Selten eilen so viele Journalisten zu einer Pressekonferenz, um über eine Ausstellung zu berichten. Bei Gerhard Richter platzt der große Saal aus allen Nähten. Wie fühlt es sich also an, einer der größten Künstler der Gegenwart zu sein? „Es ist schwierig“, gesteht der Maler-Star bescheiden, aber jeder hat eben sein Leben zu leben. Vielleicht sind seine Werke gerade so intensiv, weil Richter ständig zwischen den Polen Größenwahn und Verzweiflung pendelt. „Ich habe immer das Gefühl, es ist alles Pfusch, aber: immer noch besser als die anderen.“ Gerhard Richter redet nicht gern über seine Kunst, muss er auch nicht: „Meine Gemälde sind weiser als ich“, sagte er mal – auf jeden Fall sprechen sie für sich.
Überraschungen in Potsdam
In Potsdam beeindrucken nun 94 abstrakte Werke, darunter Gemälde, Skulpturen und Editionen, auf gut 1200 Quadratmetern Laien, Fans und Profis. Und jeder will hinter das Geheimnis von Richters schöpferischer Kraft kommen. Er nicht. „Ich denke nicht beim Malen“, erwidert Richter mehrfach auf intellektuelle Fragen und hochgestochenes Geschwafel. Während andere über seine Farbtafeln diskutieren, über landschaftliche Abstraktionen philosophieren und die Mischung aus Zufall und Konzeption in seinen Bildern analysieren, lehnt er sich zurück. Die Ausstellung habe selbst für ihn einige Überraschungen bereitgehalten, „Bilder, die ich gar nicht mehr kannte“, erzählt er und auch wenn alle lachen, meint er das ausnahmsweise ernst. Kein Wunder, schließlich ist er nicht nur einer der bedeutendsten Künstler unseres Landes, sondern auch einer der produktivsten. Noch immer, wie die Werke aus den vergangenen beiden Jahren beweisen, die er selbst zur Ausstellung beigesteuert hat. Sie wirken optimistisch, lodernd und vielschichtig. Ein Sieg der Farbe über die Dunkelheit? Was wir darin erkennen, verraten wir nicht. Es würde dir die Freude am Entdecken nehmen und wir sind ja zum Glück keine Kunstwissenschaftler.
Kunst verändert sich
Von der grauen Phase bis zum Farbrausch späterer Jahre, von Experimenten mit Glas bis zu Fotografien gibt es viel Bekanntes und jede Menge Neues zu sehen. Richter selbst legt sich übrigens nicht fest, welches Bild sein liebstes ist. „Das ändert sich mit der Zeit“, verrät er und begründet weiter, dass selbst ungeliebte Werke manchmal in seiner Gunst steigen und andere verblassen. Die Welt verändert sich und damit auch der Blick auf Richters Bilder. Fest steht nur, dass alles, was er macht, keiner Mode folgt. Richter ist ganz bei sich, beschäftigt sich mit Materialien, die ihn faszinieren, und mit Themen, die ihn berühren – auch wenn er sich mal mit anderen Künstlern anlegt wie einst mit den Konstruktivisten, denen er beweisen wollte, dass eine Farbe nicht nur zu einer anderen passe: „Jede passt zu jeder Farbe, immer ist alles richtig“. So entstand unter anderem das legendäre Werk „1024 Farben“. Richter liebt es zu provozieren und andere Künstler herauszufordern… auch „weil man nicht will, dass die so viel besser sind“, meint er und grinst in sich hinein. Doch selbst mit solchen Kampfansagen zieht er alle Sympathien auf seine Seite – das macht ihm keiner nach.
Kein Richter-Museum bitte
In eine Schublade kann man Richter also nicht stecken. Er will kein politischer Maler sein, nur weil er sich mit der RAF und Birkenau auseinandergesetzt hat, er verweigerte sich durch Unschärfen der Kategorie Fotorealismus und dem Stempel abstrakter Maler widersetzt er sich mit der Fähigkeit, durch „Ungegenständlichkeit“ (so Richter) klare Assoziationen hervorzurufen. Ein eigenes Museum möchte er „bitte“ nicht. „Picasso ist die Ausnahme“, betont er, als man ihm die Idee mit dem Vergleich zum Jahrhundertmaler schmackhaft machen will. Wozu auch, so lange Museen wie das Barberini uns mit Richter-Ausstellungen beglücken!
Die Ausstellung „Gerhard Richter. Abstraktion“ ist vom 30. Juni bis 21. Oktober 2018 im Museum Barberini zu sehen. Der Eintritt kostet 14 Euro, ermäßigt 10 Euro.