Tumulte auf der Mitgliederversammlung und fassungslose Fans hier, Angst vor dem Zwangsabstieg dort: Im Berliner Fußball geht es in dieser Saison auch außerhalb des Platzes rund. So unterschiedlich diese Fälle liegen, sie haben beide unmittelbar mit dem Einfluss von Investoren zu tun. Im Blickpunkt stehen bei diesem Thema meistens die Bundesliga und Klubs wie RB Leipzig oder die TSG Hoffenheim. Doch in niedrigeren Spielklassen ist die Problematik eher noch größer: Um in der Regional- oder gar Oberliga voranzukommen, wo die Fernsehgelder äußerst spärlich ausfallen, muss man stets die Augen nach neuen Geldquellen offenhalten. Entsprechend schwer ist es, großen Verlockungen zu widerstehen, auch wenn die schnell in die Abhängigkeit führen können.
Tennis Borussia (Tebe), Ex-Bundesligist aus Charlottenburg, einst trainiert von Winfried Schäfer, hat das in der Vergangenheit schon mehrmals zu spüren bekommen. Den kurzen goldenen Zeiten folgte der tiefe Absturz, dann der Versuch des Neuaufbaus. Seit 2016 unterstützt Jens Redlich, geschäftsführender Gesellschafter einer Fitnesskette, die Lila-Weißen, er soll Tennis Borussia als Sponsor sogar vor der Insolvenz gerettet haben. Doch für sein Engagement wollte er mitreden und wurde 2017 zum Vorstandschef bestimmt. Seitdem sind mehrere Mitglieder des Aufsichtsrats zurückgetreten – jenem Gremium, das die Arbeit des Vorstands kontrollieren soll. Manchem wurde der Rücktritt nahegelegt.
Die Vereinsabteilung Aktive Fans (TBAF), die Redlich inzwischen sehr kritisch gegenübersteht, forderte eine außerordentliche Mitgliederversammlung. Dort sollten per Wahl neue Mitglieder für den Aufsichtsrat bestimmt werden. Ende Januar kam es dazu, doch die Veranstaltung verlief anders, als es sich die mehrheitlich linksorientierten aktiven Fans erhofft hatten. Vorstandschef Redlich brachte alle seine fünf Kandidaten für den Aufsichtsrat durch. Die Mitgliederversammlung war deutlich stärker besucht als vergangene Treffen. In der Taz berichtete der stellvertretende Abteilungsleiter von TBAF Dennis Wingerter von bulgarischen Bauarbeitern, die in einem Reisebus zur Versammlung gefahren worden seien und Neumitgliedern, die „nach Fitnessstudio-Belegschaft aussahen“. Wurden sie extra angeworben, um das gewünschte Abstimmungsergebnis zu sichern?
FC Viktoria 1889: Wenn der Investor nicht mehr zahlt
Um mehr als vereinsinterne Demokratie geht es im Süden der Stadt. Die erste Mannschaft des FC Viktoria 1889 Berlin trägt ihre Heimspiele im Stadion Lichterfelde aus. Ob sie das auch noch in der Rückserie der aktuellen Regionalliga-Saison tun würde, stand im Dezember plötzlich in Frage. Der ehemalige deutsche Meister, zu dem noch heute die größte Jugendfußballabteilung Deutschlands gehört, musste Insolvenz anmelden. Vor der Saison hatte es noch ganz anders ausgesehen: Mit Hilfe des Investors Advantage Sports Union (ASU) aus Hongkong wollte Viktoria groß angreifen und hatte für die nächsten Jahre den Aufstieg in die Dritte Liga fest im Blick. Entsprechend wurde auch der Kader verstärkt.
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Doch aus bisher unklaren Gründen stellte die ASU die vertraglich vereinbarten Zahlungen ein. Ging es dem Investor mit dem Aufstieg nicht zügig genug? Denn schnell war in dieser Regionalliga-Saison der Chemnitzer FC allen anderen Vereinen tabellarisch weit enteilt und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit den einzigen Aufstiegsplatz nicht mehr abgeben. In jedem Fall war Viktorias Abhängigkeit von der ASU bereits so groß, dass der Verein nach dem Zahlungsstopp die auflaufenden Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen konnte. Durch die Insolvenz werden dem Klub automatisch neun Punkte abgezogen, einige der ‚Stars‘ haben sich bereits wieder verabschiedet.
Am 24. Januar gab der FC Viktoria bekannt, dass der Spielbetrieb für die Rückrunde gesichert sei. Längerfristig soll der Verein durch eine Ausgliederung des Profibereichs in eine Kapitalgesellschaft wieder auf sichere Füße gestellt werden. Dieser Schritt war schon mit der ASU geplant worden. Für beide Schritte ist die Viktoria erneut auf Geldgeber angewiesen. Diesmal handelt es sich um eine inländische Investorengruppe, mit der die Verantwortlichen schon vor der Insolvenz im Gespräch gewesen seien, wie es auf der Vereinshomepage heißt.
Fans der Tennis Borussia suchen neue Heimat
Für die Fans von Tennis Borussia, jedenfalls jenen großen Teil der Fanszene, der Jens Redlich kritisch sieht, ist noch kein Happy End absehbar. Den Verein in seiner aktuellen Konstellation wollen sie nicht mehr im Stadion unterstützen. In der Rückserie sind dafür Gastauftritte bei anderen wohlgesonnenen Klubs geplant. So bekam der Kreisligist Blau-Weiß Friedrichshain, der auf dem Dach von Metro am Ostbahnhof spielt, kürzlich kreativen Support von knapp 200 Tebe-Fans, verlor allerdings dennoch 0:1 gegen die SF Charlottenburg-Wilmersdorf II.
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Gibt es für Vereine überhaupt Alternativen zur Zusammenarbeit mit Investoren? Bleibt den Fans letztlich nur, diese zu akzeptieren? Eins ist klar: Kein Verein, der sportlich ambitioniert ist, kann ganz auf Geld von außen verzichten. Das gilt selbst für Bezirks- und Kreisligisten. Sponsoren, die keine Absprachen über Vereinsangelegenheiten oder gar Mitsprache in Gremien verlangen, sind erst mal unproblematisch. Wenn man Investoren als diejenigen definiert, die als Gegenwert für ihr Geld immer auch ein Stück Kontrolle über einen Verein erwarten, wird es mit denen gleich diffiziler. Die Klubs müssten um ihrer selbst willen auf so wenig Abhängigkeit wie möglich bestehen.
Für all jene, die glauben, dass es im zweifellos extrem kapitalistischen Fußball heute keinen anderen Weg gibt, als mehr Einfluss von großen Unternehmen, Einzelpersonen oder sogar Staaten auf die Vereine zuzulassen: ein Gegenbeispiel. England, das Mutterland des Sports, wo es seit langem die Regel ist, dass sich Profiklubs in Privatbesitz befinden, beweist dass es auch anders geht. Zwar gibt es dort einerseits viele in- und ausländische Investoren, andererseits aber auch zwei Vereine im Profibereich, die über Stiftungen von ihren Fans kontrolliert werden: den AFC Wimbledon in der drittklassigen League One und Exeter City in der viertklassigen League Two. Dieses Modell macht es zwar nicht gerade einfach, in die höchsten Sphären vorzustoßen – umso stolzer dürfen die beiden Klubs auf das bisher Erreichte sein.