Es herrscht gute Stimmung beim Mittagsgebet: Drei Leute zwängen sich abwechselnd in die schmale Kabine, mal plärrt Musik, mal plärren Stimmen heraus, zwischendrin lachen sie und stecken tuschelnd die Köpfe zusammen. Die Minigruppe vor dem eigenartigen Automaten fällt richtig auf in der Arminiusmarkthalle in Moabit.
Grund fürs Interesse ist der sogenannte Gebetomat, eine umgerüstete Fotobox, die der Weddinger Künstler Oliver Sturm erfunden hat. Zehn davon wandern seit 2008 durch die Welt. Vier stehen in Berlin, die anderen in Karlsruhe, Frankfurt am Main und im Allgäu.
300 Gebete in 65 Sprachen sind im Inneren abrufbar. Zwiesprache mit Gott aus den großen Weltreligionen Christentum, Islam, Hinduismus, Judentum und Buddhismus sowie aus völlig ungeahnten kleinen. Und die quirlige Dreiergruppe – eine junge Irin, die in Berlin lebt, und ihre Eltern – hat augenscheinlich jede Menge davon ausprobiert. „Ist ein großer Spaß da drinnen“, sagen sie. Spaß? Beim Beten? „Ja, wegen der exotischen Sprachen und der Musik“, sagt die Mutter, „jetzt suchen wir noch das passende Essen dazu“. Klingt mehr nach Kuriositätenshow als nach religiöser Erbauung. „Beides funktioniert“ findet die Tochter, die die Eltern extra hergelotst hat.
Vaterunser zwischen Brathähnchenduft
Drinnen ist es eng und dunkel. Und wo beim Fotoautomat der Monitor zur Bildauswahl sitzt, leuchtet hier der Touchscreen blau. Tippt man drauf, erklingt nicht die Stimme Gottes. „Guten Tag, willkommen im Gebetomat“, wispert eine Frauenstimme und gibt Servicetipps wie bei einer Telefon-Hotline. Die Auswahl ist gewaltig, allein das Vaterunser gibt es in schier unzähligen Variationen zu hören: auf Plattdeutsch, vorgetragen von vietnamesischen Freikirchlern, gesungen von Papst Benedikt. Und erst die historischen Aufnahmen: Jakuten singen zur Schamanentrommel und irgendein Missionar hat 1908 sogar im fernen Afrika zum Christentum bekehrte Zulus beim Rosenkranzgebet aufgenommen. Ulkig und ethnologisch interessant, aber Beflügelung des Gemüts fühlt sich irgendwie anders an.
Von draußen lärmen die Gebläse der Markthalle in die enge Kabine, Brathähnchenduft dringt herein. Und „Ich bin klein, mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein“ ist auch nicht verfügbar. Ein Versuch noch: Augen zu, Vaterunser an. „Vater unser, der Du bist im Himmel, geheiligt werde Dein Name“. Ratsch, der Vorhang erhebt sich. Wer stört die Andacht? War ja klar, das dänische Fernsehen. Die wollen auch was bringen über den Automaten Gottes in einer Markthalle. Und die Händler? Finden’s dämlich. Ist eben nichts für bodenständige Marketender, so ein Kunst-Ding. Und für Gottsucher? Nur wenn sie gern Hähnchen essen.