Von der Schauspielschule direkt auf die Musicalbühne mit Musikerlegende Udo Lindenberg: Josephin Busch startete schon während ihrer Ausbildung so richtig durch – und das, obwohl sie nach nur einem Jahr Musicalschule von der renommierten Universität der Künste (UdK) flog. Dort sagte man ihr, sie habe zu wenig Ellbogen für das Genre Musical: „Es hieß, ich solle mir überlegen, ob ich diese Ausbildung wirklich wolle und das Musical auch meins sei“, erzählt die junge Schauspielerin beim gemeinsamen Kaffee in der Sonne. Josephin trinkt allerdings lieber einen heißen Pfefferminztee als Kaffee. Wie kann es sein, dass die künftige Musicalpartnerin von Udo Lindenberg nicht gut genug für die UdK war?
Die hübsche Berlinerin wärmt sich die filigranen Finger am heißen Teeglas und erzählt uns ganz ohne Groll, dass sie zum damaligen Zeitpunkt einfach nicht ins Schema der UdK gepasst habe. Sie hatte außerdem Angst, das zu verlieren, was sie als Schauspielerin ausmacht. „Dort wurden mir die Augen geöffnet, dass ich mich dagegen entscheiden kann, wenn jemand mich umformen will – auch wenn ich vielleicht rausgeschmissen werde“, erzählt die Schauspielerin von diesem Erlebnis. Denn was ihr immer schon wichtig war, ist ihr Alleinstellungsmerkmal – eine Lektion, die sie später auch von Udo Lindenberg bekam. Josephin will so sein können, wie sie ist und nicht genauso klingen wie alle anderen. Trotzdem sei die UdK eine tolle Schule, vor allem der dortige Fokus auf Method Acting habe ihr sehr gut gefallen. Was damals ein harter Schlag für sie war, erwies sich im Rückblick aber als Glücksfall. Nach dem Musical-Flop startete sie ihre Ausbildung an der ältesten Schauspielschule Berlins Der Kreis und dort kam unerwartet ihre große Chance zum Durchbruch: ein Casting für das Musical Hinterm Horizont mit Udo Lindenberg.
„Udo gibt dir das Gefühl, der Beste für den Job zu sein“
Wäre sie zur dem Zeitpunkt noch an der UdK gewesen, wäre aus Josephin nie Udos „Mädchen aus Ost-Berlin“ geworden und eine einmalige Karrierechance dahin. Denn an der UdK gilt im Gegensatz zu Der Kreis ein einjähriges Auftrittsverbot für Studenten. Doch dieser erste große Job war nicht nur eine Chance, in der Berliner Szene bekannt zu werden, sondern bot Josephin auch einen ganzen Wagenkarren an neuen Erfahrungen. Von Bühnen-Urgestein Udo Lindenberg hat die ehrgeizige Berlinerin auch eine Menge gelernt. Sein bester Ratschlag an sie war, das Besondere an sich selbst und anderen zu sehen – auch wenn es vielleicht erst mal nicht perfekt erscheine: „Udo erzählte mir: ‚Das was einen herausragenden Künstler ausmacht, ist sein Alleinstellungsmerkmal. Man muss auf sich selbst vertrauen und riskieren, dass man damit aneckt. Dafür kommt irgendwann die Rolle, für die man sich niemand anderen vorstellen kann'“, so Josephin. Udo behielt Recht, denn nach zwei anspruchsvollen Castingrunden bekam die damals 23-jährige Schauspielstudentin die Rolle. „Ich war so glücklich über diese Arsch-auf-Eimer-Rolle, die damals so perfekt zu mir gepasst hat: Die Mischung aus Schauspiel und Musik, verbunden mit dem Thema Ost-Berlin war grandios“, so die heute 32-Jährige.
