Bürgerinitiative "Politische Baumscheibe"

Den Kreuzberger Kiez verschönern

Auch in der Reichenberger Straße in Kreuzberg setzen sich Anwohner für die Verschönerung des Kiezes durch "Urban Gardening" ein.
Auch in der Reichenberger Straße in Kreuzberg setzen sich Anwohner für die Verschönerung des Kiezes durch "Urban Gardening" ein.
In der Reichenberger Straße nehmen die Anwohner die Gestaltung ihres Kiezes in die eigenen Hände. Gemeinsam verwandeln sie Baumscheiben in blühende Beete. Trotz des großen Zuspruchs steht im sensiblen Kreuzberger Kiez auch der Vorwurf der Gentrifizierung im Raum. Am 15. September sind alle interessierten BerlinerInnen zum Diskutieren und Mitmachen eingeladen.

Die beiden Gärtnerinnen Brita Bredel und Karin Biel stehen gebückt in einem kleinen Beet auf der Reichenberger Straße und beseitigen Unkraut. Neben ihnen macht ein Schild in drei Sprachen auf das Engagement der Bürgerinitiative „Politische Baumscheibe“ aufmerksam: „Sie betreten den von Bürgern bepflanzten Sektor“, ist dort in englischer, französischer und türkischer Sprache zu lesen.

Seit drei Jahren setzt sich die Kreuzberger Nachbarschaft aktiv für die Gestaltung ihres Kiezes ein. „Wir glauben, der Bezirk ist weder finanziell noch personell in der Lage, sich so um die Flächen zu kümmern, wie wir uns das vorstellen“, erklärt die 44-jährige Brita Bredel. Sie organisiert das Engagement der Anwohner und koordiniert die Bepflanzung der Baumscheiben. Eine beteiligte Mediengestalterin betreut die Website der Bürgerinitiative und kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit.

Gemeinsames Engagement

Eine Kita und ein Café beteiligen sich an den Pflanzaktionen, eine Apotheke betreut auf einer der Baumscheiben einen Kräutergarten und immer zwei aktive Mitglieder werden mit dem Gießen der Pflanzen betraut. Inzwischen ist der Einsatz der BürgerInnen offiziell geworden: Für die Baumscheiben wurde mit dem Bezirk ein Pflegevertrag abgeschlossen.

Trotzdem sei die Verwaltung in Bezug auf die Baumscheiben teilweise recht unsensibel, so Bredel. „Wenn Arbeiter zum Beschneiden der Bäume vorbeikommen, müssen wir schon mal sagen, Vorsicht, Sie stehen da mitten in einem Blumenbeet.“ Auch mit übereifrigen Mitarbeitern des Bezirksamtes muss sich die Initiative auseinandersetzen: Kurzerhand werden Blumen beschnitten – laut dem zuständigen Amt ein „Abstimmungsproblem“.

Auch von Seiten der Passanten werden die Beete nicht immer pfleglich behandelt. Häufig rupfen Spaziergänger Blumen aus und sind um eine Ausrede nicht verlegen. „Da hört man lustige Geschichten, etwa: Ich bin so verliebt und brauche dringend Blumen“, berichtet Bredel. Im Einsatz gegen übereifrige Hunde erzielt man leichter Erfolge: Durch um die Baumscheiben gespannte Schnüre kann man die Vierbeiner davon abhalten, zwischen den Blumen ihr Geschäft zu verrichten.

Viele Anwohner seien von der Baumscheiben-Initiative in der Reichenberger Straße angetan, so Bredel. „Da steht dann schon mal ein von oben bis unten tätowierter Punk vor dem Beet und freut sich über die Blütenpracht.“

Gentrifizierungs-Debatte

Trotz aller Erfolge müssen sich jedoch auch die engagierten Gärtner mit der Gentrifizierung des Kreuzberger Kiezes auseinandersetzen. Nicht nur, weil viele langjährige Bewohner aufgrund der Preis- und Mietsteigerungen um den bezahlbaren Wohnraum fürchten. Auch die Initiative selbst wird angeklagt, eine Mitschuld an der Aufwertung des Kiezes zu tragen. „Es haben uns schon Leute vorgeworfen, dass wir Mitschuld an den Mieterhöhungen haben, weil wir mit unserer Arbeit die Wohngegend aufwerten“, bedauert Bredel.

Damit würden die Mitglieder der „Politischen Baumscheibe“ in einen Gewissenskonflikt gestürzt: „Wir wollen unseren Kiez verschönern. Aber gleichzeitig müssen wir fast aufpassen, dass er nicht zu schön wird. Eine gewisse Unordnung soll ja bleiben.“

Wer sich über das Engagement der Anwohner in der Reichenberger Straße informieren möchte, ist am 15. September anlässlich des Aktionstages „Berlin – unsere saubere Stadt: Mach mit!“ um 10.30 Uhr zum gemeinsamen Pflanzen, Helfen und Diskutieren eingeladen. Treffpunkt ist die Reichenberger Straße 98. Weitere Informationen zur Initiative unter: diepolitischebaumscheibe.wordpress.com

 


Quelle: Der Tagesspiegel

Den Kreuzberger Kiez verschönern, Reichenberger Straße 98, 10999 Berlin

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