„Berlin ist eine super Stadt! Sie ist in guter und auch in schlechter Hinsicht herausfordernd. Diesen Kontrast spürt man hier überall“, erklärt Künstler Hans Kempel die Faszination der Hauptstadt. Nach Berlin hätte er in keine andere Stadt mehr gehen können, so der gebürtige Westphale, der seit rund 15 Jahren hier lebt – zehn davon in Neukölln. Sein Atelier hat er mittlerweile aufgegeben. Lieber arbeitet er direkt vor Ort, zum Beispiel im Wald oder bei seinem jeweiligen Auftraggeber.
Als Bildhauer arbeitet der 69-Jährige vor allem mit Holz. Kettensäge, Axt und Schleifmaschine zählen zu seinen Werkzeugen. Mit ihnen fließt Energie in den Arbeitsprozess und auch in die Skulpturen selbst, die sich wiederum auf den Betrachter überträgt, wenn die jeweiligen Stücke erst einmal fertig sind. Seine Werke fanden unter anderem schon in den Büroräumen eines großen deutschen Autoherstellers Anklang. Aber auch Privatleute schätzen seine Kunst, deren Ursprung stets in Berlin steckt. Denn in seiner Stadt küsst Kempel die Muse.
„In Berlin muss man aktiv sein!“
„Hier kann man sich nicht ausruhen, hier muss man aktiv sein“, beschreibt der ehemalige Lehrer (Deutsch, Geschichte und Kunst) seinen Schaffensdrang. Zudem hat Berlin viel Wasser. Dadurch sei alles im Fluss und eben sehr inspirierend, so der Feng Shui-Fan. Kempel setzt ich in seiner Kunst aber nicht nur mit Holz auseinander. In den letzten Jahren arbeitete er zunehmend auch mit Texten. „Ich habe mich gefragt, wie ich Leute anders erreichen kann“, erklärt der Neuköllner den neuen Weg in seinem Werk. Die heutige Verflachung der Sprache, die durch das Internet und andere Medien voranschreite, hätte ihn als Künstler außerdem dazu gebracht, seine poetische Seite zum Vorschein zu bringen. „Ich fahre voll auf Rilke ab. Durch solche Poesie entstehen Räume. Das fasziniert mich!“, sagt Kempel.
Ein Beispiel für seine Wortkunst ist das Hotel Otto in Charlottenburg. Hier hat der Künstler, der früher auch als Ausstellungsdesigner in Museen tätig war, Worte an die Wände gemalt. Über sechs Etagen sowie das Foyer und die Lounge erstrecken sich Verse, die an die traditionelle japanische Gedichtform Haiku angelehnt sind. Inhaltlich geht es dabei vor allem um bestimmte Berliner Situationen: Ob in der U-Bahn oder im Sommer auf der Parkbank – in den Texten spiegelt sich die Atmosphäre der Hauptstadt wider. „So entstehen bei den Gästen des Hotels Assoziationsbilder“, erkärt er.
Häslein hüpf
Kempel hat aber schon wieder das nächste Projekt vor Augen: „Der öffentliche Raum reizt mich! Ich möchte gern etwas in den Straßen Berlins schaffen“, erzählt er aufgeregt. Doch zunächst geht es erstmal in seine alte Heimat nach Westphalen, wo er auf einem Bauernhof in Xanten mit zwei Skulpturen beauftragt wurde. Ohne ab und an eine kleine Pause von der „einzig urbanen Stadt in Deutschland“ zu haben, wie Kempel sich ausdrückt, geht es eben doch nicht. Dafür ist es dann umso schöner, wieder nach Hause zu kommen!