Um gleich mal die erste Frage vorweg zu nehmen: Ja, Laura Berlin heißt wirklich so – und geboren ist sie auch noch in Berlin und zwar in Friedrichshain. Inzwischen lebt die Schauspielerin aber mit ihrem Freund, einem Kater und fünf Hühnern auf dem Land im Norden Brandenburgs. Ihren Durchbruch feierte Laura mit ihrer Rolle in der Romanverfilmung der Edelstein-Trilogie von Kerstin Gier. Die große Fanbase des Films erklärt auch, warum sie fast 50.000 Fans auf Instagram hat, obwohl sie nur gelegentlich postet und kein Fan von Social Media ist. Am 1. Februar ist sie im ARD Kroatien-Krimi Mord auf Vis zu sehen, in der es neben einem schrecklichen Verbrechen auch um eine besondere Vater-Tochter-Geschichte geht.
QIEZ: Wie bist du in Brandenburg gelandet?
Laura: „Nach dem Abi sind fast alle meine Freunde weg und ich war beruflich viel unterwegs, in dieser Phase meines Lebens hat mir Berlin wenig gegeben. Die Stadt ist so laut und trubelig, darin kann man sich schnell verlieren, gerade als junger Mensch. Das Gefühl des Suchens und diese Gedanken Was soll ich machen, wo will ich hin, was soll ich sein? sind in der Stadt viel lauter. Man ist ständig überfordert vom Überangebot und der Geist kommt ganz durcheinander, das war zumindest meine Erfahrung. Ich brauchte einen Ort, wo ich wirklich runterkommen und abschalten kann.“
Weiter weg von Berlin würde sie aber nicht ziehen, da hänge sie dann doch zu sehr an ihrer Heimatstadt und dem kulturellen Angebot. Überhaupt ist sie für ihren Job oft in der Hauptstadt, um sich eine „Dosis Stadt zu holen“, wie die 27-Jährige sagt. Aber Brandenburg ist inzwischen ihre neue Heimat: „Ich liebe es, in Brandenburg zu wohnen. Auf dem Land wirst du viel sensibler für die kleinen, schönen Dinge im Leben und dein Fokus verlagert sich auf ganz profane, bodenständige Dinge. Das Landleben holt dich aus deiner Blase heraus und du lernst, ein bisschen klarer aufs Leben zu gucken. Den Sonnenaufgang oder meine Hühner zu beobachten ist das Schönste. Es klingt abgedroschen, aber es sind die kleinen Wunder, die dich näher ans Leben bringen.“
„Ich verstehe Mode einfach nicht“
Laura Berlin dreht nicht nur gerne Fantasy-Filme, sondern liebt dieses Genre auch privat: „Leider werden viel zu wenig Fantasy-Filme gedreht. Gerade früher habe ich viele Fantasy-Filme gesehen und konnte alle Herr der Ringe-Teile mitsprechen. Sogar heimliche Zettel auf Elbisch haben meine beste Freundin und ich uns in der Schule zugesteckt. Aber Deutschland ist eben ein Krimi-Land.“ Davon profitiert sie natürlich auch selbst, denn die zierliche Wahl-Brandenburgerin spielte auch schon bei diversen SOKO-Reihen, sowie bei Alarm für Cobra 11 mit. „Ich mag Sachen, die schräg und mystisch sind, deswegen wollte ich auch schon ewig die Zyankali-Bar ausprobieren“, sagt sie. Und so gefällt es ihr, nicht nur das brave Schneewittchen im Film zu spielen, sondern auch eine freche Göre mit lila Haaren und bauchfreiem Top im Film Blaumacher.
Nach welchen Kriterien suchst du dir deine Rollen aus?
L: „Grundsätzlich finde ich Sachen, die aus der Reihe tanzen, super spannend. Ich lasse meistens mein Bauchgefühl darüber entscheiden, ob ich eine Rolle annehme, aber natürlich braucht es auch einen gewissen Zugang zur Figur aus dir heraus. Neue Herausforderungen reizen mich immer sehr, so wie eine schwierige Rolle oder eine neue Fähigkeit erlernen zu müssen. Im Blaumacher musste ich zum Beispiel Schlagzeug spielen lernen.“
Der Film Schneewittchen war es auch, der sie aus der Mode– in die Filmbranche holte: Ihre ehemalige Model-Agentur hatte sie dafür gecastet und sie bekam die Rolle überraschend: „Obwohl ich bis heute ein schüchterner Mensch bin, kein Mittelpunkts-Mensch.“ Trotzdem stand sie mit ihren Jobs immer in der Öffentlichkeit: Mit bereits 13 Jahren wurde sie als Model entdeckt – beim Shoppen in den Schönhauser Allee Arkaden. Schnell wurde sie in der Modebranche bekannt. Doch trotz verheißungsvoller Karriere und Jobs für große Marken wie Balenciaga, Boss und Michalsky, war das Modeln immer nur ein Nebenjob für sie.
