Die zunehmende Digitalisierung im Handel und in der Gastronomie bringt auch eine zunehmende digitale Zahlungsweise mit sich. Bekanntermaßen gibt es Länder, in denen mittlerweile fast ausschließlich mit Karte oder gar mit dem Smartphone bezahlt wird, und auch im Bargeldland Deutschland steigt die Akzeptanz. Laut der aktuellen Studie eat.pay.love ist sie betreiber*innenseitig in der deutschen Gastronomie seit der Erstbefragung 2017 um fast 12 Prozent gestiegen – 84,6 Prozent der befragten Gastrobetriebe bieten bargeldloses Bezahlen an, beim ersten Mal waren es noch 72,3 Prozent. Fast 90 Prozent der 18- bis 29-Jährigen wünschen sich bargeldlose Zahlmöglichkeiten.
Immer mehr Betriebe stellen aktuell gar auf „no cash only“ um und haben das Bargeld für sich faktisch abgeschafft. Nur ein paar Beispiele, die stellvertretend für viele stehen: Kein Bargeld mehr akzeptiert die Hamburger Pizzeria Heat ebenso wie die Hotelkette Prizeotel oder das neu gestaltete Restaurant der Messe Hannover. Es geht quer durch alle Betriebstypen. Die Gastrobetriebe vom Imbiss bis zum Club, die das Software-Unternehmen Tobi an seinem Sitz im westfälischen Ahaus betreibt – komplett bargeldfrei. Hier wird per Smartphone bestellt und bezahlt. Ebenso haben die Berliner Cafés Ben Rahim und auch die Kette The Barn Scheine und Geldstücke verbannt. Als Letztere dies tat, veröffentlichten wir dazu einen Post, der viele Pro- und Contra-Kommentare erhielt. Was nur zeigt: Am Thema Bargeld – ja oder nein scheiden sich aktuell die Geister.
Ohne Bargeld, aber mit vielen Vorteilen
Für die Gastronomie hat „no cash“ durchaus einige Vorteile: Weniger Abrechnungsaufwand am Abend, kein Wegbringen des Geldes zur Bank und kein Wechselgeldbesorgen beispielsweise. Hinzu kommt, dass weniger Gefahr von Fehlabrechnungen, Diebstahl oder gar Betrug besteht – das dürfte doch ganz im Sinne der mehrheitlich ehrlich wirtschaftenden Betriebe sein. Bei Bargeldlastigkeit kommt es immer wieder zu „Unstimmigkeiten“, vorsichtig formuliert. Deutlicher: Allein die Berliner Finanzämter erzielten durch Kassennachschau und daraus resultierenden Betriebsprüfungen seit 2018 sage und schreibe 50,4 Millionen Euro Mehreinnahmen allein im Bereich der Gastronomie.
Hinzu kommt ein Phänomen, das die Psychologie als Zahlungsschmerz bezeichnet: So wirkt sich nicht nur die Höhe des zu zahlenden Betrags darauf aus, wie sehr der Konsument den Zahlungsvorgang als unangenehm oder gar wehtuend empfindet, sondern auch dessen Durchführungsart. Bar zu zahlen, tut demzufolge mehr weh und umgekehrt: Kartenzahlung oder eine andere Form digitalen Bezahlens ist angenehmer. Und man will es den Gästen ja so angenehm wie möglich machen, nicht wahr?
Doch – Stichwort Bequemlichkeit – ist „no cash only“ tatsächlich der Trend, in den es in Zukunft in der Gastronomie gehen wird? Oder ist eine Mehrgleisigkeit – fachsprachlich Omnichannel – inklusive Bargeld für verschiedene Gästebedürfnisse und Wünsche doch besser? Bargeld ist anonym und diskret. Es hinterlässt keine digitalen Spuren und soll gastronomische Situationen geben, in denen genau das gästeseitig gewünscht ist. Und nicht jeder Gast hat eine Karte, mancher hat auch kein Konto. In den USA sind das immerhin 20 Millionen Menschen.
Und so gibt es in den USA, wo die Bargeldquote schon viel niedriger ist als hierzulanden, tatsächlich einen Trend zum Gegentrend: So ist die US-Kette Sweetgreens wieder zu „not cashless“ zurückgerudert, weil diese Bezahlungsform bestimmte Gruppen von Gästen diskriminiert. Die Stadt Philadelphia, wo das Unternehmen allein sechs Filialen hat, hat sogar explizit angeordnet, dass die Geschäfte Bargeld wieder akzeptieren müssen. Andere US-Städte folgten dem Beispiel.
Natürlich liegt es in der Entscheidung jedes Betriebs selbst, welche Bezahlformen er akzeptiert. Und es gibt sicher Betriebstypen, in denen „no cash“ absolut sinnvoll ist. Es sollte nur auch vom Gast her gedacht werden. Wie immer.
Dieser Text erschien zuerst bei www.nomyblog.de als Teil des Artikels „5 Gastronomie-Trends 2020“. Den gesamten Text liest du hier.