Ein vorerst letzter Gruß aus der wunderschönen Toskana. Klar freue ich mich wie Bolle auf Zuhause, wenn im Moment auch etwas zerknirscht. Italien hat mich seit diversen Rom-Besuchen so fest in seinen olivenölbefleckten Klauen, dass ich mir manchmal nicht sicher bin, ob ich wirklich nicht wenigstens einen Tropfen dieses feurigen Blutes in mir trage. Zumindest schlage ich hier immer schnell Wurzeln, und die zu entfernen, ziept manchmal ein bisschen. Im Scherz überlegte ich schon, Ziegenbäuerin zu werden, wie unsere Nachbarn hier im zauberhaften Montaione. Zudem liebe ich das Blöken der Tiere, es hat etwas Meditatives und Beruhigendes.
Wenn nun die Sehnsucht nach den Ziegen zu groß werden sollte zu Hause, muss ich zumindest nicht aufs Land fahren, um welche zu erleben. Vor meiner Abreise ging es mit meiner Abenteuerfreundin Anika zum Charlottenburger Ziegenhof in der Danckelmannstraße.
Charlottenburg mag ich. Wenn ich noch mal mitten in die Stadt ziehen würde, dann wäre das meine erste Wahl. Den Kiez um den Klausenerplatz kannte ich bis jetzt noch nicht. Was für ein pralles Leben! Alle paar Meter ein günstiges, kleines Restaurant, als sei Urlaub. Mütter mit dicken Bäuchen, zwei Kindern an der Hand und einem Kinderwagen halten Pläuschchen, ich höre viel türkisch, russisch, sehe lachende Gesichter, und das in einer wirklich malerischen Kulisse, einer Mischung aus Friedrichshain, Paris und ein bisschen London. Altbau, Kinderläden, Batikateliers.
Ein Berliner Original
„Det is Samson“, sagt sie. „Der hat Schuppen. Deswehn siehta so zeruppt aus.“ Die Frau mag ich. „Auch Urberlinerin, wa?“ frage ich sie. „Naja mit sechse herjezohn. Jildet ja ooch, denke ma“. Ich frage sie, ob sie zum Hof gehört. „Nee. Anwohnerin. Ick komme jehn Tach und tu schaun, wie et den Viechern jeht. Plastiktüten ham se ja alle jefressen, weil de Leute immer Plastiktüten mitbringen mit Futter drinne. Und denn ziehn de Ziehjen de Tüten den ausse Hände und fressn dit mit.“ Das finde ich grausam. „Schrecklich.“ sage ich. Frau Waschkittel nickt. „Aber schön isset hier. So hasste det selten, mitten inne Stadt.“
Ein kleiner Junge johlt, er hat seinem Kumpel gerade einen Ball gegen den Kopf geschossen und findet das offenbar ziemlich komisch. Wäre das hier eine Filmkulisse, es wäre fast ein Klischee. Ich schaue mir die Ziegen an und will eine durch den Zaun streicheln. Sie mag das so lange, bis sie merkt, dass ich nichts zu fressen dabei habe. Dann versucht sie mich mit ihren kleinen Hörnern zu stupsen oder umzubringen – so genau merkt man das nicht, wenn ein Zaun dazwischen ist.
Charmanter Ort mit Kräuterduft
Ich danke meiner neuen Freundin, und Anika und ich begehen das Gelände noch mal. Sehr gepflegt ist anders. Aber charmant und besonders ist es hier. Es duftet nach Kräutern, Revolution und Kinderkeksen. Anika und ich haben genug gesehen, zumal der Kinderspielplatz schon voll ist und die Ziegen uns nur fürs Essen lieben würden. Wir gehen ein bisschen im Kiez spazieren und suchen ein Restaurant, das auch Karte akzeptiert. Ist schwer. Irgendwann sitzen wir draußen bei einem kleinen Italiener gegenüber vom Biomarkt und bestellen Lasagne und Spaghetti mit Öl und Knoblauch. „Das ist Vorfreude auf Italien“ sage ich, genieße meine paar Brocken, die ich spreche, und verspreche mir, die Sprache dauerhaft besser zu lernen.