Auch wenn einige der besten Streetartists wie Bansky den Weg in die Galerien gefunden haben, kannst du die tollsten Murals und Paste-Ups noch immer in den Straßen der Hauptstadt entdecken. Aber weißt du, wo die coolsten Pics sind, wer sie gemacht hat und was sie uns sagen wollen? Wir nehmen dich mit auf eine kleine Tour. Doch während du das hier liest, entstehen irgendwo in Berlin schon neue Meisterwerke und andere verschwinden. Das gehört dazu… leider.
Astronaut / Cosmonaut (Kreuzberg)
Seit zehn Jahren erinnert das Mural von Victor Ash in Kreuzberg an den Kalten Krieg und den damit verbundenen Rüstungswettlauf zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion. Den gab es nämlich nicht nur in Sachen Waffen, auch die Raumfahrt bot ausreichend Platz zum Kräfte messen. Dazu zählte das Erreichen des Etappenziels, ob wohl ein amerikanischer Astronaut oder ein sowjetischer Kosmonaut als erster seinen Fuß auf den Mond setzen würde. Gewonnen haben die USA. Oder auch nicht: Mit der rechten Hand scheint der gesichtslose und nationalitätenfreie Weltraumreisende anzudeuten, wie klein und nichtig wir tatsächlich sind, obwohl wir uns doch zu gern für groß und allmächtig halten…
Wo? Oranienburger Str. 195, zwischen Kottbusser Tor und Görtlitzer Bahnhof
Permanent Jetlag (Friedrichshain)
Es ist nicht einfach, trotz vieler aussagekräftiger Bilder auf dem RAW-Gelände herauszustechen und doch scheint es für den deutschen Pop-Art-Künstler Jim Avignon ein Leichtes zu sein. Mit seiner Wand voller Gesellschaftskritik bringt er den beliebten Style der Hauptstadt auf ein neues Niveau. Den umtriebigen Berlinern und fotografierenden Touristen aus aller Welt gibt der Künstler mit auf den Weg, einfach mal über das Hier und Jetzt nachzudenken: „Permanent Jetlag ist für mich ein Gefühl“, erklärt Avignon, „das dem Internet und der Möglichkeit geschuldet ist, virtuell an allen Orten der Welt gleichzeitig sein zu können.“ Und das stresst. Angesichts der vielen Posts, die wir in diversen Social-Media-Kanälen zu Permanent Jetlag finden, scheinen die Worte des Künstlers ungehört zu verklingen. Seine Bilder bleiben – zumindest so lange, bis ein anderer Streetartist sie überpinselt.
Wo? RAW-Gelände am Urban Spree
Yellow Fists (Mitte)
Wie kommt man denn da hin? Das hast du dich bestimmt auch schon gefragt, wenn du an einem unmöglich zu erreichenden Ort gelbe Fäuste entdeckt hast. Antworten bleiben uns die Cowboys (CBS) und der Künstler Kripoe schuldig, die zwischen 1995 und 2005 Berlin mit ihren Yellow Fists kämpferischer gemacht haben. Nicht nur am Alex oder an der Friedrichstraße, auch auf S-Bahnschildern oder an Hauswänden in sagenhafter Höhe sind die meist knallig gelben Hände noch heute zu sehen. Sie stehen für Rebellion und Anarchie – die provozierenden, weil verbotenen Locations passen also perfekt und sind mit Sicherheit nicht zufällig gewählt.
Wo? Hauptsächlich in Mitte, zum Beispiel am Alex und Bahnhof Friedrichstraße
Headshot (Mitte)
Nicht immer sind die Bilder des wohl bekanntesten Berliner Straßenkünstlers Alias auf den ersten Blick verständlich, dabei darf man seine Werke auch einfach mal nur eins zu eins nehmen, um ihre treffsichere Genialität zu entdecken. Der Mann ohne Gesicht, der stattdessen eine Tüte auf dem Kopf trägt, ein kleiner Junge, der mit einer Steinschleuder auf eine weiße Taube zielt, und das Kind, das auf einer Bombe sitzt, sind wohl eindeutige Beispiele für die klare Bildgewalt des Künstlers. Alias möchte neben Krisen und Gefahren auch Verletzlichkeit darstellen. Das gelingt. Bis heute ist der in der Rigaer Straße lebende Artist lieber in seinen Kiezen kreativ, als sich in Galerien ausstellen zu lassen. Der Erfolg gibt ihm Recht, wohl jeder kennt in Berlin die oftmals rot-grauen Bilder wie den Headshot am Hackeschen Markt.
Wo? Hackescher Markt/ Haus Schwarzenberg
Anne Frank (Mitte)
Gibt es den richtigen Eingang zu den Hackeschen Höfen? Ja, klar: Erkennungszeichen sind die rot- und orangefarbenen Girlanden, die zu der Street-Art führen, die dich andere Mitte-Hot-Spots schnell vergessen lässt. Viele bekannte Künstler und Werke versammeln sich hier. So auch das zur Ausstellung des Anne-Frank-Museums zugehörige Abbild der jungen Niederländerin, die der Australier Jimmy C in seinem markanten Tropfenstil porträtiert hat. Die Technik hat Jimmy C in Zusammenarbeit mit Aborigines in seiner Heimat entwickelt. Auch sein Kreuzberg Boy im Wrangel-Kiez oder der Farben weinende Junge auf dem RAW-Gelände sind unverkennbar und dienen als dankbare Fotomotive.
