die Kolumne „Schlafzimmerblick“ der Zeit. Die systemische Paar- und Sexualtherapeutin Angelika Eck geht hier auf konkrete Leser*innenfragen ein – unter anderem auch auf die einer Frau mittleren Alters, deren Partnerin sie monatelang mit einer Kollegin betrogen hat. Die Affäre wurde beendet, die Partnerin möchte die Beziehung erhalten. Aber die Betrogene wird seit nunmehr einem halben Jahr von Eifersucht, Verlustängsten, Wut und der Frage geplagt, wie sie da „wieder rauskommen“ kann. Und in der Antwort von Therapeutin Eck wird mir sofort wieder klar, was ich an guten Expert*innen so mag: Es gibt kein simples Schwarz und Weiß, richtig oder falsch. Sie sagt: „Es geht um die Frage, ob Sie miteinander eine neue Beziehung eingehen können und möchten. Denn die alte ist vorbei. (…) Es handelt sich oft nicht nur um eine partnerschaftliche, sondern auch um eine Identitätskrise für alle Beteiligten. Die Frage lautet nicht nur „Wer bist du jetzt für mich und wer bin ich für dich?“, sondern auch „Wer bin ich für mich selbst?“ Und das finde ich eine sehr starke Feststellung, denn das Verorten des eigenen Ichs in dieser Situation halte ich auch für eine der größten Herausforderungen. Weil ein Betrug auch das Gefühl zu sich selbst verändert.

Deswegen rät Eck auch, sich Zeit zu nehmen, gerne auch mehr als ein halbes Jahr. Und Dinge zu tun, die einem selbst helfen wie Gespräche mit Freunden oder Sport. Von der Partnerin sei ein aktives Bemühen und Präsenz erforderlich. Ein „es tut mir leid“ reiche oft nicht oder sei unehrlich, vielmehr sei Empathie und Mitfühlen des Schmerzes vonnöten. Vertrauen wiederherzustellen dauere, sei aber nicht unmöglich. „Sie wären sehr naiv, würden Sie zum jetzigen Zeitpunkt uneingeschränkt vertrauen. Schließlich wissen Sie es besser, haben Sie doch erfahren, dass Ihre Partnerin fremdgehen kann“, so die Expertin. Könne die Partnerin glaubhaft spürbar machen, dass sie die Beziehung erhalten will, sei das ein wichtiger Schritt. Und vielleicht, so Eck zum Schluss, müsse man auch gar nicht komplett verzeihen. Könne sich aber trotzdem entscheiden, eine praktisch neue Beziehung mit dieser Frau und dieser Geschichte einzugehen. Alles sehr komplex, aber alles sehr nachvollziehbar.

Und auch Expertin Esther Perel, von der ich ja schon mal auf der Suche nach guten Beziehungs-Expert*innen im Netz gesucht habe, berichtete. Sie sagte bei einem Auftritt, aus dem der Guardian zitiert, etwas Interessantes: Viele wollen sich gut fühlen, wenn sie die Entscheidung träfen, den Partner oder die Partnerin trotz Fremdgehen nicht zu verlassen. Vor allem Frauen aber würden sich für die Nicht-Trennung schämen und hätten damit eine Doppellast zu tragen: „Ich wurde von meinem Partner betrogen und ich muss jetzt lügen, um ihn zu schützen, damit andere ihn nicht so stark verurteilen, dass ich ihn verliere.“ Was auch daran läge, dass viele Frauen heute nicht mehr aus wirtschaftlichen Gründen bei einem Mann bleiben müssten. Hier bin ich etwas unsicher, was aber auch wiederum an meinem Umfeld liegen kann. Ich würde mich nicht schämen, mit meinen Freunden einen Betrug zu besprechen und das müsste auch mein betrügerischer Partner aushalten. Generell plädiert Perel aber dafür, das klassische Täter-Opfer-Konstrukt aufzuheben und betont ebenfalls, dass ein Seitensprung auch eine Chance sein kann. Wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzt, beide Seiten.

Liebe retten nach Seitensprung? Das erfordert Kraft und Geduld

Puh, jetzt bin ich etwas erschöpft. Seitensprung, Betrug, Affären, das sind ja echt komplexe Themen. Wenn ich jetzt noch weiterschreibe, verliere ich völlig den Faden. Daher soweit erstmal heute die neue und alte Erkenntnis: Wer einen Seitensprung verzeihen will – und damit meine ich jetzt mal jede Form von emotionalem und sexuellem Betrug, das kann ja sowohl in einer monogamen als auch in einer nur eingeschränkt offenen Beziehung passieren – der braucht starke Nerven und ganz viel Geduld. Und ein Gegenüber, das bereit ist, ebenfalls ordentlich reinzubuttern, damit man ihm oder ihr überhaupt verzeihen will. Denn ich bleibe dabei, der eigene Stolz oder zumindest das eigene Selbstwertgefühl gehören zu den Endgegnern, wenn man nicht nur die fremdgegangene Person, sondern auch sich selbst wieder gut finden will – in dieser Beziehung. Mit der Wut und dem Schmerz muss man erstmal leben, das spricht einem auch keine der Expertinnen ab. Und wenn der Betrug einfach zu hart, zu mies, zu krass war, nützt manchmal auch das beste Verarbeiten nichts. Dann muss man sich trennen. Wenn man aber bereit ist, abseits klassischer „Betrogen werden = Schluss machen“-Muster zu denken, die das Umfeld oder irgendeine Mentalität diktiert, besteht noch Hoffnung. Aber auch nur dann, wenn aus den Betrüger*innen gesprächsbereite Partner*innen werden, die nicht nur in Pseudo-Reue versinken oder ihrer Affäre nachweinen, sondern sich aktiv den Arsch aufreißen, um die Liebe zu retten. Amen.

Gut, dass ich da mal nachgefragt und nachgelesen habe,

gehabt Euch wohl,
eure Mascha

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