Wenn die U-Bahnlinie U1 den Bahnhof Gleisdreieck Richtung Schöneberg verlässt, dann ratterte sie bisher über ein brachliegendes und verlottertes Gelände. Doch nun sind Baufahrzeuge auf dem weitläufigen Areal aktiv: Neue Straßen werden angelegt, Bäume gepflanzt, sogar die Straßenlaternen stehen schon. Hier entsteht unter den U-Bahntrassen von U1 und U2 der „Park am Gleisdreieck“. Sein östlicher Teil wurde bereits im vergangenen Jahr eingeweiht.
Das bereits fertiggestellte Parkgelände verleugnet seine Vergangenheit nicht. Schienen und ehemalige Werksgebäude schauen zwischen den Bäumen und Hügeln hervor und machen die Grünanlage zu einem einzigartigen Naherholungsraum.
Vergessenes Brachland
Dass der Bau der Parkanlage sich so lange hingezogen hat, liegt vor allem an einem umstrittenen Autobahnausbau, der über das Gelände führen sollte. Und auch nach der Wiedervereinigung konnte der Boom am Potsdamer Platz keine Wirkungsmacht über den Landwehrkanal hinaus entfalten. Stattdessen kreuzten nur Radfahrer und Fußgänger auf ihren Wegen von Kreuzberg nach Schöneberg und zurück das heruntergekommene Gelände auf dem sich nach und nach ein Golfplatz und eine Beachvolleyballanlage ansiedelten. Sie sollen in den neuen Westteil des Parks eingegliedert werden, der schon im nächsten Frühjahr eröffnet werden könnte – sechs Monate früher als geplant.
Dass das Gelände am Gleisdreieck so lange brach lag, ist auch den schwierigen Verhandlungen mit der Eigentümerin, der CA Immo, zuzuschreiben. Von den insgesamt 42 Hektar konnte das Land Berlin schließlich 30 Hektar erwerben. Das übrige Gelände wurde von der CA Immo teilweise an die Berliner Groth-Gruppe abgetreten, die dort das „Flottwell Living“-Wohnprojekt entwickeln will. Dabei sollen in der Flottwellstraße zehn neue Gebäude mit insgesamt knapp 300 Wohnungen entstehen. Im Zuge der Bauarbeiten, die bereits Ende 2012 beginnen sollen, wird eine historische Backsteinmauer verschwinden. Sie zeugte in der Flottwellstraße bisher von der durch den Eisenbahnverkehr geprägten Geschichte des Kiezes.
Durch den neuen Park dürften die angrenzenden Gebiete zu attraktiven Wohngegenden werden. Die nach dem 1865 verstorbenen Innenminister Heinrich Eduard von Flottwell benannte Straße profitiert schon jetzt von dem Aufschwung: Hatten sich hier in der Vergangenheit vor allem Autohändler, Kfz-Werkstätten und Druckereien niedergelassen, so sind nun zahlreiche Wohnhäuser im Entstehen begriffen. Das „Lützow 1“ steht bereits im Rohbau, beim „Metropolis“ ist das Erdgeschoss fertiggestellt. Inwieweit auch Cafés und Geschäfte einziehen werden, ist bisher noch offen. Sicher ist: Bis zu 1500 neue Anwohner werden in den Kiez kommen.
Gentrifizierungs-Angst
Doch bei den Alteingesessenen macht sich im Angesicht dieser Entwicklung auch Unruhe breit: „Natürlich gibt es auch Angst vor steigenden Mieten und Verdrängung“, so Jörg Krohmer vom Quartiersmanagement Magdeburger Platz-Tiergarten Süd. In zahlreichen Diskussionen haben die Bewohner ihren Befürchtungen in den vergangenen Jahren Luft gemacht. Doch obwohl die umliegenden Straßen starken Veränderungen unterworfen sind, glaubt Krohmer an eine hoffnungsvolle Zukunft. „Wir wollen die Neuen integrieren. Dies wird kein zweites Prenzlauer Berg.“
Auch Baustadtrat Carsten Spallek gibt sich zuversichtlich: „Hier leben viele sozial benachteiligte Bewohnergruppen, eine Durchmischung der Struktur durch mittelständische Bevölkerung ist deshalb positiv zu bewerten.“
An einem Haus zeichnet sich die Veränderung des Kiezes besonders deutlich ab. Das neue Gebäude in der Flottwellstraße 2 steht direkt neben einem 50er-Jahre Bau. Voller Stolz wendet dieser ihm lediglich die TV-Schüsseln zu. Ansonsten herrscht Schweigen zwischen den neuen Nachbarn. Wird der Kontakt hergestellt, könnte das den Grundstein bilden für neues Leben in den Straßen rund ums Gleisdreieck.