Rund hundert Gäste sitzen an diesem Vormittag schon im „Hofbräu“ am Alexanderplatz. Es wird auch schon gegessen und ein wenig gsuffa, wenn auch die Musik zu dieser Uhrzeit aus dem Radio kommt und die riesengroßen Lücken zwischen den Besucherschultern jegliches Schunkeln kaum ermöglicht.
Was auch nicht weiter schlimm ist. Das Münchener Hofbräuhaus ist ja auch nicht in den ersten Sekunden zur internationalen Legende avanciert. An einem solchen Erfolg muss hart und mit viel Ausdauer geschraubt werden, und dieser Prozess hat nun im Hofbräu am Alexanderplatz begonnen, dem angeblich größten bayerischen Gasthaus Europas. Wobei „am Alexanderplatz“ reine Schmeichelei ist, denn das Gebäude befindet sich am Rande der Karl-Liebknecht-Straße zwischen zwei Hochhäusern. Es ist so positioniert, dass es aus kaufmännischer Sicht absolut wahnsinnig wirkt, zumindest, wenn die Zielgruppe hauptsächlich Touristen sind. Doch etwas so Riesiges wird wahrscheinlich nicht zu übersehen sein.
An diesem Mittag sind die Präzisionsbesucher da, eine neue Rasse von Restaurant-Gängern, die sich nicht einfach treiben lässt, sondern die Location bereits im Internet ausgekundschaftet hat. So entwickelt sich zwischen dem Berliner Ehepaar und dem Kellner in Lederhosen ein Gespräch darüber, ob es das Gedeck mit Weißwurst, Brezn und einer Maß nun zum Specialpreis gibt (Ehepaar) oder nicht (Kellner). Ja, sagt der Kellner, es wurde ihm schon zugetragen, dass da im WWW die eine oder andere Falschmeldung steht. Der Ehemann erwidert, das interessiere ihn nicht, wenn es doch im Internet …
Ein Bierhaustraum in weiß-blau
Es ist nicht einfach vor allem fürs Personal, das stolz die bayerische Tracht trägt, aber noch etliche Widrigkeiten zu überwinden hat; das sachgerechte Servieren der Maßkrüge gelingt schon recht ordentlich. Insgesamt zwei Kilometer Bierbänke, auf denen 2500 Gäste Platz finden, stehen unten im Saal und in den beiden Geschossen darüber. 20 Tonnen bayerische Dekoration umfrieden den Gast, Bilder vom Engel Aloysius, allerhand weiß-blauer Zierat, was man in solchen Häusern eben vorzufinden hofft. Die Musik macht die Gemütlichkeit komplett, das Buam-Madl-hamma-gsuffa-Konzentrat, das auch ohne Alkohol im Blut jene lähmende Leere entstehen lässt, die für einen typischen Hofbräuabend charakteristisch ist.
Für den Fassanstich im Rahmen der Eröffnung hatte sich Geschäftsführer Björn Schwarz die Dienste von Alfons Schuhbeck gesichert, der ja die bayerischen Belange in die Welt hinausträgt. Infolgedessen wird man annehmen dürfen, dass Berlin nun vom Hofbräu ausgehend dieser Welt zeigt, wie man das weiß-blaue Erbe kaufmännisch richtig zu nutzen hat. Die Weltmeisterschaft im Weißwurstzuzeln steht direkt bevor, es wird gejodelt und geschuhplattlt und ins Alphorn geblasen werden, bis die „Original Hofbräuhaus Showband“ ermattet die Instrumente sinken lässt. Wer wollte da noch nach München weiterreisen?