Wahrscheinlich nervt die junge Schauspielerin schon das ständigen Nachfragen nach Udo Lindenberg, aber auch wir können uns nicht verkneifen, mal nachzubohren: Wie war er denn privat, der Udo? Josephin erzählt aber gerne von der spannenden Zeit, in der sie Seite an Seite mit dem Künstler arbeitete. Er war es auch, der ihr half, das Lampenfieber bei der ersten großen Rolle zu bekämpfen. „Wenn du mit Udo auf der Bühne bist, denkst du, es kann gar nichts passieren. Er schafft ein Umfeld, in dem jeder das Beste gibt. Weil Udo dir das Gefühl gibt, dass genau du da hingehörst und der Beste für den Job bist. Dadurch wächst jeder über sich hinaus“, sagt die Musical-Partnerin, die bei Hinterm Horizont die Rolle der braven Jessy aus der DDR spielte. Nach sage und schreibe 1.300 Aufführungen und vier Jahren ist die Bühne für Josephin aber ein vertrauter Ort geworden, Lampenfieber hat sie nur noch, wenn geliebte Menschen im Zuschauerraum sitzen. „Wenn Angst regiert, kann man eigentlich nur schlechter werden“, ist ihre Meinung. Auch heute noch gibt ihr Udo Tipps für ihre Karriere, obwohl sie das Metier gewechselt hat – vom Musical zum Fernseh-Kommissarin.
Der Sprung von Ost nach West
Seit 2015 spielt Josephin eine Rolle, die genau das Gegenteil des süßen Mädchens aus Ost-Berlin verkörpert. In der Fernsehserie Letzte Spur Berlin ist sie Lucy, ein junges Mädchen aus Neukölln, das in einfachen Verhältnissen an der Grenze zur Kriminalität aufgewachsen ist. Als diese einen Job in der Vermisstenstelle der Polizei annimmt, birgt das viele Überraschungen. Vorbereitet hat sich Josephin auf die Rolle unter anderem mit dem Film Prinzessinnenbad, der für sie eine wichtige Inspiration war. Inzwischen ist ihr die Rolle Lucy richtig ans Herz gewachsen: „Ich will zu sehr, dass es meiner Figur gut geht. Deswegen ist es zwar gut, dass ich mitbestimmen kann, aber am Ende dann doch Drehbuchautoren entscheiden“, sagt die sympathische Jungschauspielerin lachend. War dieser extreme Wechsel von Metier und Rollencharakter nicht schwierig für sie? „Die Schauspielrollen haben meine Beziehung zu Berlin verändert. Erst habe ich mich auf die Reise nach meiner Ost-Identität gemacht und herausgefunden, wie mich das geprägt hat“, so die Prenzlbergerin, die dankbar für die Möglichkeit ist, beide Seiten ihrer Berliner Identität zu erforschen: „Für Letzte Spur Berlin habe ich dagegen geguckt, was da abgeht in Neukölln und auch, was davon ich bin.“
Das Einzige, was die beiden gegensätzlichen Rollen Lucy und Jessy miteinander verbindet, ist die tiefe Liebe zu ihrer Heimatstadt Berlin. Die beiden sind einfach eine „Berliner Pflanze“, wie Josephin die Rollen und gleichzeitig auch sich selbst treffend beschreibt. Der Prenzlauer Berg ist ihr Bezirk, woanders in Berlin fühlt sie sich nicht zu Hause. Während ihres UdK-Studiums wohnte sie als Studentin kurz in Schöneberg, merkte aber schnell, dass sie wieder zurück in ihren Kiez wollte, sich entwurzelt fühlte. Auch außerhalb von Berlin leben will Josephin auf gar keinen Fall – zumindest nicht für lange. „Ich hatte so viel Glück, dass ich nach meiner Ausbildung mit Hinterm Horizont und Letzte Spur Berlin Teil der Berliner Kunstkultur sein konnte. Es ist wahnsinnig schwer, als Berlinerin auch in dieser Stadt zu arbeiten. Gerade als Schauspieler muss man ja immer weg“, so die 32-Jährige. „Ich kann in Berlin sein und gleichzeitig das reinbringen, was ich mit meiner Heimatstadt verbinde.“
Durch die Dreharbeiten durfte Josephin ganz verschiedene Ecken entdecken. „Ich habe das Gefühl, ich kenne die Stadt besser als je zuvor“, sagt sie und warnt uns im selben Atemzug vor, dass sie überhaupt keinen Orientierungssinn habe. Diese Tatsache mache sie oft zum Ziel liebevollen Spotts ihrer Freunde: „Mein Freund lacht mich immer so aus, weil ich ja hier aufgewachsen bin und es trotzdem er ist, der mich führen muss.“ Wir trauen uns dennoch und spazieren mit Josephin durch den Kiez. Direkt gegenüber des süßen Cafés Neo1, in dem sie ab und zu zu Gast ist und wo es leckere Croissants gibt, zeigt sie uns einen Kiezladen in der Dunckerstraße 14, der sich dafür einsetzt, dass der Prenzlauer Berg nicht komplett von wohlhabenden Leuten eingenommen wird. Dafür bietet er kostenlose Miethilfe, Rechtsschutz und Infoveranstaltungen an. Das Thema liegt Josephin sehr am Herzen. „Es wäre schade, wenn die ganze Subkultur hier im Bezirk wegfällt. Die Bevölkerungsstruktur sollte ausgewogen bleiben“, sagt sie und empfiehlt uns auch gleich eine Ausstellung im Wasserturm im Wasserkiez, die alte Kiezgrößen im Prenzlauer Berg vorstellt.
