Geh weg statt Gehweg heißt es vielerorten in Berlin. Baustellen, lose oder fehlende Pflastersteine, Wurzeln, Absperrgitter, parkende Autos, Sperrmüll… Es finden sich die unterschiedlichsten Hürden, die ein Fußgänger bei seinem täglichen Gang zur Arbeit, in den Supermarkt oder sonst wohin überwinden muss. Die hauptstädtischen Straßen sind – wie fast im ganzen Land – auf den Autoverkehr ausgerichtet. Nun dämmert es an manchen Stellen, dass das (veraltete) Konzept weder Kopf noch Fuß hat. Doch bis die Sache in Bewegung kommt, kämpfen Fußgänger weiter gegen den Stillstand.
Selbst wo es sinnig wäre, auf die Bedürfnisse von Fußgängern zu achten, werden sie als lästiges Übel eingeplant. So lassen manche Ampelschaltungen es nicht einmal zu, dass ein durchtrainierter, junger Mensch es bei Grün über die Straße schafft. Ältere Herrschaften, aber auch die Jüngsten unter uns bleiben chancenlos. Dazwischen herrscht Stress. Bei mehrspurigen Straßen müssen alle eine Pause auf dem Mittelstreifen einplanen, denn ein Übergang in einem Zug ist nicht vorgesehen. Ein Spitzenreiter unter den Schnellschaltern ist übrigens die Ampel am Elefantentor des Zoos. Ja, dort wo viele Familien über die Straße wollen, wo eine Seniorenresidenz an der Ecke ist und wo Schlenderer vom Shopping kommen, dauert die grüne Ampelphase für Fußgänger wirklich nur wenige Sekunden…
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Forderungen vom Verband
Der Fachverband Fußverkehr Deutschland fordert nun: Rettet den Gehweg. Laut Verband werden Fußgänger wie eine Randgruppe behandelt, dabei sind sie in der Mehrheit. Auf dem Papier ist die Revolution schon im vollen Gange, denn das Umweltbundesamt sitzt angeblich schon an Plänen wider der autogerechten Stadt, die bisher als Idealfall galt. Und auch das legendäre Mobilitätsgesetz, an dem Radfahrer sich schon erfreuen, unterstützt in vielen Punkten die hohen Amtsüberlegungen: deutlichere Trennung von Fußgänger- und Radwegen, mehr Mittelinseln, angenehmere Ampelschaltungen, breitere Gehwege. Tja. Da könnten wir uns jetzt schon zurücklehnen, unseren Ärger herunterschlucken und die paar Jahre abwarten, bis alles umgesetzt ist.
Am Beispiel Fahrrad haben wir aber gesehen, wie langsam die Mühlen mahlen. Warum nehmen wir die Sache also nicht selbst in die Hand? Die meisten Fußgänger sind manchmal auch Radfahrer, die wiederum sitzen an anderen Tagen hinter dem Steuer eines Autos. Das Wissen um die Nöte des anderen nehmen aber nur die wenigsten beim Wechsel zu den Fahrzeugen hin mit. Ein grüner Pfeil an der Ampel ist zum Beispiel eine erfreuliche Sache, wenn man bei der Nutzung darauf achtet, Fußgänger und Radler nicht umzufahren. Nun soll er abgeschafft werden, weil Rücksicht wohl nicht mehr funktioniert. Langfristig geht es den Autofahrern dann richtig an den Kragen: Das Tempo soll stadtintern auf 30 km/h gesenkt, Parkraum knapper und die Zahl der Autos in Berlin insgesamt halbiert werden. Im Gegenzug sollen dann die 27 Prozent, die Wege zu Fuß zurücklegen, auf 41 Prozent ansteigen. Das Strategiepapier dazu heißt „geht doch!“. Hoffen wir also, dass Berlin bald in die Gänge kommt.