Friedrichshain-Kreuzberg setzt der Kneipenvermehrung im Bezirk ein Stopp-Schild entgegen. In der Grimmstraße nahe der Admiralbrücke wurde die Eröffnung eines Weinlokals verboten, teilte der grüne Baustadtrat Hans Panhoff mit. Der Kneipen-Stopp soll helfen, den Kiez-Charakter der Gegend vor der „zunehmenden Ballermanisierung“ zu schützen. Die Grimmstraße ist zwar noch nicht mit Kneipen und Cafés übersät, gehört aber zum Graefekiez, der von vielen Touristen besucht wird und auch als Wohngebiet nachgefragt ist.
Stadtrat Panhoff möchte mit dem Verbot den „Verdrängungswettbewerb“ unter den Gewerbetreibenden eindämmen. Kleine, seit langem im Kiez verwurzelte Händler seien neu eröffnenden Bars und Restaurants nicht gewachsen. Außerdem würden Anwohner durch Kneipenlärm und den Wegzug von Geschäften benachteiligt. „Damit werden die Kieze unattraktiver, sowohl für Bewohner als auch für Besucher“, sagt Julian Schwarze (Grüne), Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses in der Bezirksverordnetenversammlung.
In Schöneberg hat der Kneipen-Stopp schon funktioniert
Im Fall einer Dönerbude am Nollendorfplatz konnte sich der Bezirk allerdings nicht durchsetzen. Dort beginnt ein Mischgebiet, in dem Wohnen nicht die höchste Priorität hat. Der ehemalige Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), war dem Beispiel von Tempelhof-Schöneberg damals nicht gefolgt. Er hielt es rechtlich für nicht durchsetzbar, in die Gewerbefreiheit einzugreifen.
Kneipenbewerber legte keinen Widerspruch ein
Seine Nachfolgerin Monika Herrmann hat offenbar weniger Hemmungen. Sie machte vor kurzem mit dem Vorschlag Furore, Benimmregeln für Touristen zu formulieren. Statt immer mehr Besucher nach Berlin zu locken, sollte mehr auf Qualität geachtet werden. Nach Angaben von Julian Schwarze hat der Kneipenbewerber in der Grimmstraße keinen Widerspruch gegen die Nicht-Erteilung der Genehmigung eingelegt, deshalb werde es wohl nicht zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen.
In vielen Fällen erfolgt die Nutzungsveränderung schleichend. Weil klassische Dienstleister wie Fahrradwerkstätten oder Waschsalons nebenbei ein kleines Café betreiben, kann sich daraus über längere Zeit ein gastronomischer Betrieb entwickeln, obwohl er nicht als solcher angemeldet wurde. In Kneipenzonen wie Bergmannstraße, Falckenstenstraße oder Simon-Dach-Straße kommt der Kneipen-Stopp eigentlich zu spät.
Vorschlag: Tourismuszonen ausweisen
Ein zweiter Vorschlag könnte allerdings noch für erheblichen Wirbel sorgen. Um die ausufernden Schankvorgärten zu begrenzen, könnte der Bezirke Gebiete festlegen, die stark touristisch genutzt werden. In diesen Gebieten würde das Straßenamt dann festlegen, dass Tische und Stühle nur noch direkt an der Hauswand aufgestellt werden dürfen. Auch eine intensivere Kontrolle der Schankvorgärten wäre denkbar. „Nach Einschätzung des Rechtsamts ist das grundsätzlich möglich“, sagt Stadtrat Peter Beckers (SPD). „Das sind aber alles noch Planspiele. Es gibt auch keine Eile, der Sommer ist ja vorbei.“
Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga lehnt solche Planspiele rundweg ab. „Damit schadet sich der Bezirk nur selber. Wir sind hier nicht Kleinkleckersdorf“, sagt Dehoga-Geschäftsführer Thomas Lengfelder. Bisher wurde versucht, in einem Dialogverfahren zwischen Anwohnern und Wirten zu vermitteln, um Lärmkonflikte zu lösen, „das reicht aber nicht aus“, sagt Beckers. Lokalpolitiker Schwarze könnte sich vorstellen, die Straßennutzungsgebühren anzuheben. Die Wirte würden mit einem großen Schankvorgarten ihrem Umsatz leicht verdoppeln. Die pro Quadratmeter erhobenen Gebühren fielen da kaum noch ins Gewicht.
Der Runde Tisch Tourismus, an dem Dehoga, Clubcommission, Bezirk und Visit Berlin beteiligt sind, will im Herbst mit einem ersten konkreten Projekt auf Partytouristen und Kneipengäste einwirken. Professionelle Pantomimen sollen nach Pariser Vorbild durch die Kneipenstraßen ziehen und mit kleinen Spielszenen die Gäste unterhaltsam zur Mäßigung auffordern. Das Projekt sei in Paris erfolgreich gewesen, sagt Lengfelder. Die Partner des Runden Tisches würden für das Pilotprojekt einen fünfstelligen Betrag aufwenden.