Treffpunkt Richard-Wagner-Platz, ein Verkehrsknotenpunkt. Ein paar Menschen kommen aus dem U-Bahnhof empor und laufen über die große Kreuzung. Mauli zieht die Kapuze seines schwarzen Parkas über, lächelt und sagt: „Da haben wir uns ja einen tollen Tag zum Spaziergehen ausgesucht.“ Am Himmel ziehen graue Wolken auf und es beginnt zu regnen. Der Rapper trägt drunter ein gestreiftes T-Shirt, um seinen Hals hängt eine blaue Umhängetasche mit Mauli-Schriftzug.
„Die Gegend ist wirklich kein Szene-Kiez“, erzählt er. „Aber man kann hier gut essen und spazieren gehen, ohne Leute zu treffen, die man kennt.“ Und das sei ihm wichtig, schließlich mag es Mauli, der eigentlich Marius heißt, gerne etwas ruhiger. „In Kreuzberg könnte ich niemals wohnen, da ist mir zu viel Trubel.“ Geboren wurde der 24-Jährige in Pankow, lebte bis zur ersten Klasse in Friedrichshain und zog dann nach Hohen Neuendorf. „Das liegt über Reinickendorf und ist schon im C-Bereich. Mein Opa hat dort ein Haus gebaut“, erzählt Mauli. Weil es dann doch ein bisschen nervig war, dass die Bahn nur im 20 Minuten-Takt fährt, ist er vor zwei Jahren nach Charlottenburg gezogen.
Sein Debütalbum Spielverderber veröffentlichte der Berliner Rapper 2015. Damals fiel er vor allem durch seine Freude am Pöbeln und Provozieren und seine lustigen Sprüche gegen die hiesige Rap-Szene auf. Kürzlich erschien nun sein zweites Album Autismus x Autotune, das er komplett in Eigenregie produziert hat. „Mein Auto musste die letzten Monate als Studio herhalten. Die meisten Beats habe ich nämlich dort gemacht, weil zu Hause regelmäßig meine Nachbarn Stress geschoben haben“, rekapituliert er und führt uns zu Rock Steady Records, einem kleinen, gut sortierten Plattenladen. Dabei hatte Mauli nach der Veröffentlichung seines Debüts wenig Lust auf Musik und machte vor allem als Podcaster auf sich aufmerksam. Gemeinsam mit Marcus Staiger, dem Gründer des Labels Royal Bunker, blickt er in Die wundersame Rapwoche wöchentlich auf das Geschehen in und außerhalb der Rapwelt zurück und zieht dabei über alles und jeden her – charmant, versteht sich.
Wir durchstöbern das Vinyl-Angebot des Plattenladens und schauen uns die Cover von großen Musikern wie Pete Yorck und Annie Lennox an, die Mauli selbst gern hört. Obwohl der Musiker gar keinen Plattenspieler besitzt, kommt er gerne her und sucht nach Samples. Denn privat hört er mittlerweile nur noch wenig Rap: „Ich fand es interessant, dass es im Hip Hop wieder so eine Welle von jungen, wilden Künstlern gab, wie beispielsweise Travis Scott, der mit 19 Jahren seine ersten Stücke veröffentlichte, auf denen er mit allen Konventionen brach.“ Mittlerweile würde jedoch im Hip Hop alles nach monotoner Stangenware klingen, weshalb Mauli mehr Interesse an älterer Musik aus anderen Genres gefunden hat.
Ladendieb wider Willen
Inzwischen hat es wieder aufgehört zu regnen, die Sonne prangt am Himmel und lässt die Wilmersdorfer Straße leuchten. Wir kommen am Sportladen 11teamsports vorbei, in dem Mauli sein Musikvideo zu dem Song Klepto gedreht hat. In dem Lied geht es um Kleptomanie, den zwanghaften Drang zu stehlen: „Ich würde schon sagen, dass ich Kleptomane bin. Es gab Zeiten, da war ich krasser unterwegs, aber ich merke immer noch wie es mir in den Fingern zuckt, wenn ich einkaufen gehe“, verrät er. Die Liedzeile „1.000 Euro im Korb, aber 20 kommen nur auf meiner Rechnung vor“ sei daher auch einer wahren Begebenheit entsprungen.