Tagsüber Frettchenzirkus, abends trommeln und singen
Weiter geht es zu einem süßen kleinen Musikgeschäft, das eine große Auswahl glänzender Gitarren, anderer Instrumente und Noten anbietet. Der sympathische Besitzer von concertidee Musikladen kennt Josephin schon. Schließlich kommt die begeisterte Musikerin öfter hier vorbei, wenn sie Ausrüstung braucht. Denn ihre zweite Leidenschaft gilt der Musik und dem Singen. Auch Gitarrespielen kann sie ein bisschen, aber auf der Bühne bleibt sie lieber beim Singen. Schon als Jugendliche war sie fünf Jahre lang Frontfrau der Coverband Roovegarden. Josephin erzählt davon, was für eine harte Schule das oft belächelte Metier der Coversänger ist: „ZITAT“, sagt sie. Oft trat sie mit dieser Band auch auf Mittelaltermärkten auf, wo sie übrigens auch Bauchtanz auf der Bühne zeigte und den phänomenalen Nebenjob hatte, einen Frettchenzirkus zu präsentieren. „Einmal sprang ein Frettchen hoch und biss mir ins Kinn. Ich zog es weg und versuchte es zu überspielen, blutete aber total im Gesicht. Komischerweise wollte dann kein Kind mehr ein Frettchen streicheln“, erzählt sie lachend.
Nach Bauchtanz, Frettchenzirkus und Kellnern im Mauerblümchen – laut Josephin war sie die schlechteste Kellnerin der Welt, aber mit Unterhaltungswert – blieb das Singen eine zweite Leidenschaft zum Schauspieltraum: Neben dem Bandprojekt Prag, für die früher auch Schauspielerin Nora Tschirner sang, hat sie gerade ihr erstes eigenes, sehr persönliches Soloalbum Wovor hast du Angst veröffentlicht. Ganze sechs Jahre lang hat Josephin daran gearbeitet und gefeilt, bevor sie es endlich herausgab. Sie ist eben eine Perfektionistin. Die Erfahrung, eigene Songs auf der Bühne zu präsentieren, war selbst für die routinierte Schauspielerin ganz neu: „Man fühlt sich schutzloser als beim Theater, weil man seine eigene Geschichte erzählt“, sagt sie mit ihrer Samtstimme. Anfangs sei da immer dieses Gefühl gewesen, aus seinem eigenen Tagebuch vorzulesen und dass jeder wisse, von wem sie gerade singt. Aber nach einiger Zeit merkte Josephin, dass jeder Zuhörer stattdessen seine eigene Geschichte in ihre Songs projizierte.
Die Bühne als Ausdrucksmöglichkeit
Die Auftritte auf der Bühne und gerade die Musik haben der jungen Schauspielerin auch geholfen, sich besser auszudrücken. Sie glaubt, dass Künstler wie Autoren, Maler oder eben Schauspieler ihre Gefühle privat oft gar nicht so ausleben können und deshalb die Bühne als Ort nutzen, um stellvertretend mit Geschichten und Rollenbildern ihre Wahrheit und ihr inneres Wesen zu verwirklichen: „Früher traute ich mich nie, in der Disko zu tanzen und konnte mich auf Gefühle schlechter einlassen. Durch die Bühne habe ich gelernt, dass diese Gefühle zu mir gehören und ich sie annehmen kann“, sagt die ruhige junge Frau.
