Graue Ausstellung

Alles Ansichtssache

"Facetten von Grau". An der mittleren Wand hängen Exponate der Künstler Arnulf Letto (l.) und James Howell (r.). Bei der Betrachtung des Bildes von Letto wird die Wahrnehmung herausgefordert, da sich optische Täuschungen einstellen. In der Anschauung wirkt die Oberfläche räumlich.
"Facetten von Grau". An der mittleren Wand hängen Exponate der Künstler Arnulf Letto (l.) und James Howell (r.). Bei der Betrachtung des Bildes von Letto wird die Wahrnehmung herausgefordert, da sich optische Täuschungen einstellen. In der Anschauung wirkt die Oberfläche räumlich. Zur Foto-Galerie
Alt-Hohenschönhausen - Eine vierteilige Kunstausstellung zum Thema "Grau"? Ist das nicht eintönig und fad? Ansichtssache, meint Qiez.de und hat sich, im Rahmen der Präsentation des Ausstellungsbuches "Hauptsache Grau", in die heiligen Hallen des Mies-van-der-Rohe-Hauses begeben, um Eindrücke zu sammeln. Und wurde dort eines Besseren belehrt: Denn hier wird die oft als langweilig und negativ empfundene Farbe neu definiert. Die Aussteller wollen vor allem eins: Zeigen, wie vielschichtig und lebendig Grau sein kann.

Seit zehn Jahren ist der Klinkerbau eine kommunale Ausstellungshalle. Neben den drei Ausstellungsräumen gehört auch ein kleiner Vorgartenbereich dazu, dessen Installation „A Star for Mies“ den Architekten des Hauses ehrt. An den Wänden der Räume hängen die Exponate des vierten und letzten Teils der Gruppenausstellung „HAUPTSACHE GRAU“ mit dem Titel „Konstruiertes Grau“

Wie der Titel schon verrät, liegt der Schwerpunkt einzig und allein auf der Farbe. Das Konzept zur Ausstellung erarbeiteten Matthias Bleyl, Michael Fehr und Wita Noack. Kunstwerke und Künstler wurden dafür entsprechend ausgewählt und eingeladen. Gemeinsam oder abwechselnd betreuen die Ausstellungsmacher die verschiedenen Präsentationen. In Zusammenarbeit mit dem Verein der Freunde und Förderer des Mies van der Rohe Hauses gaben die Aussteller nun zum Abschluss der Themenreihe am 22. Januar die gleichnamige Publikation „Hauptsache Grau“ heraus.

Grau – das Stiefkind der Kunst

In Anbetracht der Tatsache, dass Grau für viele zunächst recht unscheinbar und eintönig daher kommt, stellt sich natürlich die Frage, wie die Idee entstanden ist, der Farbe eine vierteilige Ausstellung zu widmen. Michael Bleyl, Professor an der Kunsthochschule Weißensee, der sich schon lange mit dem Thema Farben auseinandersetzt, erklärt es so: „Ausgangspunkt ist, dass es bereits unheimlich viele Ausstellungen, Publikationen und Arbeiten zu den verschiedensten Farben gibt. Weiß und Schwarz, beispielsweise, sind sogar mehrfach „gewürdigt“ worden. Es sind natürlich Farben, die von vorne herein einen gewissen Glanz besitzen. Doch uns ist aufgefallen, dass sich nirgends wirklich mit der Farbe Grau beschäftigt wurde. Wenn sie nicht gerade als Steinfigur verarbeitet wird, fehlt ihr die Betrachtung.“

Bisher wurde Grau also in der Kunst recht stiefmütterlich behandelt – als wäre es wirklich unscheinbar. „Alle haben sich irgendwie vor dem unscheinbaren Grau ‚gedrückt‘. Ich denke vor allem, weil es für viele immer ein wenig negativ behaftet ist“, so Bleyl.

