Am Wochenende war das Chaos am Leipziger Platz komplett – aber da war ja Marathon und an Autofahren ohnehin nicht zu denken. Doch auch in den Tagen zuvor deutete sich bereits an, dass es hier, wo am Donnerstag Berlins zweitgrößtes Einkaufscenter „Mall of Berlin“ eröffnet hat, dauerhaft chaotisch zugehen könnte. Der Komplex liegt zwischen Leipziger Straße, Wilhelmstraße und Voßstraße. In der Ost-West-Achse Leipziger Straße staute es sich auch ohne Einkaufszentrum fast immer. Was also passiert, wenn nun tausende Kaufwillige hinzukommen – ob mit Fahrrad, zu Fuß oder mit dem Auto? Investor Harald Huth ist sich sicher: „Das funktioniert.“ Ein Praxistest allerdings bestätigt seinen Optimismus nicht unbedingt. Ein Rundgang um die Mall – und unter der Mall.
Die Haupteinfahrt in die Tiefgarage, unter der Passage mit 981 Stellplätzen für Autos, liegt in der Voßstraße. Eine zweite Einfahrt gibt es von der Wilhelmstraße aus. Über die Voßstraße erfolgt auch die Warenanlieferung. Der Elektronikmarkt Saturn hat dort eine eigene ebenerdige Anlieferzone. Die Waren für die anderen 269 Läden und die Gastronomie werden über die Tiefgarageneinfahrt geliefert. Das bedeutet, dass sich der Verkehr vor allem in dieser Nebenstraße vervielfachen wird.
Am Freitag war die Durchfahrt für Autofahrer Richtung Osten noch verboten, doch an die beiden Verbotsschilder hielt sich so gut wie kein Auto. Da Lieferwagen und Handwerker die komplette zweite Spur zugeparkt hatten – ganztägig –, blieb dort eine Fahrbahn für beide Richtungen. Der Tiefgaragenbetreiber Apcoa hatte eine ganze Truppe von Servicekräften losgeschickt, um Autofahrer in und aus der Tiefgarage zu lotsen. Direkt gegenüber befindet sich das DDR-Vorzeigewohnviertel entlang der Wilhelmstraße, in Höhe der Mall gibt es einen Kindergarten, die Kita „Alegria“. Einfacher wird es für die 45 Kinder nicht, die Straße zu überqueren. Zwar gibt es in Höhe Gertrud-Kolmar-Straße jetzt eine breite Gehwegvorstreckung, damit die Voßstraße leichter überquert werden kann. Doch auch sie war am Freitag stundenlang durch Lastwagen verstellt. Ebenso der Gehweg auf der Innenseite des Leipziger Platzes. Für Fußgänger bleibt kein Platz, sie balancieren auf dem Mäuerchen zwischen Rasen und Gehweg.
Irgendwas ist da schief gelaufen
Leitende Mitarbeiter des Mall-Managements und von Apcoa konnten am Freitag nicht sagen, wie Radfahrer zu den Ständern kommen sollen. Irgendetwas sei da schiefgelaufen, hieß es. Geplant seien insgesamt 240 Fahrradständer, auch auf dem Leipziger Platz und an der Voßstraße. Investor Harald Huth erfuhr erst vom Tagesspiegel, dass es Fahrradständer in der Garage gibt. Huth kritisierte, dass das Tiefbauamt des Bezirks weitere Ständer abgelehnt habe. Pläne gibt es noch mehr: So will die Mall bald Steckdosen für E-Autos und E-Fahrräder anbieten.
Für eine markierte Radspur fehlt der Straße die Breite, da Autos zwei Bahnen pro Richtung haben sollen. In wenigen Tagen werden die Fahrbahnen etwas breiter, weil dann die Baustelle auf der nördlichen Fahrbahnseite abgeräumt wird. Am Freitag wurde hier schon asphaltiert. Doch eine Radspur auf der Leipziger brächte Radfahrern nichts – weil sie zugeparkt wäre. Dies zeigt sich in der Wilhelmstraße. Hier gibt es seit einigen Jahren eine markierte Radspur auf der Fahrbahn, sie ist zugeparkt von Handwerkern, Lieferwagen und Geldtransportern. Der BUND hatte schon im Sommer die Wilhelmstraße als Beispiel einer zugeparkten Radspur genannt. Und nun kommt noch die Mall hinzu.