Wo? Hackesche Höfe beim Kulturhaus Schwarzenberg am Anne-Frank-Museum
The Pink Man (Kreuzberg)
BLU bringt laute und vielsagende Bilder an Berlins Wände, verstörende Werke mit einer tieferen Bedeutung, die weit über den rein provokanten Oberflächencharakter anderer Künstler hinaus zum Denken anregen. Das bekannteste Werk des gebürtigen Italieners findest du an der Warschauer Brücke: Zusammengesetzt aus verängstigten, rosafarbenen Menschen, die unbedingt zur Masse gehören wollen, scheint ein Monstrum das einzige weiße Individuum verschlingen zu wollen. Zeigt sich hier Kritik am Verhalten der Menschen in Diktaturen wie während der NS-Zeit? Gut möglich. Erklären wird BLU dir das sicher nicht. Ein anderes Meisterwerk (Reclaim your city) an der Cuvry-Brache ließ BLU übermalen, als Kritik an Berlins Umgang mit der Kunst. Hoffentlich bleibt uns der Pink Man noch eine Weile erhalten.
Wo? Falckensteinstraße/ Oberbaumbrücke
Liebe in Betonfassaden (Friedrichshain)
Bei El Bocho nur ein Kunststück für unsere Liste auszuwählen, fiel uns schwer. Sein Stil, der lässige Humor und seine Vielfältigkeit prägen unser Stadtbild an allen Ecken und Enden. Er arbeitet mit Kreide, Postern, Kacheln, Aufklebern und vielen mehr. Sein liebstes Stilmittel sind aber Paste-Ups. Zu den bekanntesten Werken El Bochos – übersetzt Das Eselchen – zählt die Reihe Little Lucy. Ein Mädchen, inspiriert von der tschechischen TV-Serie Lucy, der Schrecken der Straße, will unbedingt ihre Katze umbringen. Der schwarze Humor ist so treffend und Tierschützer seien beruhigt: Die Katze überlebt alles. Die Überwachungskameras Kalle und Bernd sind längst Kult. Und die fast romantisch wirkenden Frauenporträts erobern unser Herz. Vielfalt ist El Bochos Konzept, das er zum Glück am liebsten in Berlin umsetzt.
Wo? Revaler Straße nahe der Warschauer Straße
Yogis (Friedrichshain)
Yogis muss man selber finden. Ok, wir machen heute eine Ausnahme und zeigen euch mit unserem Bild einen eindeutigen Hinweis auf den Standort eines dieser Korkmännchen, die in der ganzen Stadt entspannt Freude verbreiten. Ihr Schöpfer, der Yoga Lehrer Josef Foos, wünscht sich, dass die Menschen nicht mit gesenktem Haupt durch die Stadt schlurfen. Deshalb platziert er seine lustigen kleinen Figuren oben auf Straßenschilder. Angefangen hat er in Neukölln, dann ging es nach Schöneberg und langsam breiten sich die Yogis in der ganzen Stadt aus. Wer nicht genug davon bekommen kann und Foos unterstützen will, kann im Internet eine Anleitung zum Basteln finden. Die anderen genießen einfach weiter heitere Aussichten, die den Tag versüßen.
Wo? Friedrichshain
It’s time to dance!
Zu lauten Techno-Beats schließt sie die Augen, dann lässt sie einfach los und tanzt. Das ist so ein Moment, den der französische Künstler SOBR (auch Sobre genannt) einfangen will. Seit einigen Jahren tanzen die Damen vor allem durch Berlin Mitte. Die meist weiblichen, fast farblosen Paste-Ups mit viel Glitzer und Bannern bringt Sobre im Rahmen seines Projektes It’s time to dance seit 2012 an. Viel ist über den Künstler nicht bekannt, nur seine Technoliebe, die in Berlin von vielen Menschen geteilt wird. Vielleicht bleibt er uns mit seinen tanzenden Paste-Ups deshalb noch lange treu? Auf Facebook findest du allerdings Hinweise auf neue Werke nicht nur in Berlin, denn SOBR scheint schon auf der ganzen Welt zu feiern.
Wo? Überall in Mitte zu finden, viele am Hackeschen Markt
Make Art Not War
No Future für Apathie! Ignoranz! Sexismus! Fremdenfeindlichkeit! Rassismus! Das neuste Werk von Shepard Fairey in Berlin Schöneberg lässt keine Fragen offen, so eindeutig ist seine Aussage. Der amerikanische Street-Art-Künstler, der aus der Skateboard-Szene stammt, zeigt sich gern politisch. Auch sein Werk Make Art Not War am Mehringplatz, das im Rahmen des Projekts One Wall 2014 entstand, ist ein klares Statement gegen den Krieg und gegen gesellschaftliche Zwänge. Als Anspielung auf den Peace-and-Happiness-Slogan „Make love not war“ um 1967 versteht sich die in Ketten gelegte Rose als Aufforderung, für die Freiheit einzutreten. Faireys tiefgreifende Murals regen an, sich aktiv mit unserer Vergangenheit auseinander zu setzen und sich in Toleranz zu üben.
Wo? Mehringplatz