Ingo Schiller sagt, dass er ein leises Klingeln höre, wenn das virtuelle Geld in der Kasse landet. Aber dieses Klingeln existiert allein in seiner Vorstellung und ist wohl vor allem seiner Tätigkeit als Finanzgeschäftsführer bei Hertha BSC geschuldet. In Wirklichkeit verschwindet das Geld geräuschlos, wenn man die Verzehrkarte Berlin-Cash auf das Lesegerät legt. Schnell und geräuschlos – so sollen die Fans von Hertha künftig ihr Geld loswerden, wenn sie im Olympiastadion Bratwurst und Bier bestellen. Schon am Samstag, zum Auftakt der Bundesliga-Saison gegen Eintracht Frankfurt, wird das neue System in Betrieb sein.
Bei den ersten vier Heimspielen können die Zuschauer Speisen und Getränke parallel noch mit banalem Bargeld bezahlen, ab der Begegnung gegen Borussia Mönchengladbach Mitte Oktober ist der Einkauf dann nur noch mit Karte möglich.
In vielen Stadien Standard
In den Stadien der Fußball-Bundesliga sind bargeldlose Bezahlsysteme inzwischen eher die Regel als die Ausnahme. Trotzdem gibt es immer noch Kritik, weil viele Fans solche Systeme als Instrument zur Zuschauerabzocke betrachten. Was passiert zum Beispiel mit aufgeladenem Geld, das nicht ausgegeben wurde – weil man es schlichtweg vergessen hat oder die Schlangen an den Rückgabestellen zu lang sind? In einigen Stadien verfällt das Guthaben nach einer bestimmten Frist; viele Vereine ziehen daraus einen nicht zu unterschätzenden Gewinn. Allein der FC Bayern erwirtschaftete laut seinem Geschäftsbericht in der Saison 2009/10 auf diesem Weg 2,4 Millionen Euro. Gerade Gästefans, die nur einmal pro Jahr ins jeweilige Stadion kommen, lassen ihr Guthaben oft verfallen.
Im Olympiastadion ist an den Kiosken im Gästebereich auch weiterhin Barzahlung möglich; laut Betreiber kann man die Karte an allen Ausgängen zurückgeben, und ein Verfallsdatum gibt es offiziell ebenfalls nicht. De facto verfallen die Guthaben allerdings, wenn die Karte drei Jahre lang nicht genutzt wurde. Das sei jedoch in sieben Jahren noch nie vorgekommen, sagt Sascha Busse, der Geschäftsführer des Betreibers Payment Solutions Services.
Zeit sparen
Hertha und der Stadionbetreiber sehen das Ganze als deutliche Verbesserung für die Zuschauer an. „Im Olympiastadion gibt es in der Pause regelmäßig zwei Schlangen: vor den Kiosken und vor den Toiletten“, sagt Joachim E. Thomas, der Geschäftsführer der Olympiastadion Berlin GmbH. „Wer vor dem Kiosk steht, hat keine Zeit mehr, zur Toilette zu gehen.“ In Zukunft soll beides bequem in 15 Minuten möglich sein – weil die Abwicklung an den Verkaufsständen deutlich beschleunigt wird. Die Suche nach dem passenden Geldbetrag entfällt, die Rückgabe des Wechselgeldes ebenso. Der Kauf von zwei Getränken, so der Systemanbieter, nehme im Idealfall nicht einmal zehn Sekunden in Anspruch: Karte auflegen, fertig. Weniger Wartezeit für die Kunden, mehr Umsatz für den Caterer – damit sollten sich beide Seiten anfreunden können. „Und die Kasse stimmt. Das Thema kenn’ ich ja“, sagt Ingo Schiller, der als Finanzgeschäftsführer von Hertha mit einem Schuldenstand von 37 Millionen Euro operieren muss.
Payment Solutions Services verhandelt derzeit mit weiteren Sport- und Kulturveranstaltern in Berlin über bargeldlose Bezahlsysteme, für die dann auch die Berlin-Cash-Karte von Hertha BSC genutzt werden könnte. Dazu sollen schon im Herbst die Möglichkeiten im Olympiastadion erweitert werden. Man kann die Bratwurst dann mit der Giro-Go-Karte (bisher Geldkarte) genauso bezahlen wie mit einem entsprechend präparierten Smartphone. So etwas gibt es bisher in keinem anderen Stadion in Deutschland.