Die Bauarbeiter sind abgezogen, die Kräne stehen still: Droht dem Möckernkiez, dem ambitionierten genossenschaftlichen Wohnbauprojekt in unmittelbarer Nähe des Kreuzberger Parks am Gleisdreieck, in dem Junge und Alte, Behinderte und Nichtbehinderte zusammen in einem auto- und barrierefreien Quartier leben sollen, das Aus? „Nein“, sagt zwar Ulrich Haneke, Vorstand der eingetragenen Genossenschaft Möckernkiez. „Wir hoffen, dass die Bauarbeiten noch in diesem Jahr wiederaufgenommen werden können.“ Doch aktuell ist diese Aussage mit einem Fragezeichen zu versehen.
Der Quadratmeterpreis ist inzwischen auf 2750 Euro gestiegen
464 Wohnungen mit Flächen zwischen 27 und 148 Quadratmetern, ein Hotel, Restaurants, Jugendzentrum, eine Demenz-WG, ein Biomarkt und Tiefgaragen sind die Kernpunkte des Projekts Möckernkiez auf dem 3 Hektar großen Gelände des einstigen Anhalter Güterbahnhofs. Der Gewerbeanteil aktuell: acht Prozent ohne Hotel. An den Planungen, die in den ersten drei Jahren von der Stadtentwicklungsgesellschaft „Stattbau“ begleitet wurden, haben sich viele Mitglieder der 2009 gegründeten Genossenschaft beteiligt. Bisher wurden rund 400 Wohnungsanwartschaften verteilt.
Allerdings ist der 2007 von Haneke geschätzte Quadratmeterpreis von 2000 Euro auf inzwischen 2750 Euro gestiegen. „Das ist auch der Entwicklung der Baupreise seither geschuldet“, sagt Haneke. Konsequenz: Ursprünglich mussten die künftigen Mieter 30 Prozent der Baukosten als Einlage aufbringen, inzwischen sind es 40 Prozent auf der Basis von 2300 Euro pro Quadratmeter. Für eine 100-Quadratmeter-Wohnung sind das rund 92.000 Euro.
Das spätere Wohnen schlägt je nach Lage nach momentaner Einschätzung mit etwa sieben bis elf Euro Kaltmiete pro Quadratmeter im Monat zu Buche. Haneke hält Investitionen in das neue Quartier für sinnvoll: „Dort wird sicheres und bezahlbares Wohnen in der Innenstadt möglich.“
Seit Monaten gab es Gerüchte über Finanzierungsprobleme. Jetzt sind sie offenkundig: Von den 32,6 Millionen Euro, die von den Genossenschaftsmitgliedern kommen sollen, sind laut Ulrich Haneke bisher erst 27 Millionen eingesammelt. Die fehlenden gut fünf Millionen Euro erwartet er bis Ende dieses Jahres. Weitere acht Millionen Euro erhofft er sich von „alten“ sowie neuen Mitgliedern, um die seit geraumer Zeit mit Vehemenz geworben wird. Eine Summe von etwa 40 Millionen Euro braucht die Genossenschaft, um die von Banken geforderte Eigenkapitalquote von 30 Prozent vorweisen zu können. Was passiert, wenn die Genossenschaft diese Hürde nicht schafft? Haneke: „Das steht für mich außer Frage.“
Einen weiteren Tiefschlag musste der Genossenschaftsvorstand gerade einstecken: Der für das geplante Hotel am östlichen Rand des Areals bereits gefundene Betreiber – der Integrationsbetrieb Proclusio, ein Tochterunternehmen des Evangelischen Johannesstifts aus Spandau – ist abgesprungen. „Wir konnten die versprochenen Termine nicht mehr halten“, zeigt Haneke Verständnis für den Rückzug. Er gibt sich optimistisch: „Ein Problem, die Gewerbeflächen im Quartier zu vermarkten, gibt es nicht.“
Mitte 2016 sollten die ersten Wohnungen am Gleisdreieck zwischen Möckern- und Yorckstraße bezogen werden. Nun wird es wohl eher Anfang 2017. Vorausgesetzt, Ulrich Haneke bekommt die rund vierzig Millionen Euro Eigenkapital zusammen – und die Finanzierungszusage eines Bankenkonsortiums.