„Waren Sie früher öfter hier?“ Johannes Heisig, ein groß gewachsener 58-Jähriger, schüttelt den Kopf. Einmal hätte er mit seinen Sprösslingen das Sport- und Erholungszentrum besucht. Das war der Tag nach dem Mauerfall. Das Wasser sei ruhig und schön gewesen, niemand war da. Sonst warteten meist die Ost-Berliner Massen vor den Türen, um zum Kegeln oder Eislaufen, in die Sauna oder ins Badebecken zu kommen. „Es war, als seien an diesem Tag alle anderen in West-Berlin.“ Nach nunmehr fast 22 Jahren hat Heisig, Sohn Bernhard Heisigs, des berühmten Vertreters der Leipziger Schule, sein Atelier in dem leer stehenden Trakt des teilweise wieder als Sportzentrum genutzten SEZ eingerichtet.
Am 27. August, wenn die Lange Nacht der Museen Berliner Besucher lockt, stellt er 17 seiner Werke aus. Davon und durch den Gedichtzyklus „Crow“ des englischen Dichters Ted Hughes inspiriert, sollen ein Lesung und Art Performance präsentiert werden. Der Regisseur Wolfgang Krause Zwieback und der Filmkomponist Henning Lohner arbeiten daran. Seine „Krähe“-Zeichnungen präsentiert der Künstler anschließend als Ausstellung mit dem Namen „Übergänge“ bis Mitte Oktober im SEZ. Gleichzeitig ist Heisig mit zwei weiteren Ausstellungen sowohl im Willy-Brandt-Haus in Kreuzberg (23.8.-16.10) als auch in der Galerie Son in Mitte (27.8.-22.10) vertreten.
Verfall und Wiederaufbau des SEZ
Heisig, einstiger Rektor an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden, ist der erste Künstler, der sich in den halbfertig restaurierten Innensportpark an der Ecke Danziger Straße/Landsberger Allee wagt. Als es vor 31 Jahren eröffnete, war das große, voll ausgestattete Sport- und Freizeitzentrum ein Vorzeigemodell der DDR-Führung, das zu der Zeit einzigartig war und von den Ostbürgern gern besucht wurde. Nach dem Mauerfall ging es mit dem Komplex langsam dem Ende entgegen: Vom Land Berlin kamen keine Mittel für akut notwendige Sanierungsarbeiten, und so wurden nach und nach die Anlagen stillgelegt, bis Ende 2002 das Licht endgültig ausgeschaltet wurde.
Für einen symbolischen Euro ging dann im Folgejahr das heruntergekommene Gebäude an den Leipziger Investor Rainer Löhnitz, der einen Teil davon erneut als Sportzentrum der Öffentlichkeit zuführen konnte. Heute benutzen Besucher wieder die Sauna, nachdem sie Federball, Tischtennis oder Volleyball gespielt haben, oder sie bowlen eine Runde. „Die Auflagen vom Liegenschaftsfonds lassen mir in allen wirtschaftlichen wie strukturellen Entscheidungen freie Hand“, sagt Löhnitz.
Sport und Kultur an einem Ort
Jetzt plant Löhnitz neben dem Sportangebot einen Ort für Kunst und Kultur zu entwickeln. „In einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen klassischem Handwerk, Hightech und Kunst“, umschreibt es der 48-Jährige vage. Er träumt von einer langen Freiluftgalerie für angehende Künstler und von großen Arealen mit Blick auf die Sportanlagen, wo Werke und Projekte ausgestellt werden können.
Im Augenblick liegt der Teil, den er sich dafür vorstellt, aber noch im Dornröschenschlaf. „Der Ort kann sich seine Verschlafenheit leisten“, erklärt Löhnitz. „Dieses zum Repräsentieren erbaute Objekt zu erhalten, aber nichts Triviales daraus zu machen – das ist mein Ziel“, sagt er. Zu diesem Zweck schrecken ihn auch ungewöhnliche Ideen nicht ab: Im kommenden Jahr hat er vor, auf der früheren Eissportfläche eine Reithalle zu eröffnen. Seit 2008 werden deswegen für Löhnitz im Fläming 25 Haflingerpferde herangezogen.
SEZ als Selbsfindungsort für Nachwuchskünstler?
Heisigs heutige künstlerische Werkstatt war früher eine Kampfsporthalle, nun öffnet ein Fenster den Blick auf die zukünftige Reithalle. An den Wänden hängen in dem oktogonalen Raum die „Krähe“-Zeichnungen: Man sieht Liebe, Tod und Gott, die Basisfragen menschlichen Seins. Ein Schachbrett nimmt den Tisch ganz ein, ein Beckett-Zitat hängt zwischen den Bildern: „Ich bin nicht unglücklich genug. Das war immer mein Unglück.“
Die bereits eröffnete Ausstellung im Willy-Brandt-Haus bezieht sich auf das wiedervereinte Berlin. „Ich mag die Unfertigkeit und Polyfonie der Stadt, aber ich möchte hier heute nicht als junger Künstler starten“, sagt Heisig. Neue, junge Künstler stünden unter einer hohen Anspannung: „Manche Galerien gehen in die dritten Semester der Kunsthochschulen und suchen dort schon ihren nächsten Star.“ Da bliebe keine Zeit mehr für langsame Entwicklung und Selbstfindung. Das SEZ könne möglicherweise für diese Leerstelle eine Lösung bieten, hofft Heisig. Der Platz dafür ist vorhanden, Ideen auch. So braucht es nur noch, so scheint es, ein ausgereiftes Konzept.
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