Wie gemein, alle haben immer mindestens eine Großmutter, die ihnen geschliffenes Kristallglas hinterlassen hat oder verschnörkelte Porzellanterrinen von KPM, gestärkte weiße Leinenhemdchen mit Spitze oder mit roten Monogrammen bestickte Tischwäsche. Ich nicht. Egal jetzt, denn von Berlin aus ist der Nostalgiehimmel nicht weit. Er liegt einen Katzensprung hinüber nach Wandlitz im Nordwesten der Stadt und von dort noch ein kurzes Stück weiter bis zum nördlichsten Ortsteil Zerpenschleuse.
Ein ideales Ziel auf einer Radtour oder einer Wanderung. Entzücken schon auf der Brücke: Welch ein friedlicher Blick auf Wasser, Boote, wild bewachsene Ufer und alte Schifferhäuschen. Vor einem liegt – nomen est omen – der „Lange Trödel“, ein stehendes Gewässer, ein alter Teil der Wasserstraße Finowkanal, ein Ort, an dem Glashütten standen, pittoresk wie eine holländische Gracht.
Sie sammelt schon ewig alte Sachen
Ines Schweighöfer trifft man wahrscheinlich drinnen am Tresen ihrer Antikscheune, vor Regalen, brechend voll mit wunderbarem weißen Porzellan, oder in einem der drei anderen Räume auf den 100 Ladenquadratmetern. Man erkennt die Inhaberin gleich in all der von ihr selbst dekorierten Zimmerpracht, sie wirkt, als käme sie aus der Zeit dieses Mobiliars: mädchenhaft in gestreiftem Kleid und Spitze, Zöpfe im blonden Haar, dicke, weiße Strickstümpfe in derben Schnürstiefeletten, kecke Augen, feines Lächeln. Ines Schweighöfer, 50, vormals Tänzerin an der Komischen Oper, Puppenbauerin und -spielerin, Fotografin und mehr, sammelt schon ewig alte Sachen. Damit bestückte sie erst ihren Antikladen neben dem Deutschen Theater in Berlin und zog, als das Haus luxussaniert werden sollte, hinaus nach Zerpenschleuse, in das Häuschen neben der Scheune.
Dass die Antikscheune nun ein Ort ist, an dem man Stunde um Stunde stöbern und Liebhaberstücke entdecken kann, habe sie ihrem Mann zu verdanken, sagt sie. Er hat das Geschäftshäuschen für sie gebaut, im Sommer 2011 wurde es eröffnet, und Ines Schweighöfer wusste gleich, das ist es, was sie immer wollte.
Die ganze Zeit wäscht und bügelt und näht sie oder arbeitet all die schönen alten Sachen auf: Besticktes und Spitze, komplette Aussteuersammlungen mit Porzellan und Silberbesteck, Leinentücher und Läufer, Glas mit Gravur und Nippes, Kleidung aus der Zeit zwischen 1800 und 1950, bäuerliche Möbel und tönernes Küchenzubehör, Silbergefäße und hübschen alten Schmuck und ihre eigene kleine Kleiderkollektion. Immer wieder mal bekommen die Zimmer ein anderes Gesicht, alle paar Wochen muss sie umdekorieren, sie kann nicht anders. Nichts liegt oder steht einfach so in Verkaufsregalen, jedes Stück wird präsentiert wie ein kleiner Star als Teil der Einrichtung, schöner als in jedem Heimatmuseum.
Leute mit Raritäten kommen häufig zu ihr
Manches will sie gar nicht hergeben, etwa das Kleid aus Batist mit alter Spitze, das sie vorn am Fenster auf eine Schneiderpuppe drapiert hat und das man in aller Ruhe bewundern kann, während man nach dem Einkauf neben dem Eisenofen einen Kaffee schlürft und von frisch gebackenem Kuchen probiert. Vielleicht geht dann die Tür auf und Ines’ freundlicher bärtiger Mann, der Schauspieler Michael Schweighöfer, kommt rein, grüßt nett und sagt zu seiner Frau im Vorbeigehen: „Ich hab’ Fleisch gekauft. Heute Abend gibt’s Gulasch.“ Da kann man sie dann noch mal strahlen sehen.