Frisch zurück aus Südafrika, wirkt Philipp Christopher – Ray Ban auf der Nase, Cap auf dem Kopf – sehr entspannt, als er mit seinem Fahrrad am Treffpunkt ankommt. Im gemütlichen Café Friedrichs am Mierendorffplatz ist er häufig zu Gast und isst dort am liebsten das Omelett mit Kräuterquark und Pesto rosso. Solche Orte helfen ihm, sich in Berlin heimisch zu fühlen. Der sympathische Schauspieler ist zwar hier geboren, aber schon mit 18 Jahren zog es ihn in die Welt hinaus… genauer gesagt nach New York zum Filmstudium an die School of Visual Arts, für das er nebebei als Bartender jobbte. Dort blieb er auch nach seinem Abschluss – 15 Jahre lang insgesamt. „In New York zu leben, war schon immer mein Traum“, erzählt uns Philipp. „Ich hatte dort mit 16 ein halbes Jahr lang einen Austausch gemacht und mich in die Stadt verliebt“. Erst 2014 kehrte der mutige Jungauswanderer mit 34 Jahren als erfolgreicher Schauspieler wieder zurück in seine Geburtsstadt. Für ihn ist seine Heimatstadt eine der offensten Städte, die er kennt. „Wenn mich Amerikaner besuchen, sagen sie mir, sie fühlen sich hier in Deutschland zehnmal freier als in New York. Allein schon, weil es so tolle Orte wie den Mauerpark gibt“, erzählt der lässige Schauspieler, der ab und an nach deutschen Übersetzungen für englische Wörter suchen muss.
Für seine Karriere war Amerika auf alle Fälle ein wichtiger Schritt, irgendwann aber wurde es Zeit wieder heimzugehen. Die Lebensqualität sei in Berlin einfach besser, gerade mit Kindern – trotz Hundekot und Berliner Schnauze, die er liebt und gleichzeitig extrem anstrengend findet. „Weder meine Frau noch ich vermissen New York, obwohl sie ja Amerikanerin ist und aus Alabama kommt. Wir waren fast ein paar Jahre zu lang in New York“, so der stolze Vater eines zweijährigen Jungen. Inzwischen wohnt die Familie in Charlottenburg, nur fünf Minuten von seinen Eltern entfernt – perfekt also, wenn Philipp mal einen Babysitter braucht, um im Sisyphos oder Berghain feiern zu gehen. Er hat sich in den vier Jahren gut wieder eingelebt und mag sein Leben im Kiez: „Hier ist es ruhiger als zum Beispiel im Prenzlauer Berg und man findet auch einen Platz in der Kita oder im Café“, erzählt der heute 38-Jährige und rührt Honig in seinen Kaffee.
Honig im Kaffee für den Serien-Bösewicht
Honig im Kaffee? „Ich bin ein absoluter Health-Freak und vermeide raffinierten Zucker“, verrät uns Philipp. Deshalb kommt nur Honig oder besser noch Ahornsirup in seinen Kaffee. Der fitte Schauspieler ernährt sich nicht nur sehr gesund, sondern fährt auch Rad, klettert, spielt Volleyball und trainiert gerne im Fitnessstudio, wo er am besten abschalten kann und auf neue Ideen kommt. Vielleicht liegt es ja auch an seinen vielen Muskeln, dass er immer wieder die Bösewicht-Rolle bekommt? Dabei würde er durchaus gerne mal den Komiker spielen. In seinem neuesten Projekt, der Sci-Fi-Mini-Serie Origin, die im Herbst zu sehen sein wird, spielt er neben Tom Felton – bekannt als Malfoy aus Harry Potter – wieder mal einen gerissenen Gauner. „Meine Figur hier ist aber eher ein Trickbetrüger, wie in Catch me if you can“, erzählt Philipp. In der Serie geht es um eine Weltraummission, bei der ein mysteriöses Alien bei einem Meteoritenaufprall aufs Schiff gelangt und die Crew in Gefahr bringt.
