Seit zehn Jahren ist der Klinkerbau eine kommunale Ausstellungshalle. Neben den drei Ausstellungsräumen gehört auch ein kleiner Vorgartenbereich dazu, dessen Installation „A Star for Mies“ den Architekten des Hauses ehrt. An den Wänden der Räume hängen die Exponate des vierten und letzten Teils der Gruppenausstellung „HAUPTSACHE GRAU“ mit dem Titel „Konstruiertes Grau“
Grau – das Stiefkind der Kunst
In Anbetracht der Tatsache, dass Grau für viele zunächst recht unscheinbar und eintönig daher kommt, stellt sich natürlich die Frage, wie die Idee entstanden ist, der Farbe eine vierteilige Ausstellung zu widmen. Michael Bleyl, Professor an der Kunsthochschule Weißensee, der sich schon lange mit dem Thema Farben auseinandersetzt, erklärt es so: „Ausgangspunkt ist, dass es bereits unheimlich viele Ausstellungen, Publikationen und Arbeiten zu den verschiedensten Farben gibt. Weiß und Schwarz, beispielsweise, sind sogar mehrfach „gewürdigt“ worden. Es sind natürlich Farben, die von vorne herein einen gewissen Glanz besitzen. Doch uns ist aufgefallen, dass sich nirgends wirklich mit der Farbe Grau beschäftigt wurde. Wenn sie nicht gerade als Steinfigur verarbeitet wird, fehlt ihr die Betrachtung.“
Bisher wurde Grau also in der Kunst recht stiefmütterlich behandelt – als wäre es wirklich unscheinbar. „Alle haben sich irgendwie vor dem unscheinbaren Grau ‚gedrückt‘. Ich denke vor allem, weil es für viele immer ein wenig negativ behaftet ist“, so Bleyl.
Die Wahrnehmung schärfen
Wita Noack gesteht, zunächst Bedenken gehabt zu haben. „Ein Jahr grau – was werden die Leute dazu sagen?“ Doch die Befürchtungen sind unberechtigt. Die Ausstellung wird von Presse und Besuchern positiv aufgenommen. „Es gibt wirklich viele Liebhaber von Grau, die sich zur Ausstellung auch themengerecht gekleidet haben.“ Das Ziel des vierten Teils der Ausstellung „Konstruiertes Grau“ ist es, „die Wahrnehmung für die Farbe zu schärfen.“ Wita Noack wünscht sich, dass die mit bestimmten Vorstellungen behafteten Dinge einmal anders betrachten werden. „Das menschliche Auge kann verschiedene Grautöne unterscheiden. Und mit etwas Übung kann der Mensch noch sehr viel mehr Farbnuancen von Grau sehen lernen.“
Auf der anschließenden Führung durch die Ausstellungsräume bekommt man durch die ausführlichen Erläuterungen von Frau Dr. Noack tatsächlich das Gefühl: Grau scheint wirklich nicht so langweilig und eintönig zu sein, wie zunächst empfunden. Selbst als der Blick auf ein zunächst völlig graues Viereck fällt, erreicht Frau Dr. Noack durch die Beschreibung des Bildes, dass man sich mehr auf das Exponat einlässt und die Idee dahinter erkennt. Die Ausführungen lösen den „grauen Schleier“, der sich dem einen oder anderen Betrachter unwillkürlich vor die Augen zu legen scheint.
Fazit: Auch wenn eine Ausstellung – ausschließlich zum Thema Grau – zunächst einige Skepsis hervorruft, tut der Zweifler gut daran, sich nach Alt-Hohenschönhausen zu begeben um sich von den unterschiedlichen Darstellungsarten einer fast unscheinbaren Farbe neu inspirieren zu lassen. Für den Kunstprofessor Michael Bleyl ist in Sachen „Grau“ noch nicht das letzte Wort gesprochen, das Themengebiet noch lange nicht ausgeschöpft.
„Ich finde, den Kuratoren ist es gelungen, eine interessante Ausstellung zu gestalten. Zugegeben, meine Skepsis war recht groß, bevor ich die Ausstellungsräume des Mies-Van-der-Rohe-Hauses betreten habe. Ich bin ein Mensch, der zunächst seine Schwierigkeiten hat, sich in Kunst – die, wie hier, doch recht minimalistisch und „eintönig“ daherkommt – hineinzufühlen. Ich brauche also jemanden, der mir, wie Frau Dr. Noack, den Gedanken zum Ausstellungsstück erklärt und näher bringt – in vielen Ausstellungen fühlt man sich als Betrachter doch recht allein gelassen. Ich hatte nach dem Verlassen der Räumlichkeiten doch das gute Gefühl, dass für mich in Sachen Kunst neue Blickwinkel erschlossen wurden und nicht mehr alles „grau in grau“ erscheint.“