Graffiti-Szene

Raws: Coole Urban Art aus Köpenick

Graffiti von Raws an einer Wand
Inspiration findet Raws bei Urban Artists wie Felipe Pantone oder Kaws.
Berlin gilt längst als Mekka für Urban Art. Doch während Stars wie Banksy Millionen mit ihren Werken umsetzen, bekommen andere Street Artists Ärger mit den Behörden. Mit einem der spannendsten Berliner Künstler Raws sprechen wir über illegale Kicks, Kunst, Kommerz, Wandelism und The Haus.

Stell dir vor du lebst in Köpenick… vermutlich denkst du erst einmal an schöne Straßenzüge in der Altstadt, den Blick aufs Wasser, Idylle pur. Und dann stell dir vor, du bist jung, sehr jung, liebst Skateboarden und Graffitis. Klingt nach einer hoffnungslosen und öden Teenagerzeit? Dass Raws dennoch eine Menge Spaß hatte und es in der Graffiti-Szene nach sehr weit oben geschafft hat, lag an seiner Kunstlehrerin, dem Mellowpark, den Ausflügen nach Berlin, seinen mangelhaften Weglaufqualitäten und Strafanzeigen.

Die erste Generation

Ok, von Anfang: Im Kunstunterricht erhielt der Schüler Kai Imhof, wie Raws mit bürgerlichem Namen heißt, einen Crashkurs in Sachen Buchstabenverschnörkeln. Bis er darauf kam, dieses Wissen für Graffitis zu verwenden, dauerte es dann noch ein paar Jahre. „Eine Zeitlang bin ich als Skaterboy durch Berlin geheizt“, erinnert er sich. Von der S-Bahn aus konnte man sehen, was die Berliner Sprayerszene zu bieten hatte. „Da gab es Leute, wie Amok, Odem, Bisas oder Poet„, erinnert sich Raws. „Das war so mit die erste Berliner Graffiti-Generation, die richtig Alarm gemacht hat.“ In Köpenick gab es nur den Mellowpark, wo Raws immerhin coolen Jungs mit Spraydosen begegnete. Für den damals Vierzehnjährigen war klar: „Das will ich auch.“ Geübt hat er mit überteuerten Dosen aus dem Baumarkt heimlich zu Hause. „Meine ganzen Schranktüren waren von innen beschmiert.“ Als seine Eltern das mitbekamen, versicherte er, ansonsten nur auf Papier zu arbeiten.

Post von der Polizei

Als der erste Brief vom Polizeipräsidenten kam, wussten seine Eltern, dass er dann wohl doch angefangen hatte, illegal im öffentlichen Raum zu sprayen. Kunst war das vielleicht noch nicht, aber Raws liebte es. Ihm war auch gleichgültig, dass es illegal war, er sah einfach keine andere Möglichkeit… Er wollte malen. Überhaupt: Was ist Kunst? Raws betrachtet sich nicht als jemand, der das entscheiden könnte: „Meiner Meinung nach kommt Kunst nicht von Können. Kunst stellt Dinge in Frage oder bringt Emotionen zu Ausdruck. Bestenfalls polarisiert sie.“ Auf der Straße gehe es den Jungs darum, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Ob ein Graffiti schön ist oder hässlich, sei vollkommen egal, erklärt uns Raws. Trotzdem kann es Kunst sein. Dass die Gesellschaft sich an ihm reibt, das sei spannend. „Gerade Graffiti ist vielleicht eine der pursten Formen von Kunst, weil es sich nicht einem Geschmack, dem Kommerz oder dem Gesetz unterordnet“, fügt Raws hinzu.

Qiez als Sketch von Raws

Ein echter Raws nur für uns!

Der Streit um die Definition von Kunst ist sicher so alt wie die Menschheit. Raws zieht im Gespräch den Nationalsozialismus als Beispiel heran: „Damals wurde von oben bestimmt, was Kunst ist und was nicht. Heute wissen wir, dass gerade die wichtigsten und revolutionärsten Werke der Zeit zur sogenannten entarteten Kunst zählten.“ Die Interpretationsvielfalt der Moderne machte den NS-Manipulatoren Angst. „Die Bewertung von Kunst ist oft auch eine Frage der Perspektive„, fährt er fort. „Und sicherlich spielt auch die Intention des Erschaffers eine wichtige Rolle…“ So manche Sprayer haben gar kein Interesse daran, Künstler zu sein. Sie verteilen ihre Tags als Codes in der Stadt. Für Insider wie Raws ist es spannend zu entdecken, wer gerade wo unterwegs oder letzte Nacht feiern war. „Im Endeffekt gehören gerade die Tags zur Berliner Identität“, meint der Künstler. Er selbst geht kaum noch in die legendären Clubs der Stadt, Gespräche mit seinen Freunden in Bars sind ihm wichtiger als harte Beats. Und statt einer Dose hat er höchstens noch Sticker in der Hosentasche.

