Hansaviertel? Ist gleich Moabit. Na, klar. 96 sogenannte Ortsteile gibt es in Berlin und wer im flächenmäßig kleinsten davon wohnt, der hat prinzipiell so das Gefühl, vom Rest der Stadt nicht so richtig ernst oder genau genommen zu werden. Frischer Beleg dafür: Hertha BSC hat den in den Grenzen genau seit 2001 definierten Ortsteil vor dem großen Pokalspiel gegen Borussia Dortmund am Mittwoch auf einem Werbeplakat einfach mal Charlottenburg zugeschlagen. Dabei gehört er zum Bezirk Mitte-Tiergarten.
Geografiekenntnisse unzureichend
Hertha verlegt das Hansaviertel! Aufgefallen ist es noch nicht groß – wohl weil das Werbeplakat mit zwei Kartenausschnitten auf der linken Seite noch einen größeren Aufreger bot. Die Überschrift hier:
„500.000 Einwohner… ham wa hier auch!“ – zog auf beiden Seiten neue Grenzen. Links auf der Ruhrgebietskarte wechselten Herne und Gelsenkirchen, die Heimstätte von BVB-Rivale Schalke die Plätze. Okay, ist ja auch ein paar hundert Kilometer weit weg von Berlin. Aber, dass es Hertha dann mit der eigenen Stadt nicht so genau nimmt? Auf der rechten Seite des Plakates sollten die Bezirke Mitte, Kreuzberg blau hervorgehoben sein. Sind sie aber nicht, der Schnipsel mit dem Hansa-Viertel (gehört zum Bezirk Mitte-Tiergarten) ist weiß wie der linke Rest.
Oder sind unter den 5698 Hansaviertel-Bewohnern keine Hertha-Fans? Alle Beobachtungen sprechen dagegen. An Spieltagen wird der Hansaplatz blau-weiß, stehen Fans im Rewe-Supermarkt an, um sich noch Wegzehrung zu besorgen. Wer es nicht zum Stadion schafft, verirrt sich dann auch mal in Moabit im Walhalla oder in der legendären Zur Quelle (Lokalrunde Schnaps bei jedem Hertha-Treffer), wenn Blau-Weiß spielt. Man kann sagen: Wenn in allen Berliner Bezirken Hertha so eine Rolle spielen würde wie im Hansaviertel, dann wäre es um die Popularität des Klubs in der Stadt noch besser bestellt.
Hertha befindet sich in guter Gesellschaft
Aber das (neue) Hansaviertel ist ja Kummer gewohnt. Nicht nur, dass seine schmucken Interbau-Gebäude seit Jahren vor sich hin vegetieren und im Denkmal geschützten Gebiet die Kriminalitätsrate enorm hoch ist: Seit Jahren bildet die Bahntrasse einen ungemütlichen Dauer-Soundtrack als akustischen Hintergrund. Und wer das Hansa-Viertel abbildet, nimmt es wie gesagt nicht so genau. Da ist Hertha nicht allein: Im jüngst gezeigten ZDF-Dreiteiler Kudamm 56, der auch im Jahr 1956 spielen soll, sind als Kulisse etliche Gebäude des neuen Hansaviertels zu sehen. Das im Rahmen der Interbau errichtete Viertel stand seinerzeit allerdings noch gar nicht in voller Pracht. In Kudamm 56 laufen die Protagonisten durch Teile der Ladenpassage am Hansaplatz – Baubeginn 1957, Fertigstellung 1960. Zudem sind im TV-Dreiteiler immer wieder im Hintergrund Gebäude aus dem Hansaviertel zu sehen, die erst Ende der Fünfzigerjahre standen.
Was das alles mit Hertha zu tun hat? Viel, denn so ein paar Flüchtigkeitsfehler sind auch sympathisch. Daher also, Hertha BSC: Die Idee hinter dem Plakat war ja gut. Und am Ende ist die Wahrheit ja sowieso nur auf dem Platz. Am Mittwoch dann gegen Borussia Dortmund – im Olympiastadion, in Berlin-Westend. Und der Ortsteil gehört zu – Charlottenburg! Nicht, dass Hertha dann auf einmal in Spandau spielen will.
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