Warum hast du nicht weitergemodelt?
L: „Ich habe gar nichts gegen die Modebranche, denn Mode ist eine schöne Ausdruckform und Kunst. Aber ich verstehe Mode einfach nicht – obwohl ich schöne Dinge liebe. Mode bedeutet für mich immer: Ich verkleide mich. Ich bin privat eher der Jeans und T-Shirt Mensch, mich stresst es, mich für ein Event einzukleiden.“
Ihre Erfahrungen in der Modebranche waren sehr prägend – im negativen Sinn. Ständig wurde an ihr und den anderen Models etwas ausgesetzt, nie war man gut genug: zu klein, zu dick, zu still. „Es gab ein unausgesprochenes Diktat, wie du zu sein hast, nach diesen Spielregeln wollte ich nicht spielen“, erzählt die sympathische Schauspielerin. Umso glücklicher war Laura auch, als sie mit dem Modeln aufhörte: „Ich möchte mich nicht darstellen müssen. Denn Models sollen immer entweder cool oder niedlich sein, niemand traut sich, seine Meinung zu sagen. Du hörst irgendwann auf zu hinterfragen: Was will ich wirklich?“
Der richtige Anlass für Absinth
Heute weiß sie das sehr gut und erklärt: „Ich würde gerne mehr Musikvideos drehen, da hat man so große künstlerische Freiheit und Ausdrucksmöglichkeiten. Musik bedeutet mir auch persönlich sehr viel, aber heutzutage gibt es leider nur noch sehr wenig Musik mit Bedeutung.“ So war sie auch schon im Video von Prinz Pi zu sehen, den sie auch privat gerne hört. Er ist aber die Ausnahme: „Ich bin eher ein Rock und Metal Mädchen“, so Laura. Wow, das hätten wir nun gar nicht erwartet. Privat geht Laura gerne in Bars, ins SO36 oder in den damaligen Metal-Club K17. In Köln sei sie einmal ganz alleine in einem tollen Club tanzen gewesen und das auch noch fast nüchtern. „Ich bin der Genusstyp und trinke nicht so viel, sondern nur zu bestimmten Anlässen – so wie heute“, sagt sie und nippt an ihrem Glas Absinth.
Du gehst alleine in den Club zum Tanzen? Das klingt aber gar nicht schüchtern…
L: „Ich war lange gar nicht tanzen, weil es mir unangenehm war aufzufallen. Ich habe erst relativ spät für mich entdeckt, wie schön das Tanzen ist und dass es vollkommen egal ist, dass andere vielleicht gucken. Denn Schüchternheit bringt dich nicht weiter im Leben. Introvertiertheit dagegen ist eine Art Schutzfunktion, die habe ich akzeptiert, aber die Schüchternheit nicht, weil sie mich vom Leben fernhält. Und deswegen kämpfe ich dagegen an und überwinde mich.“
Wenn Berlin ein Drink wäre, was wäre drin?
L: „Eine Hälfte wäre irgendeine Fuselbrause, sowas wie Gummibären-Energydrink und die andere Hälfte wäre aus ganz edlen Zutaten wie Gin etwa. Berlin ist eine Stadt der Extreme, bunt und unangepasst. Der Drink wäre so schräg, dass man ihn nicht ganz definieren könnte. Manche würden ihn lieben und manche ganz fürchterlich finden – so wie Berlin eben. Außerdem sollte das Getränk irgendwie auch die Vielfalt der Menschen in Berlin symbolisieren – von Zehlendorf bis Hasenheide.“
Was liebst du denn persönlich an Berlin?
L: „Dass ich mich hier frei bewegen kann und auch die Anonymität. Man kann in Berlin denken und tun, was man will, solange man keinem damit schadet. Und du kannst jederzeit alleine sein oder auch eskalieren – du hast alle Möglichkeiten.“
Und was nervt dich an Berlin?
L: „Ich bin schnell überfordert, wenn zu viele Menschen um mich herum sind. Und Berlin hätte gerade kulturell viel mehr Potential, aber es wird zu stark reglementiert. Dabei könnte Berlin so viel mutiger sein und mehr aus sich machen.“
Welchen Rat würde dir dein 80-jähriges Selbst geben?
L: „Sei mutig und sei dankbar im Moment.“
Was hast du immer in der Tasche?
L: „Handcreme, weil ich mega empfindliche Haut habe, und immer etwas zu lesen – Bücher oder Magazine – und natürlich Kopfhörer für Podcasts.“ Ihre Lieblinge sind derzeit übrigens Fest und Flauschig und auf SWR Die größten Hits aller Zeiten.
Genug gefragt, Laura muss weiter. Wir trinken aus und bedanken uns bei Laura Berlin.
Zum Wohl!