Für die Kunstliebhaber war es also an der Zeit, ein Experiment zu starten und dieses für ein ganzes Jahr durchzuziehen. „Viele der insgesamt 52 Künstler, die sich diesem Themenbereich angeschlossen haben, sahen in dem Experiment ihre Herausforderung“, erzählt Frau Dr. Noack, Leiterin des Mies-van-der-Rohe-Hauses. „Es gibt unter ihnen auch welche, die Grau regelrecht als Leidenschaft haben.“ Gerade der englische Minimal-Künstler Alan Charlton steht mit dem Amerikaner James Howell im vierten und letzten Ausstellungsteil für einen besonderen Part: „Beide haben sich derart der Farbe Grau verschrieben, dass sie ihr gesamtes künstlerisches Lebenswerk dieser Farbe gewidmet haben. Man könnte sogar von einer Lebensphilosophie in Grau sprechen.“

Die Wahrnehmung schärfen

Wita Noack gesteht, zunächst Bedenken gehabt zu haben. „Ein Jahr grau – was werden die Leute dazu sagen?“ Doch die Befürchtungen sind unberechtigt. Die Ausstellung wird von Presse und Besuchern positiv aufgenommen. „Es gibt wirklich viele Liebhaber von Grau, die sich zur Ausstellung auch themengerecht gekleidet haben.“ Das Ziel des vierten Teils der Ausstellung „Konstruiertes Grau“ ist es, „die Wahrnehmung für die Farbe zu schärfen.“ Wita Noack wünscht sich, dass die mit bestimmten Vorstellungen behafteten Dinge einmal anders betrachten werden. „Das menschliche Auge kann verschiedene Grautöne unterscheiden. Und mit etwas Übung kann der Mensch noch sehr viel mehr Farbnuancen von Grau sehen lernen.“

Auf der anschließenden Führung durch die Ausstellungsräume bekommt man durch die ausführlichen Erläuterungen von Frau Dr. Noack tatsächlich das Gefühl: Grau scheint wirklich nicht so langweilig und eintönig zu sein, wie zunächst empfunden. Selbst als der Blick auf ein zunächst völlig graues Viereck fällt, erreicht Frau Dr. Noack durch die Beschreibung des Bildes, dass man sich mehr auf das Exponat einlässt und die Idee dahinter erkennt. Die Ausführungen lösen den „grauen Schleier“, der sich dem einen oder anderen Betrachter unwillkürlich vor die Augen zu legen scheint.

Fazit: Auch wenn eine Ausstellung – ausschließlich zum Thema Grau – zunächst einige Skepsis hervorruft, tut der Zweifler gut daran, sich nach Alt-Hohenschönhausen zu begeben um sich von den unterschiedlichen Darstellungsarten einer fast unscheinbaren Farbe neu inspirieren zu lassen. Für den Kunstprofessor Michael Bleyl ist in Sachen „Grau“ noch nicht das letzte Wort gesprochen, das Themengebiet noch lange nicht ausgeschöpft.

 

Ich finde, den Kuratoren ist es gelungen, eine interessante Ausstellung zu gestalten. Zugegeben, meine Skepsis war recht groß, bevor ich die Ausstellungsräume des Mies-Van-der-Rohe-Hauses betreten habe. Ich bin ein Mensch, der zunächst seine Schwierigkeiten hat, sich in Kunst – die, wie hier, doch recht minimalistisch und „eintönig“ daherkommt – hineinzufühlen. Ich brauche also jemanden, der mir, wie Frau Dr. Noack, den Gedanken zum Ausstellungsstück erklärt und näher bringt – in vielen Ausstellungen fühlt man sich als Betrachter doch recht allein gelassen. Ich hatte nach dem Verlassen der Räumlichkeiten doch das gute Gefühl, dass für mich in Sachen Kunst neue Blickwinkel erschlossen wurden und nicht mehr alles „grau in grau“ erscheint.“ 

Foto Galerie

Mies van der Rohe Haus, Oberseestr. 60, 13053 Berlin

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Das Mies van der Rohe Haus: Seit 1977 steht das Gebäude unter Denkmalschutz.

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