Den Weg zur Kasse spart sich Mauli bei unserem Spaziergang aber nicht. Als wir an einem Obstladen vorbeikommen, kaufen wir uns eine Schale frische Mango und laufen weiter. Die Liebe zur Musik entdeckte Mauli als Jugendlicher. „In unserem Haus in Hohen Neuendorf stand ein Klavier, das wir von meiner Uroma übernommen hatten“, erinnert er sich. Irgendwann habe er einfach angefangen, Lieder aus dem Radio nachzuspielen. Mit 16 Jahren fing er dann auch an, Beats zu produzieren. Auf MTV Masters, einem Format, das das Leben einzelner Musiker ausführlich dokumentiert, sah er einen Beitrag über den Produzenten Timbaland. „Ich fand es super spannend, wie Timbaland in seinem Studio Beats gemacht und ein ganzes Orchester nur mit einem Computer komponiert hat.“ Mauli lud sich also ein Programm runter, produzierte die Beats für ein paar rappende Schulfreunde und begann selbst Texte zu schreiben.
Aus Dirty Maulwurf wird Mauli
„Am Anfang war das natürlich noch ein bisschen holprig, aber man hat sich immer mehr reingefunden“, entsinnt er sich. Als ein Freund ihn fragte, ob er nicht seinen Slot bei dem Video-Battleturnier VBT übernehmen möchte, schnappte er sich eine Maske und präsentierte sich als Dirty Maulwurf der Öffentlichkeit. „Den Namen Dirty Maulwurf habe ich mir nicht selber gegeben, der wurde mir quasi zugeschrieben. Mauli war dann das erträglichste, was man daraus machen konnte“, erzählt er und lacht. Und so ist Mauli per Video in die Rap-Welt reingerutscht. Sein Glück, denn geregelte Arbeitszeiten und fixe Strukturen sind für ihn unvorstellbar: „Ich hätte am liebsten gar keine Termine und würde mir den ganzen Tag selbst einteilen. Mal nicht zu wissen, welchen Tag man hat oder wie spät es ist, nimmt einem sehr viel Druck.“ So habe er auch seinen einzigen richtigen Nebenjob als Security in der Mercedes-Benz Arena, die damals noch O2-World hieß, kurzerhand gekündigt: „Wahrscheinlich habe ich mehr Sozialstunden geleistet, als wirklich jemals gejobbt“, sagt Mauli erstaunlich selbstreflektiert.
Unser letzter Halt ist die Kantstraße, oder das „little Asia“ Berlins, denn auf der Straße wimmelt es nur so vor asiatischen Lokalen. Manche Läden sehen von außen ein wenig zwielichtig aus, Mauli und seine Freundin haben aber im Thailand-Urlaub vor zwei Jahren die Erfahrung gemacht: „Je abstoßender das Interieur, desto besser die Küche!“
Wir entscheiden uns für das Saigon Cuisine, eines von Maulis Stammlokalen und bestellen uns die Nummer 18, vegetarische Sommerrollen. Dass Mauli kein Fleisch mehr isst, begründet er mit seiner grundsätzlichen Verweigerungshaltung: „Manche Dinge verweigere ich prinzipiell einfach gerne. Tatsächlich habe ich auch fünf Jahre lang keinen Alkohol getrunken„, erzählt er und nippt an seinem Zitronengras-Eistee. Auch die Tanzflächen der Stadt meidet der 24-Jährige. „Das ist mir einfach zu blöd. Vor allem auf den Hip Hop-Partys ist das nur ein einziges Sehen und Gesehen werden. Ich muss auch mit niemanden cool sein, nur weil er viele Instagram-Follower hat.“ Dabei beherrscht Mauli das Instagram-Game wie kein anderer. Denn was bei ihm hängen bleibt, ist seine Ironie: „Ich sorge gerne für Verwirrung und erzähle manchmal den größten Quatsch. Die Leute müssen das natürlich erstmal so hinnehmen, aber im besten Fall gehen sie sogar drauf ein. Das Schöne ist ja auch, dass alles im Netz wieder so schnell weg ist.“
Nachhaltiger soll natürlich seine Musik sein. Deshalb verrät Mauli, dass wir uns bald auf neue Songs von ihm freuen dürfen – der ein oder andere Feature-Gast soll auch dabei sein.