1. Big-City-Feeling
Kaum stolpert man aus der Wohnung, ist man mittendrin: Tosender Verkehrslärm, Autos von rechts, von links – von überall. Schaut man in die Karl-Marx-Allee, grinst einem der Fernsehturm entgegen, abends hat man hier den schönsten Sonnenuntergang und morgens den schönsten Aufgang. Ja, hier sind die „Stalinbauten“ wohl am meisten herunter gekommen und es ist auch nicht zu verstehen, warum man sich auf dieser Straße aufhalten sollte. Wer sich aber einmal an die Springbrunnen gesetzt hat, wird es bald begreifen: Hier treffen sich alte Menschen zum Plausch, junge Leute mit zu vielen Hunden und einem Bier in der Hand oder einem Buch, man lässt Straße- und Wassergeräusche an sich vorbeirauschen, an heißen Sommernächten betrachtet man den orangefarbenen dicken Vollmond, der über der Pablo-Neruda-Bibliothek hängt.
2. Bibliothek
Schon sind wir beim nächsten Punkt: Seit die Pablo-Neruda-Stadtbibliothek vom Südkiez in den Nordkiez gezogen ist, gibt es fast keinen Grund mehr, in den Simon-Dach-Kiez zu gehen. Gut, dort ist der Boxi mit seinem sonntäglichen Flohmarkt und samstags ist da der Gemüsemarkt, aber wir haben die Billig-Läden (teilweise mit DDR-Beständen wie Kittel, Schürzen oder Porzellan) und die besseren Ost-Bäcker wie Heinevetter, Wenzel oder Schnell. Ansonsten ist der gesamte Friedrichshain für orientalische Lebensmitteleinkäufe ungeeignet: Da muss man die Ost-Zone verlassen und die unsichtbare Grenze in den Westen passieren. Arabisches oder türkisches Brot, Tee und Bulgur, Sucuk bekommt man hier nicht oder wenn, dann zu überteuerten Preisen. Die Läden die solche „Westwaren“ vertreiben nennen sich dann „Südländische Spezialitäten“ oder „Delikatessen“.
Zurück zu Pablo-Neruda: Diese Bücherei ist fantastisch! Sie hat ein Café (das mittlerweile allerdings leider geschlossen ist) mit einer riesigen Auswahl an Zeitungen und Zeitschriften, in denen man bei Cappuccino, japanischem Tee oder Suppe schmökern kann. Nach hinten raus hat die Bibliothek seit kurzem einen Garten mit Liegestühlen. Es gibt eine Kinderbuchabteilung mit einem Raum für Vorlesenachmittage, eine Etage mit jeder Menge DVDs- und CDs sowie Kunst zu Leihen. Im dritten Stockwerk stehen Internetzugänge und ein Gruppenraum zur Verfügung, in dem man in Ruhe arbeiten kann.
3. Café, Kultur und Buch
Es handelt sich nicht etwa um drei verschiedene Läden am Frankfurter Tor, so viel Kultur gibt es hier nicht – nein, das Café Tasso bietet alles in einem: Bücher für 1 Euro, eine große Auswahl an DDR-Kinderbüchern und vieles mehr. Im Keller des Cafés gibt es zudem Bücher zu Film und Musik und Literatur in Koreanisch, Türkisch oder auch Englisch. Fast jeden Tag gibt es ein kleines Konzert oder eine Lesung bei freiem Eintritt und die Küche ist 100 Prozent Bio. Da die Frankfurter Allee sehr viel Platz hat, kann man hier auch sehr schön auf der Terrasse des Cafés sitzen. Ansonsten sieht es kulinarisch mau aus auf der Allee, doch um die Ecke beim Italiener Bye bye Cavaliere bekommt man sehr leckere Focaccia.
4. Kinos
Im Umkreis von einem Kilometer haben wir drei Kinos – besonders nah und günstig ist das Intimes. Ein Stück weiter weg ist das Kino Filmkunst – im Südkiez – oder die Tilsiter Lichtspiele im Norden. Dann gibt es noch die Bar Filmrisz, die dreimal wöchentlich Filme umsonst zeigt. Nebenan gibt es Kino auf die Ohren: Im Keller der Bar Lauschangriff kommen, wo sonst Partys und Konzerte angesagt sind, einmal die Woche Hörspiele in den Rekorder.
5. Ruhe
Friedlich ist es hinter den „Stalin-Bauten“, hier und da verstecken sich grüne Winkel, Spielplätze mit Wasserpumpen oder schattige Bäume mit Bänken drunter. Auch der eine oder andere Fuchs hat sich hier schon mal sehen lassen. In Richtung S-Bahnhof Storkower Straße gibt es als Trost für fehlende Gewässer und Parks das Areal des „Alten Schlachthofs“. Seit seiner Sanierung mutet er zwar wie der Traum spießbürgerlichen Wohnens an, aber es gibt eben auch sehr viel Grün drum herum – und noch immer viel Brachland, auf dem man herrlich herumstreunen kann.
„Zehn Jahre sind es nun schon, seit ich ans Frankfurter Tor gezogen bin. Anfangs nannte ich mich noch „Exil-Kreuzbergerin“: Ich wohnte in Friedrichshain, lebte aber ansonsten im Wrangelkiez. Mittlerweile möchte ich hier nicht mehr weg, auch wenn mir vieles fehlt, was ich in Kreuzberg gewöhnt war – aber hey, es ist ja nicht so weit dort hin!“