Manchmal denke ich, nach über vierzig Jahren in dieser Stadt, also quasi seit immer, dass ich bestimmt schon fast alles gesehen und erlebt habe. Und dann wünsche ich mir einen Zauberstadtplan, auf dem die Stellen markiert sind, an denen ich noch nie war. Der Rest wäre voller kleiner Fußspuren – und genau zu diesen Orten, die ich noch nicht kenne, will ich dann. Damit ich irgendwann überall gewesen bin. Quasi kein Welten- sondern ein Städtebummler.
Ich habe von Kunst und Geschmack etwa so viel Ahnung wie ein Kaninchen vom Auswechseln von Glühbirnen, aber ich bin berührt von dem, was ich sehe, und das ist wohl auch der Sinn der Kunst an sich. Vor allem in ihren Blautönen und den verschiedenen Strukturen, über die ich streichen möchte, versinke ich. Fühle mich wie eine Meerjungfrau am Strand in der Sonne, wie ein Mannequin in Paris, zwischendurch wie ein Stier auf einer Blumenwiese oder ein weinendes Mädchen hinter einem Fenster, vor dem der Regen seit Tagen die Sicht verwischt. Die Bilder sind unfassbar teuer. Aber wenn ich das Geld hätte, würde ich sie mir sofort kaufen. Mindestens drei. Und dazu ein Strandhaus, da würden die Bilder so wundervoll hineinpassen.
Wie an der englischen Küste
Und wenn ich schon mal in einer Ecke bin, in der ich mich fast gar nicht auskenne, möchte ich noch bleiben und hier „irgendwo“ ne Kleinigkeit essen. Dieses „irgendwo“ ist ja bombastisch! Manchmal bin ich sehr glücklich über meine Neugierde und darüber, wo sie mich hintreibt. Wir landen in der Hafenküche an der Spree, direkt an der Rummelsburger Bucht. So stelle ich mir eine Küche vor am Meer. Irgendwo in England. Draußen weht der Wind, man klopft den Regen von der Jacke und den Sand von den Schuhen, und dann setzt man sich zusammen mit roten Nasen bei einem schönen Glas Grog ans Fenster und schaut in die Dünen. Ganz so idyllisch ist der Blick nach draußen zwar nicht, der auf den Teller allerdings! Ich bestelle Blutwurst mit Kartoffelpüree, Zwiebeln und Apfelscheibe. Dazu ein schönes dunkles Bier. Hätte ich als Kind dieses Gericht schon gerne gemocht, würde ich jetzt ganz sicher schreiben: „Schmeckt genau wie bei Oma“!