Dass Philipp einen hervorragenden Bösewicht mimen kann, bezweifeln wir keine Sekunde – vor allem als wir den Gelegenheitsraucher fast schon dazu nötigen, eine Zigarette zu rauchen, um uns vor den aufdringlichen Wespen zu retten. Als der Schauspieler mit den markanten Wangenknochen und der dunklen Sonnenbrille vor uns sitzt und mit dieser tiefen Stimme aus seinem Alltag erzählt, unterbrochen nur durch gelegentliche Züge an seiner Zigarette, kommen wir uns selbst schon vor wie in einer James Bond-Filmszene. Dabei ist Philipp im echten Leben alles andere als ein Bösewicht. Für den Dreh von Origin lebte er mit Frau und Sohn sechs Monate lang in Südafrika – eine Erfahrung, die ihn sehr beeindruckte. „Es ist dort gar nicht so gefährlich, wie man immer denkt. Die Südafrikaner selbst würden zwar nie in die Slums gehen, aber sogar deutsche Schulklassen besuchen diese Gegenden“, so der Neu-Charlottenburger. Seit seinem Aufenthalt dort engagiert er sich für die Organisation Communitykidsspot, eine Art Kita für Kinder aus dem Township, wo man mit den Kleinen spielt und für sie kocht.
„Al Pacino zuzuschauen, war die beste Schauspielschule“
Vielleicht kommt seine große Hilfsbereitschaft ja durch die Schauspielerei? Denn Philipps Schauspielschule in New York arbeitet eng mit dem berühmten Actors Studio zusammen, dem Mekka für das sogenannte Method Acting. Bei dieser Schauspieltechnik versucht der Darsteller, so intensiv wie möglich mit der Rolle zu verschmelzen und eigene Erinnerungen zu nutzen, um echte Emotionen zu fühlen: „Statt schwarz-weißem Denken lernst du ein großes Maß an Empathie: Du verstehst, warum jemand etwas macht. Es kam mir manchmal so vor, als ob ich das Leben der Rolle wirklich selbst gelebt hatte und wußte, wie dieser Mensch funktionierte“, so der begeisterte Schauspieler. Die Leidenschaft für seinen Beruf merkt man ihm deutlich an: „Durch das Method Acting habe ich mich noch mal neu ins Schauspiel verliebt, denn hier musst du dich selbst einbringen, statt nur etwas darzustellen.“
Während des Studiums besuchte Philipp oft das Actors Studio und beobachtete berühmte Schauspieler wie Al Pacino, Alec Baldwin oder Ellen Burstyn, die dort Szenen spielten oder moderierten. „Man lernt dabei richtig viel. Ich glaube es war die beste Schauspielschule, einfach nur zuzuschauen.“ Anschauen alleine reicht dann natürlich nicht aus, um ein guter Schauspieler zu werden, dafür braucht man auch Praxiserfahrung: Professionelle Unterstützung bekam Philipp von der amerikanischen Schauspieltrainerin Elizabeth Kemp, die letztes Jahr ganz überraschend an Krebs starb. „Sie war eine Grand Dame und nicht nur meine Mentorin, sondern auch eine Freundin“, sagt Philipp traurig. Er kann ihren plötzlichen Tod immer noch kaum fassen. Kurz zuvor hatte sie ihrem Schützling noch eine Videobotschaft zum Geburtstag geschickt. Die Nachricht von Elizabeth Kemps Tod schockte auch viele prominente Schauspieler – bei der Beerdigung hielten unter anderem Hugh Jackman, Bradley Cooper und Lady Gaga Reden.
„Ich führe lieber bei einem guten Film Regie, als eine schlechte Rolle anzunehmen“
Aber auch seine Ausbildung als Regisseur helfe ihm beim Schauspielern: „Du kennst die Arbeit hinter der Kamera und weißt, wie du dich drehen musst und wie die Kamera dich erfasst. Und auch andersherum ist man als Regisseur besser aufgestellt, wenn man auch schauspielern kann und weiß, wie man das Beste aus dem Darsteller herauskitzelt.“ Während er in Amerika mehr als Regisseur für Werbefilme arbeitete, widmet er sich in Deutschland verstärkt der Schauspielerei – obwohl er Regie und Schauspiel gleichermaßen liebt. Gerne würde er wieder mehr Serien oder Filme produzieren. „Ich drehe lieber einen guten Film als Regisseur, als eine schlechte Schauspielrolle anzunehmen“, meint Philipp, der mit seiner Frau Michelle Glick, ebenfalls Schauspielerin und bekannt aus Filmen wie 27 Dresses, nebenbei die Film- und Werbeproduktionsfirma FilmGym betreibt.
