Zwei Flachmänner, leergetrunken, zeugen von einer ost-westlichen Begegnung, die diesem Ort gerecht wird. Jägermeister und Wodka Gorbatschow. Hier oben auf dem Balkon der Bösebrücke wird gelegentlich auf den 9. November angestoßen, das nächste Mal am kommenden Samstag. Der echte Gorbatschow war auch schon mal da, zum 20. Jahrestag, zusammen mit Lech Walesa und der Kanzlerin. Dennoch ist die Bösebrücke (benannt nach Wilhelm Böse, einem NS-Widerstandskämpfer) nicht ins welthistorische Gedächtnis der Menschheit eingegangen. Viele sagen einfach Bornholmer Brücke zu ihr. Die nördliche Brückenrampe ist einer der Gedenkorte der Berliner Mauer und heißt seit drei Jahren „Platz des 9. November 1989“. Nur weiß das niemand, was unter anderem daran liegt, dass zur Einweihung des Gedenkortes am 9. November 2010 kein Schild aufgestellt wurde. Die Benennung eines Platzes braucht schließlich einen langen behördlichen Vorlauf.
Auf dieses Prozedere hat man damals einfach verzichtet. Das fehlende Schild fiel nicht weiter auf. Am Platz des 9. November wohnt niemand, also nahm auch die Post keinen Anstoß. Die S-Bahn fügte den Platz in ihre Umgebungskarten ein, beim Kartendienst Kauperts ist der Name längst ein Begriff, selbst im Bezirksamt Pankow geriet zwischendurch in Vergessenheit, dass dem Platz des 9. November noch etwas fehlen könnte. „Das wurde nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit verfolgt“, räumt Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) ein.
Bis doch jemandem auffiel, dass es den Platz offiziell noch gar nicht gibt. Nun, drei Jahre nach seiner Einweihung, wird die richtige Benennung nachgeholt. Ein typisches Berliner Straßenschild wird aufgestellt, und die Bezirksbürgermeister von Pankow und Mitte, die sich ohnehin jedesmal am Abend des 9. November hier treffen, werden kurze Reden halten.
Mit dem Namen erhält der Platz auch einen barrierefreien Zugang, der den Mauerweg unter der Brücke mit der Brückenrampe verbindet. Dieser Weg, geschätzt 50 Meter kurz, kostet nach Bezirksangaben 530 000 Euro. Eine halbe Million für ein bisschen Asphalt und ein paar Laternen? „Der Weg an der Böschung hat sich durch Umplanungen verteuert“, sagt Klaus Wazlak von der BVG, die den Bau im Auftrag von Bezirk und Senat gemanagt hat. Erst sei Munition gefunden worden, anschließend habe die Stützmauer erhöht werden müssen, schließlich hätten die benachbarten Kleingärtner moniert, der Weg sei zu eng bemessen. Die Gedenkstätte selbst mit ihren Fotowänden und Stahlbändern mit Zitaten vom Mauerfall war für 350 000 Euro zu haben.
Jahrelange Verhandlungen für Gedenkstätte
Der Schwerpunkt der Grenzabfertigung Bornholmer Straße lag eigentlich auf der Südseite der Brücke, dort wurde schon 1990 ein Gedenkstein aufgestellt. Jahrelang verhandelten Bezirk und Senat mit dem privaten Eigentümer der Fläche, um eine Gedenkstätte einzurichten, doch nach der Übernahme durch Lidl scheiterten die Gespräche. Inzwischen steht ein Einkaufsmarkt auf der ehemaligen Zollabfertigung für Westdeutsche. Ein weiteres Kuriosum sind acht Wohnungen, die auf Betreiben des Bezirks in den Supermarkt-Flachbau integriert wurden. Im Treppenhaus, gleich neben der Pfandflaschenannahme, stehen jede Menge Fahrräder und ein Kinderwagen.