Ihre Musikkonzerte sind für Josephin ein vollkommen anderes Erlebnis als ein Musical oder eine Fernsehserie. Während sie es als „Mädchen aus Ost-Berlin“ gewohnt ist, eine riesige Halle anzufeuern und zum Toben zu bringen, finden ihre Konzerten in gemütlichem Kreis statt. Die meisten Lieder auf dem Album sind ruhig und verträumt, weshalb Josephin ihr erstes Konzert im Sitzen abhielt. Doch an einigen Stellen war die Musik so mitreissend, dass es die Zuschauer kaum auf ihren Sitzen hielt. Deshalb erfand die Musikerin spontan mit dem Publikum das Sitztanzen: „Wir sind abgegangen wie in der Disko, aber im Sitzen“, sagt sie lachend. Denn obwohl Josephin sehr ruhig wirkt, täuscht der erste Eindruck: „Ich mag es, den Bühnenraum dazu zu nutzen, aus mir rauszugehen und auch andere dazu zu animieren.“
Das Muscial ruft
Diese wilde Seite in sich entdeckte Josehpin ebenfalls bei Hinterm Horizont: Wer sich eines der Musical-Videos von früher ansieht, in dem sie als Jessy in schwarzer, hautenger Lederhose herumspringt, sieht ihr den Spaß auf der Bühne an. Früher war das anders: An der UdK war sie davon überfordert, dass ihre Mitstudenten schon morgens aufgekratzt zu lauter Musik tanzten, bevor überhaupt die Lehrerin kam. „In der Musical-Ausbildung hab ich mich gefühlt wie Wednesday in der Addams Family. Ich dachte damals, ich bin zu ruhig für’s Musical. Ich saß verschlafen da, während die anderen herumtobten und wollte einfach erst mal Kaffee trinken“, erzählt die sympathische Berlinerin. Bei Hinterm Horizont merkte sie dann auf einmal, dass auch sie eine gute Portion Verrücktheit in sich trägt und es ihr damals an der UdK vielleicht sogar Spaß gemacht hätte, mitzutanzen. „Ich glaube, Künstler und Schauspieler sind halt ewige Kinder, das finde ich toll“, so Josephins Feststellung.
Heute, da sie keine Musicalrolle mehr hat, fehlt ihr das Singen und Tanzen sehr. Darunter leiden vor allem ihre Schauspielkollegen, da Josephin in der Drehpause ständig zu singen und tanzen beginnt, wie sie lachend erzählt. Die schlanke Schauspielerin plädiert dafür, seine Körperlichkeit im Alltag da auszuleben, wo man Spaß hat, statt sich im Fitnesscenter abzuplagen. Bei ihr ist das eben das Tanzen: „Ich möchte auch wieder ein Musical machen, aber es muss etwas richtig Tolles sein. Gerade nach so einem Musical wie Hinterm Horizont bin ich richtig wählerisch, bis dahin kann noch etwas Zeit vergehen.“ Ein weiterer Traum von Josephin ist es, ein Einpersonen-Stück auf die Bühne zu bringen. Das ist gerade in Arbeit bei der ehrgeizigen Schauspielerin.
Bei zwei Karrieren gleichzeitig braucht die Vollblutkünstlerin auch mal eine Auszeit mit Freunden: „Ich wollte schon immer beides: erfülltes Leben und erfüllte Künstleridentität.“ So ein Leben wie Freund und Mentor Udo zu führen, bei dem sich alles nur um ihre Person drehe, könne sie aber nicht. Zur Entspannung fährt sie deshalb gerne raus aus Berlin, mit Freund und VW-Bus durch Brandenburgs Natur, wandert oder übernachtet am See. Auch längere Urlaube sind mit dem geliebten Bus geplant, Trips nach Georgien oder Schweden zum Beispiel. Schließlich will sie noch lange Spaß an ihrem Job haben, so wie Udo, der sich seine Offenheit und Neugier behalten hat. „Ich würde mir wünschen, mit 72 auch noch so ne Leichtigkeit wie Udo zu haben. Er kommt einem manchmal eher vor wie ein außerirdischer Junge statt wie ein über 70-jähriger Mensch“, sagt sie. Vielleicht klappt das ja bei Josephin ebenfalls, schließlich ist sie beim Besten in die Lehre gegangen und versprüht bereits Udo’sche Weisheit – nur ohne Nuscheln: „Eine Bühne ist ein Raum, in dem alles geht. Ein Universum, in dem du alles sein kannst. Die Bühne hält einen jung.“
Ab 21. Oktober ist Josephin Busch mit ihrer Band PRAG auf Tour, du kannst sie hier live erleben: 21. Oktober München, 22. Oktober Wien, 23. Oktober Dresden und 6. November Bremen.