Das alte Gebäude an der Hasselwerderstraße 22 stand jahrelang leer. Es wäre vom Berliner Liegenschaftsfonds öffentlich ausgeschrieben worden, hätten sich die „Moving Poets“ nicht im Jahr 2014 mit dem „Internationalen Zentrum für Kunst, Kreativität und Begegnung“ (Novilla) durchgesetzt. Seit mehr als acht Monaten veranstalten sie dort Kreativtage für Kinder, Kunstaustellungen, Konzerte internationaler Künstler oder Workshops, waren auch an den Schöneweider Kunstprojekten „Lichtgestalten“ und „Kunst am Spreeknie“ oder am Lesefest des Bezirks beteiligt.
Überhaupt ist die Treptow-Köpenicker Kulturszene gut vernetzt. Lutz Längert ist nicht nur Mitbegründer des Industriesalons Schöneweide und einer der Initiatoren von Kunst am Spreeknie, er ist jetzt auch und vor allem beim internationalen Kollektiv der „Moving Poets“ aktiv. Diesen Zusammenschluss von Künstlern aller Art gibt es in den USA seit fast 20 Jahren, ein deutsch-amerikanisches Pärchen hat das Projekt auch in Berlin etabliert. Anfangs wirkten sie am Bruno-Bürgel-Weg in Oberspree, jetzt in der Novilla in der Hasselwerderstraße. Noch.
Studenten, Schüler oder Luxuswohnungen? Ein Hin und Her im Bezirk
Das Studentenwerk zeigt sich zum Glück an beiden Grundstücken gleichermaßen interessiert. Der Senat bringt aber weitere Interessenten ins Spiel: die nahegelegene 7. Grundschule an der alten Feuerwache und das Immobilienunternehmen Comer Group, denen schon eine Brache neben dem Hasselwerder Park gehört. Die „rote Schule“ könnte das Gelände zum Ausbau ihrer Ganztagsbetreuung brauchen, argumentiert der Senat. Laut Längert dementiert die Schule dieses Vorhaben aber selbst.
Interessiert klingt dagegen Denis Madden, Geschäftsführer der Comer Group. Wegen des Bebauungsplans für seine an die Hasselwerderstraße grenzende Brache stehe er in engem Kontakt mit dem Bezirksamt Treptow-Köpenick. „Es ist ein Hin und Her“, gibt er zu. Ein Konzept seiner Immobilienfirma für Niederschöneweide gebe es mit und ohne das attraktive Grundstück im Hasselwerder Park. Laut der letzten Aussage des Bezirksamts vom Januar 2015 könne er aber nicht mit der umkämpften Fläche rechnen.
Behauptet sich die Novilla also doch gegen Studenten und den kommerziellen Investor? Gegenüber den Moving Poets sprechen die Bezirksverantwortlichen laut Längert davon, keinen Handlungsspielraum zu haben.
Das Ziel: Die Novilla im Bezirk halten
Seit dem 27. Januar arbeiten Unterstützer mit einer Petition daran, das Kulturprojekt vor der Verdrängung zu schützen. Mit ihm sind auch die Standorte der Kiezküche „Küchengeister“ und des Jugendschiffs „ReMiLi“ bedroht. Lutz Längert findet, Niederschöneweide brauche das internationale Kunstprojekt dringend. „Man weiß ja, wofür unser Bezirk bisher bekannt ist. Die Hotspots der Neonazis sind zwar weg, aber viele wohnen noch hier“, erklärt er. Schon unter diesem Gesichtspunkt sei ein Zentrum für Kunst, Kreativität und Begegnung an dem Standort ideal. Außerdem sei um den Kaisersteg zwar viel geplant, aber noch nicht alles umgesetzt worden. „Die Vervollkommnung dieses Konzepts auch auf der Niederschöneweider Seite ist wichtig“, so Längert. „Eigentlich ist das Zentrum ein Geschenk für den Bezirk“, fasst er zusammen.
So sehen das auch die Anhänger des Projektes. Mieterorganisationen aus der Nachbarschaft haben sich schon beim Bezirk für den Erhalt stark gemacht, außerdem gibt es Zuspruch von internationalen Künstlern, der südafrikanischen, kolumbianischen und weiteren Botschaften. Es bleibt abzuwarten, ob auch der Bezirk den Mehrwert des Zentrums gegenüber ein paar Wohnbauten mit Spreeblick erkennt. Die Moving Poets planen ihr vielfältiges Kulturprogramm jedenfalls vorsichtshalber nicht über den Juni 2015 hinaus.
Wer mehr über die Novilla erfahren möchte, findet hier viele Infos zum Projekt. Zur Petition gegen die Schließung klick‘ hier.