Und da solche Zuschauer keine Stimmung machen, sollten sie doch bitte zu Hause bleiben und den ‚echten‘ Fans die Karten überlassen. Generell wäre ja ein halbvolles Stadion, in dem sich dann aber nur ‚echte‘ Fans befinden, sowieso viel besser, weil dann nur Leute da seien, die Stimmung machen. So viel zur bisher von mir unbewerteten Ausgangssituation.
Um was geht’s denn nun wirklich?
Die Diskussion vor solchen Spielen ist deswegen immer so erhitzt, weil die Nachfrage das Angebot an Karten deutlich übersteigt. So wurden bereits im Vorverkauf für Mitglieder rund 25.000 Karten abgesetzt. Rechnet man noch die ca. 20.000 Dauerkarten und das Kontingent für den Gast (auch noch einmal ca. 10.000 Karten) dazu, dann war klar, dass am Donnerstag nur noch ca. 15-20.000 Karten in den freien Verkauf gehen würden und genau hier setzt es dann an.
Viele Fans von Hertha, die keine Dauerkarte haben und/oder kein Mitglied sind, standen auf einmal mit dem Banker, der das Spiel interessant findet, dem Straßenkehrer, der nur zur Hertha geht, weil die zur Zeit so gut spielen und dem Bahnfahrer, der Bayern-Fan ist, in einer Reihe und hatten am Ende dann vielleicht das Pech, keine Karte mehr zu bekommen. Und das ist der Aufreger, dass Menschen, die nicht bei jedem Spiel, bei Wind und Wetter, bei Gegnern wie Augsburg oder Freiburg (nichts gegen die beiden Teams) dabei sind, sich nun erdreisten, Karten für das Bayern-Spiel zu kaufen und dann noch nicht einmal für Stimmung zu sorgen.
Wer ist denn nun ein Erfolgs- oder Eventfan?
Die Frage, die an erster Stelle steht: Wann ist man denn nun ein solcher Fan? Ich nehme mal meine Eltern als Beispiel. Die haben sich, unter anderem über Hertha im Olympiastadion, in den 70ern kennen- und dann auch lieben gelernt. Zu einer Zeit, als viele der Leute, die heute meckern, noch gar nicht auf der Welt waren. Sie gehen nicht zu jedem Spiel, sind aber seit über 30 Jahren Hertha-Fans. Sind das jetzt keine wirklichen Fans mehr, weil sie sich, wenn sie denn mal ins Stadion gehen, eher solch ein Spiel aussuchen? Sind sie keine Fans, weil sie sagen, dass sie in Ihrem Alter nicht mehr in der Kurve stehen wollen und müssen, sondern lieber in Sitzbereichen das Spiel genießen? Sind sie keine Fans, weil Sie nicht mehr 90 Minuten singen und feiern?
Oder nehmen wir meinen Opa. Der ist entsprechend noch ein wenig älter. Ist aber seit Ewigkeiten Fan der alten Dame. Ist er jetzt kein Fan, weil er nicht mehr jedes Lied kennt, weil ihm die Ostkurve körperlich zu anstrengend ist oder weil er nicht mehr bei jedem Wetter ins weite Rund gehen kann und will?
Klassische Erfolgs- oder Eventfans sind wohl die Leute, die nie ins Stadion gehen und das normal auch nicht wollen, es sei denn, es kommt ein interessanter Gegner oder die Hertha spielt gerade mal attraktiv und bei den ersten Anzeichen von Niederlagen sieht man sie nie wieder. In solchen Fällen kann ich eine gewisse Kritik daran auch verstehen. Vor allem wenn solche Leute dann Karten wegkaufen, die wirkliche Fans gern gehabt hätten, oder noch schlimmer, Plätze in der Ostkurve einnehmen, ohne selbst an der Gemeinschaft teilzunehmen.
Verallgemeinerungen nicht angebracht
Aber generell darüber zu meckern, über alle Leute pauschal zu urteilen, die halt nicht regelmäßig ins Stadion wollen oder können, ist in meinen Augen absurd. Und jemandem genau aus diesen Gründen abzusprechen, dass er ein wirklicher Fan ist, ebenso. Wenn überhaupt sollte man sich jeden einzelnen Besucher ansehen und erst dann sollte man über seine wahren Gründe zum Besuch des Spiels urteilen.
Und noch etwas sollte man nicht vergessen. Viele der wirklichen Eventfans kaufen auch Karten für Bereiche im Stadion, wo viele Fans nicht stehen wollen. Weil es dort zu ruhig ist oder die Kartenpreise einfach zu hoch sind. Aber das bekommt man dann ja als Antwort, dann sollten diese Bereiche lieber frei bleiben, Stimmung komme von dort eh nicht.
Da muss ich mir dann doch an den Kopf fassen. Gerade diese Bereiche, wie die Haupt- oder Gegentribüne, bringen dem Verein wichtige Einnahmen. Die Ostkurve z.B. bringt zwar einmal am Anfang der Saison viel Geld (da hier fast nur Dauerkartenbesitzer stehen), danach sieht es dann jedoch mau aus. Dazu kommt, dass selbst die Dauerkarten im Verhältnis wenig einspielen. So reichen vier bis fünf volle Gegentribünen, um die Einnahmen der Ostkurven-Dauerkarten zu erzielen. Und da es unserem Verein nun einmal finanziell nicht gerade rosig geht, ist jedes gut besuchte Spiel, von welchen Fans auch immer, ein warmer Geldsegen für die Vereinskasse.
Vom Erfolgs- zum echten Fan
Und noch ein Faktor wird schnell übersehen. Aus jedem ‚Event- oder Erfolgsfan‘ kann auch ein ‚echter‘ Fan mit Herz und Seele für den Verein werden. Denn bei den meisten hat es genau so angefangen. Dass man mal, mit Freunden oder der Familie zu einem Spiel gegangen und dann wiedergekommen ist, und wieder und wieder. Dann kauft man sich seine ersten Fanutensilien und plötzlich ist man Besitzer einer Dauerkarte. Ein natürlicher Gang der Dinge, den viele der Leute, die heute in der Ostkurve stehen, genau so durchgemacht haben werden.
Ich bitte demnach alle, hört doch mit dieser Diskussion um die ‚Event- oder Erfolgsfans‘ auf. Niemand weiß wirklich, warum jemand zu einem bestimmten Spiel geht. Ist es, weil er aus gesundheitlichen Gründen nur zu ein bis zwei Spielen im Jahr gehen kann oder weil er nur sehr selten Zeit hat? Es ist vollkommen egal. Er ist da!
Am Ende ist die Summe der Leute, die nur wegen dem Gegner ins Stadion gehen und kein Fan von einem der beiden Teams sind, im Verhältnis zum großen Rest, verschwindend gering. Und darüber sollte man sich nicht ärgern, denn wer weiß, vielleicht stehen sie in zwei Jahren neben dir in der Ostkurve und meckern dich an, dass du das Team zu wenig unterstützt. Denn so schnell kann es gehen.
In diesem Sinne, wir sind alle Fans, die Lauten, die Harten, die Leisen, die Zarten.
René ‚Mueggi‘ Jünemann
2. Vorsitzender Berliner Jungs OFC