Im Eingangsbereich tummelten sich hundert Jugendliche, an Tischen lagen Broschüren von Parteien aus, in der Luft hing der schwere Geruch von deftigem Essen – obwohl nur Häppchen zu sehen waren. Durch das Foyer liefen bebrillte Mädchen in Röhrenjeans und Jungs in bunten Sneakers. Alle grinsten hinter ihren Zahnspangen und unter ihrem Oberlippenflaum. Da stutzte man unweigerlich, wenn manche von Ihnen Schildchen trugen, die sie als Vertreter einer Partei auswiesen. Die Grenzen zwischen Politikern und Schülern verschwammen gestern beim Political Speed-Dating im Jugendzentrum Grenzallee in Neukölln. Und das war der sympathische Nimbus der Veranstaltung.
Da mischten sich die Mittelstufler der Albert-Einstein-Schule mit der Oberstufe des Leonardo-da-Vinci-Gymnasiums, Helmholtz-Schule traf auf Jugendclub Feuerwache – und alle stellten sie ihre Fragen an die angereisten Parteimitglieder von SPD, Grüne, CDU, FDP, Linke und den Piraten. Die hatten es sich nicht nehmen lassen, sich in den Blitzrunden den Fragen der Schülerinnen und Schüler auszusetzen. Zwei Minuten – drei Fragen, danach weiter zum nächsten Tisch. So waren die Regeln. Ein klassisches Speed-Dating, nur dass die Jugendlichen keinesfalls die Liebe fürs Leben, sondern die Partei ihres Vertrauens suchten.
Jugendliche Neugier statt pubertärer Unsicherheit
Seit langem ist den Parteien, gerade der jugendnahen Basis klar: Politikverdrossenheit der Jugend ist ein Mythos, eine Ausrede dafür, dass sich kein junger Erwachsener mit lahmen Versprechungen aus der Reserve locken lässt. Und gegen die vielleicht zu Recht existente Parteienverdrossenheit sind die zumeist jungen Vertreter gestern authentisch vorgegangen. Volle Sympathieschiene, mit hochgekrempelten Ärmeln voran zum nächsten Dating-Tisch. Beherzte Händedrucke, konsequent geduzt, zwei Minuten lang ehrliche Antworten, schnell gesprochen, vorgebeugt mit den Ellenbogen auf den Tischen, gelben Chucks und rosa Socken an den Stuhlbeinen wippend.
Keine Maskerade alter Parteivorsitzender, die sich den „Kids“ anbiedern wollten, sondern blutjunge, engagierte Jungpolitiker – parteiübergreifend locker angezogen. Zwei Sakkos konnte man im Speed-Dating-Raum im Obergeschoss zählen, eines davon trug Direktkandidatin Christina Schwarzer von der CDU, der Schülermoderator das andere. Alles nur Beiwerk, auf Schauwerte konnte sowohl während des Speed-Datings, als auch bei den Parteiständen unten im Foyer getrost verzichtet werden.
Interesse nicht nur an Jugendthemen
Während sich die Moderation und die Leiter des Jugendzentrums noch ein bisschen ärgerten, dass mal ein Mikro ausfiel, mal der Ton der Liveübertragung zwischen Dating-Raum und Foyer stockte, haben sie hoffentlich auch bemerkt: Gerade die technischen Mängel ließen die Gruppen noch näher zusammenwachsen, machten den Austausch noch direkter. Die Jugend amüsierte sich köstlich. Apropos köstlich: Nach dem Dating dann endlich, wonach es schon die ganze Zeit unten im Eingangsbereich roch, wohl verdiente Chili con Carne (auch Veggie!) für alle.
Heute findet ein weiteres politisches Speed-Dating in Zehlendorf statt: Ab 18:00 Uhr sind Bürgerinnen und Bürger in das Mehrgenerationenhaus Phoenix, Teltower Damm 228, eingeladen.