Es scheint fast normal, nach einem Tag in Berlin zwischen Autos, Bauarbeiten, Straßenmusikern und Menschenmassen mit einem Piepen im Ohr einzuschlafen. Gesund ist das aber ganz sicher nicht. Dem Problem Lärmbelästigung in Großstädten nimmt sich die gebürtige Italienerin und promovierte Stadtplanungsarchitektin Antonella Radicchi mit ihrem Projekt Beyond the Noise an. Und weil sie aktuell in Berlin lebt und forscht, setzt sie sich vor allem mit unserer lauten Hauptstadt auseinander. Auf die Idee, sich näher mit dem Thema zu beschäftigen, kam sie aus zwei Gründen: um die vielen negativen Auswirkungen, die ein dauerhafter und hoher Geräuschpegel auf unsere Gesundheit haben kann, zu belegen und um die akustischen Reize, die uns beim Stadt-Geschlender umgeben, stärker in den Fokus und in unser Bewusstsein zu rücken.
Dass Lärm als gewohnte Geräuschkulisse nicht der beste Dauerzustand ist, beweisen auch Studien des Bundesumweltamts. Die kontinuierliche Beschallung kann nicht nur das Hörvermögen beeinträchtigen, sondern sich auch schlecht auf die Psyche, das Wohlbefinden und die gesamte Lebensqualität auswirken, ja, Stressreaktionen auslösen und sogar zu chronischen Schlafstörungen führen. Und wenn es ganz blöd läuft, leidet auch noch dein Herz-Kreislauf-System darunter .
Deswegen solltest du dir unbedingt ab und an mal ein bisschen Ruhe und Entspannung gönnen und deine Seele bei Vogelgezwitscher, Blätterrascheln oder Brunnengeplätscher baumeln lassen! Und damit du dafür nicht mit einem Dezibel-Messgerät durch die Stadt pirschen musst, um einen passenden Platz zu finden, hat Frau Radicchi die App Hush City erschaffen: Auf einer weltweiten Karte werden dir besonders stille und chillige Orte angezeigt – inklusive Bild, Beschreibung und Lautstärke-Angaben. Das Besondere ist, dass die Anwendung von Nutzern für Nutzer gefüllt wird. Somit kann jeder, der ein lauschiges Plätzchen gefunden hat, dort 30 Sekunden lang die Geräuschkulisse aufnehmen, ein nettes Bild knipsen, eine kurze Beschreibung verfassen und den Erholungstipp in der Karte eintragen. Für die Forscherin selbst hat das einen praktischen Nebeneffekt: Sie kann die Daten, die in die App eingepflegt werden, direkt für ihre Studien verwenden.
Wir haben natürlich keine Sekunde gezögert und uns die kostenlose Anwendung direkt runtergeladen. Die Karte ist gut aufgebaut, die bisherigen Einträge sind jedoch noch recht übersichtlich und stark auf Deutschland und den europäischen Raum konzentriert. Man merkt: Die App ist noch ziemlich neu.
In Berlin gibt es mittlerweile rund 50 eingetragene Tipps. Anhand farbiger Markierungen erkennst du den ungefähren Lärmlevel vor Ort. Schön ruhig ist es zum Beispiel auf dem Tempelhofer Feld mit 32 Dezibel, am Fraenkelufer mit 37,6 Dezibel oder im Tiergarten mit 38,7 Dezibel. Wenn es nicht ganz so still und doch erholsam sein soll, empfehlen Nutzer mitunter den Klunkerkranich, auf dem die Lautstärke schon stolze 74,3 Dezibel erreicht.
Übrings fand Antonella Radicchi bereits heraus, dass gerade Großstadtbewohner häufig gar nicht bei kompletter Stille entspannen, sondern eher an einem schönen, einigermaßen ruhigen und grünen Ort. Der kann auch mitten in der Stadt liegen, beispielsweise an einem kleinen See, im Park oder aber in einer ruhigen Seitenstraße.