Der kleine Handwagen von Loretta Haase ist recht praktisch. Einkäufe lassen sich mit ihm genauso transportieren wie alles andere, was für längere Wege zu schwer ist. Gut 20 Kilo Altpapier hat sie heute in das Wägelchen verfrachtet, um sie gut 400 Meter von zu Hause rüber auf die andere Seite zu Mario Doßmann zu bringen. Wochenzeitungen sind darunter, Flyer vom Pizzalieferanten und jede Menge Werbung. 1,64 Euro bekommt Loretta Haase für die kleine Ladung. „Davon werde ich meinen Katzen Lilli und Lotti Leckerlies kaufen“, freut sich die Rentnerin.
Zweimal in der Woche kommt Loretta Haase zu Mario Doßmann, um sich ihre karge Rente etwas aufzubessern. Was an Papier die Woche über anfällt, sammelt sie. „Nachbarn und Freunde unterstützen mich dabei“, erzählt die Tierfreundin. Dass Papier bares Geld wert ist, hat sie im Bezirks-Journal gelesen. 8 Cent gibt es derzeit für das Kilogramm. Und an altem Papier mangelt es in der Nachbarschaft von Loretta Haase kaum. Dass viele Nachbarn ihre Werbung und die jede Woche in die Briefkästen geworfenen Zeitungen gar nicht lesen, sondern direkt in den Papierkorb werfen, ist ein Segen für die Rentnerin und ihre Katzen. Die ausgelesenen Zeitungen sammelt Mario Doßmann auf dem Gelände seines Unternehmens Alpha Papier- und Wertstoff GmbH an der Gärtnerstraße, um sie dann containerweise an Zwischenhändler weiterzuverkaufen. Die wiederum finden ihre Abnehmer in den Papierfabriken. Aus alten Zeitungen entsteht das Papier für die Zeitung von morgen.
Vom Zeitungswerber zum Papierhändler
Mario Doßmann, gelernter Maurer und nach der Wende für viele Zeitungsverlage als Werber tätig, kam eher zufällig auf den Müll. Damals war er Außendienstler, fuhr an die 400 Kilometer am Tag durch das Land Brandenburg. Zeitungen, die nach seinen Touren übrig blieben, brachte er zum Altstoffhändler. „Dort bekam ich dann immer eine Tasse Kaffee“, erinnert sich Doßmann. Irgendwann animierte ihn dieser Händler, es doch selbst mit dem Ankauf von Papier und anderem Müll zu versuchen.
Zunächst betrieb Doßmann sein Wertstoffdepot in Marzahn, vor zwei Jahren zog er um nach Alt-Hohenschönhausen auf das einstige Gelände des Stasi-Betonwerkes an der Gärtnerstraße. Anfangs reichte eine Waage und ein Container. „Das Altpapier packte ich von der Waage mit der Hand in den Container“, erinnert sich Doßmann. Mittlerweile stehen auf seinem Hof fünf Container und drei Waagen. Die Schütte mit dem Papier bugsiert er mit Hilfe eines Gabelstaplers in die Transportbehälter.
Unternehmen wie die Alpha Papier- und Wertstoff GmbH wecken gerade bei den älteren Berlinern Erinnerungen an eine schöne DDR-Erfindung: Dort gab es an vielen Ecken sogenannte SERO-Annahmestellen. Dahinter verbargen sich die Filialen des Volkseigenen Betriebes Sekundärrohstofferfassung. Vor allem Schüler sammelten in der ganzen Republik, was das Zeug hielt. Die erzielten Einnahmen kamen der Klassenkasse oder Hilfsprojekten in sozialistischen Bruderländern zu Gute. Mario Doßmann hatte daher keine Schwierigkeiten, in Alt-Hohenschönhausen und Umgebung sein Konzept zu erklären. „Inzwischen gibt es auch in den westlichen Berliner Bezirken Ankaufstellen“, weiß der Geschäftsmann. Er selbst versteht sich als eine Art Makler, der gut zu tun hat. Jede Woche kümmert er sich um etlichen Tonnen Altpapier.