Legale Karriere

Nachdem er dreimal erwischt wurde, hat er das illegale Sprayen ganz aufgegeben. „Mir ging es eh nie um den Kick, ich wollte einfach nur malen“, gesteht er. „Dass ich erwischt wurde, war natürlich nicht erfreulich. Kann sein, dass die illegale Elite schaut, dass sie sich fit hält, um schnell abhauen zu können“, Raws lacht und scherzt weiter: „Ich hab früher nicht extra trainiert, was mir ja anscheinend zum Verhängnis wurde.“ Auch wenn er selbst nie ein Adrenalinjunkie war, hat er Respekt vor den anderen, die mit der Gefahr leben und sie feiern wie die Berlin Kidz. „Teilweise ist mir das aber schon zu hart.“ Die Gruppe ist bekannt für ihre wahnwitzigen Kletteraktionen.

Internationale Ausstellungen

Raws sprüht heute vor allem auf Leinwände oder Flächen, die ihm zur Verfügung gestellt werden. Es sei angenehm sich nicht mehr verstecken zu müssen. Zudem sei Graffiti auch irgendwie eine Egosache und die Anerkennung nicht nur innerhalb der Szene wichtig, meint er. Und Anerkennung bekommt er heute auch auf dem internationalen Kunstmarkt von Holland, Irland, Frankreich, ja, ganz Europa bis Indonesien. Als Raws den sicheren Agenturpfad verließ, ging es ihm nicht nur darum, die Illegalität aufzugeben. „Ich habe einfach gemerkt, dass das klassische Angestellten-Leben nichts für mich ist.“ Der Rest war aber nicht nur Glückssache, sondern harte Arbeit. Mittlerweile kann Raws sogar von seinen Werken leben. Zu seinen Fans gehört übrigens auch Berlins derzeit bester Koch: Tim Raue. Und auch Raws Eltern haben ihm längst verziehen und sind nun stolz auf seine Arbeiten.

 

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Ein Beitrag geteilt von Kai ‘Raws‘ Imhof (@rawsofficial) am Okt 25, 2018 um 9:48 PDT

Dass Raws seinen Beitrag zu den tollen Ausstellungen The Haus und Wandelism leisten durfte, freut ihn sehr. Die Kommerzialisierungsvorwürfe hält er für unangebracht. Auch dass die Dixons als The-Haus-Veranstalter in die eigene Tasche gewirtschaftet haben sollen: „Aufgrund von Halbwissen möchte ich nicht spekulieren“, erklärt Raws. „Die Regeln waren von Anfang an klar und ich unterstelle den Dixons keine böse Absicht. Wie groß das werden würde, konnte damals niemand ahnen.“ Aus künstlerischer Sicht sei es für alle ein großer Erfolg gewesen.

The Haus und Wandelism

Raws sieht Projekte wie The Haus und Wandelism vor allem als Chance, legal Urban Art zu machen. Und bei all dem Streit, ob solche Kunst ins Museum gehört: Idealismus muss man sich leisten können. Wenn man als Künstler nicht nebenbei kellnern will, bleibt es nicht aus, seine Werke zu verkaufen. Der Kunstmarkt sei zum Teil absurd. „Man kann nur hoffen, dass es den Käufern um die Kunst geht, dass sie ihm etwas bedeutet. Ansonsten wird das Werk zur reinen Ware.“ Dagegen lehnt sich nicht nur Banksy auf, auch wenn der das wohl vor dem größten Publikum macht. Viele Urban Artists müssen sich rechtfertigen, dass sie ihre sonst frei zugängliche Kunst, zu Geld machen.

 

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Ein Beitrag geteilt von Kai ‘Raws‘ Imhof (@rawsofficial) am Jun 20, 2018 um 8:07 PDT

Für Raws ist es wichtig, trotzdem keine Kompromisse eingehen zu müssen. Wenn heute große Brands auf ihn zukommen, um mit seiner Kunst Werbung zu machen, dann lässt er sich keine Vorschriften machen. „Ich bin kein Dienstleister. Wenn einer Raws will und bezahlt, bekommt er ihn“, betont er. „Aber selbst für viel Geld male ich keine Disneyfiguren.“ Muss er auch nicht.

Berlin bleibt Berlin

Längst geht es ihm nicht mehr nur darum, eine geile Zeit als Künstler zu haben. Er will sich kreativ weiterentwickeln, „… und dabei eine geile Zeit haben.“ Er lacht. Das Interesse an der Urban Art wächst jedenfalls. Touristen strömen herbei, um berühmte Murals und Paste Ups zu sehen, internationale Graffiti-Künstler hinterlassen in unseren hauptstädtischen Straßen ihre Werke. Raws selbst erfreut sich an Werken von The Weird, 1Up oder auch seinem Kumpel Base23. „Ob Berlin ein Mekka ist, weiß ich nicht“, meint Raws. „Berlin ist eben Berlin und soll es auch bleiben. Der Street-Flavour und die vielen unterschiedlichen Künstler sind es doch, die viele Leute für Berlin begeistern.“

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