Theaterfest geht in die nächste Runde

Theatertreffen ganz frisch

Vieles im Fasanenkiez ist wie das dort beheimatete Haus der Berliner Festspiele: nicht gerade ein Blickfang.
Vieles im Fasanenkiez ist wie das dort beheimatete Haus der Berliner Festspiele: nicht gerade ein Blickfang.
Jetzt sind die jungen Ungestümen dran. Das Theatertreffen ist vorbei, lang lebe das Theatertreffen für die Jugend. Acht Produktionen beschäftigen sich mit dem Großen und Kleinen des Lebens im Haus der Berliner Festspiele. Gibt es ein Leben nach dem Theatertreffen? Zum Glück haben wir noch etwas Schonfrist, bevor wir das herausfinden.

Brechts Einzelgänger wurde beim „Untergang des Egoisten Fatzer“ von seinen Kameraden erschossen. Die Wiederbelebung im jugendlichen Militärlook verliert sich im Stroboskop-Licht. Mit plakativem T-Shirt-Aufdruck „Ich bin nicht die Massen“ sind die auferstandenen Fatzer „Allein unter 200 potenziellen Facebook-Freunden“. Noch immer schlägt sich das Individuum mit der Gesellschaft herum. Um sich Gehör zu verschaffen, wird aus vollem Halse „Sie wollen uns erzählen“ von Tocotronic geschmettert. Welches ist das Schlachtfeld der jungen Generation? „Empört uns!“, ist die laute Message, die von der Wand schreit.

Der Jugendclub P14 unter der Regie von Lisa Brüning ist eine von den zwei Berliner Truppen, die mit ihrem Stück zum Theatertreffen der Jugend eingeladen wurden. „Fleisch – ich bin ich, du bist du und es geht schlecht“, überschrieb die Gruppe vom Rosa-Luxemburg-Platz ihre Version des Brecht‘schen Fragments. Heute beginnt der Ableger des großen Theatertreffens und findet, genau wie letztes Jahr, auch in der Schaperstraße im Haus der Berliner Festspiele statt. Das ist natürlich „ein Quantensprung“ was die öffentliche Beachtung angeht, jubelt Chefin Christina Schulz. Wobei sie auch die Wabe, den früheren Austragungsort in Prenzlauer Berg, sehr mochte.

Dabei sein ist alles

Qualitativ ist das Jugendtheatertreffen auch nicht von schlechten Eltern. Das 33. Jahr bietet schon in der Eröffnung Zündstoff. Bei der Aufführung „Salam, Shalom, we came to organize your peace“ geben junge Hannoveraner die Gutmenschen vom Dienst, indem sie versuchen, eine Friedens-WG mit Palästinensern und Israelis aufzumachen. Der Schuss geht nach hinten los. Das Stück jedoch ist kein Fehlstarter.

Beim Festival ist die einzige Anforderung zur Anmeldung, dass Jugendliche auf oder hinter der Bühne einen großen Beitrag zum Stück leisten – ob es Amateur- oder Profitheater ist, spielt da keine Rolle. Christina Schulz  findet trotzdem nicht, dass es ein ungleiches Rennen auf die acht Siegertrophäen ist, die von der Jury unter gleichen Bedingungen für alle vergeben werden. „In dem Moment, wo die Produktionen zu uns kommen, sind sie alle Sieger“, ist ihre Einschätzung.

Frisch und politisch

Eines der preisgekrönten Stücke ist „Keiner hat mich gefrag“, das Debütstück von Asma Zaher. Darin steht eine Gruppe von jungen Migrantinnen im Zentrum. Sima soll heiraten. Ihr Zukünftiger ist ihr unbekannt. Sie trägt ein Kopftuch und lebt in einem strengen Haushalt. Die Klischees häufen sich. Zum Glück wird das bald alles aufgescheucht und durchgeschüttelt. Zum Beispiel als ein Mädchen ihren polterigen Vater imitiert oder René Stadtkewitzs dröge islamophobe Behauptungen absurd in die Länge gezogen werden.

Der Schwerpunkt des Festivals liege dieses Jahr im gesellschaftspolitischen Bereich, erläutert Christina Schulz. Der Begriff Generation und die Außenansicht auf Jugendliche treiben viele Produktionen um.

Dafür ist „Frühlings Erwachen“ ein Musterbeispiel. Frank Wedekinds Tragödie wird von einer Krefelder Truppe zum Wurfgeschoss der cleveren und offenkundigen Erwartungssprengung gemacht. „Frühlings Erwachen findet nicht statt!“, tönt bereits am Anfang der Chor. Mehr als die sexuell umher irrenden Charaktere interessiert die Mimen das eigene Empfinden. Als Generation Porno werden sie gerne gemünzt, aber warum nur? Sonderlich übersexuell kommen sie sich nicht vor, eher angestarrt. „Hört endlich auf, uns zu interviewen!“, oder auch: „Ich bin eine theoriefreie Zone“, wehren sie die Sittenwächter der Medienmacher ab.

Vom Suchen und Finden auf der Bühne

Auch beim Jungen Ensemble Stuttgart werden Labels verwehrt. Es geht um augenscheinlich banale Geschichten, die bei der Schnittstelle der Stuttgart-21-Proteste erzählt werden. Sei es der erste Zungenkuss, das Ableben eines geliebten Haustiers oder eine Geburt, in „Generation S“ wird dem Spruch „Nie hatte die Jugend mehr Namen als heute“ abgesagt und die Biografie zur Selbststudie in die eigenen Hände gelegt und Außenwertungen entgegengestanden.

„Die Arbeiten zeigen uns die Sicht der Generation von morgen auf die Situation heute“, sagt  Christina Schulz, die die Stücke zwischen radikaler Politisierung und tiefster Innerlichkeit zum Festival gebracht hat. Sicher sind die Projekte der Jugendlichen genauso auf der Suche wie sie selbst. Aber deshalb können sie trotzdem den Nachthimmel der Zuschauerherzen erleuchten.

Noch bis zum 2. Juni sind die jungen Perlen im Haus der Berliner Festspiele zu sehen. Das Programm finden Sie hier.


Quelle: Der Tagesspiegel

Haus der Berliner Festspiele, Schaperstr. 24, 10719 Berlin

Telefon 030 254890
Fax 030 25489111

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Vorverkaufskasse: Montag bis Samstag von 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr
Abendkasse immer eine Stunde vor Vorstellungsbeginn

Haus der Berliner Festspiele

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