Viel Zeit hat er für den Produktionsjob aber nicht mehr, seit er in Deutschland lebt. Drei Jahre lang war er in der Rolle des David Brenner in der Serie Gute Zeiten, schlechte Zeiten (GZSZ) zu sehen und hatte, wie er sagt, eine super Zeit. Am Set traf man sich als große Familie: „Man lernt dort unglaublich viel Professionalität, weil alles so schnell gehen muss. Und durch den speziellen Umgang mit Technik und Kamera war es ein super Schauspieltraining“, erinnert er sich an seine Zeit als Seriendarsteller. Peinlich war ihm dieser Job zwar nicht, „aber in Deutschland wird leider oft in Kategorien gedacht: Du bist jetzt der Soaptyp oder der Bösewicht-Typ“, so Philipp. In Amerika sei die Haltung offener, dort komme es nicht unbedingt darauf an, wo man war, sondern ob man gut und engagiert sei.
Mein Kiez, mein Viertel, meine Stadt
Während wir nun die gutbürgerliche Wilmersdorfer Straße herunterlaufen, die eher nach Neukölln als nach Charlottenburg aussieht, zeigt uns Philipp stolz seine Nachbarschaft: seine Änderungsschneiderei, seinen Uhrmacher, seinen Spielzeugladen und sein Blumengeschäft. Begeistert erzählt er außerdem von einem Keramikmuseum und einem Hinterhof mit Ziegen, der wie ein Bauernhof aussieht – leider haben beide Gebäude an diesem Nachmittag geschlossen. Man merkt, dass der Berlin-Rückkehrer seinen Kiez kennt und liebt. Deswegen kauft er auch lieber direkt in kleinen Kiezläden ein, als online oder in großen Einkaufscentern zu shoppen.
Auch kulinarisch hat sein Viertel viel zu bieten: Zum Abschluss zeigt Philipp uns noch sein Lieblingsrestaurant, das Natural’Mente, wo sich der selbsternannte Gesundheitsfanatiker fast jeden Tag makrobiotisches Essen bestellt, das aus einer Sorte Getreide plus Gemüse, Tofu oder Fisch besteht. Ein Eis gönnt er sich aber trotzdem gerne mal – jedoch nur ein veganes Sorbet, aber auch das kann sich sehen lassen. Das Himbeer-Basilikum Eis in der kleinen Eisdiele Eisfabrik Alan schmeckt vorzüglich: „Ich bin Vegetarier und versuche auch weitestgehend vegan zu leben“, erzählt er uns, während wir in brütender Hitze unser Eis schlecken.
Der Klimawandel beschäftigt ihn immer mehr, gerade angesichts der aktuellen Dürreperiode. „Wenn du ein Kind hast, dann sorgst du dich doppelt um die Zukunft dieses Planeten“ , so der Familienvater. Deshalb nehme er statt des Autos auch immer öfter einen E-Roller oder das Fahrrad. Und genau das macht er jetzt auch: In seinen Jeans mit Jogginghosenbund – vom Sohn abgeschaut, weil so gemütlich – schwingt sich Philipp wieder auf sein Fahrrad und radelt nach Hause. Wenn du den Schauspieler also nicht zufällig in Charlottenburg an dir vorbeirasen siehst, kannst du Philipp auch ab Ende September live im Theaterstück mit dem provokanten Titel The Motherfucker with the Hat zu sehen– vielleicht sogar in einer anderen Rolle als der des Schurken. Sobald wir genaue Termine haben, lassen wir dich wissen, wo und wann er auf der Bühne steht.