Fast hätten sich Prinz William und Kate Middleton wegen eines Kuchens überworfen. Kate wollte zur Hochzeit eine traditionelle Obsttorte mit Zuckerguss und Blumendekor. William setzte sich aber mit einem Chocolate Biscuit Cake durch – einem, den er als Kind so gern gemocht hatte. Der Schoko-Keks-Kuchen heißt in Deutschland Kalter Hund und ist offenbar eine unterschätzte Süßspeise. Dass er Prinzen verführt, hätte man ihm nicht zugetraut.
Lange Zeit war der simple kastenförmige Kuchen aus Schokolade, Keksen und Kokosfett in Vergessenheit geraten. Heute sieht man ihn wieder auf Tresen und in Vitrinen von Cafés neben Brownies oder Muffins – und manchmal sogar in Gourmetrestaurants. „So eine Palminschnitte kann man richtig lecker machen“, sagt Sternekoch Matthias Buchholz. In seinem Restaurant Gutshof Britz bereitet er Kalten Hund zu. „Ist wirklich ein schöner Klassiker! Man kocht ja heute viele Gerichte, die früher aus der Not erfunden wurden.“
Dass der Retro-Kuchen zu seiner alten Bekanntheit aufholt, ist auch dem Ehepaar Rose aus Berlin zu verdanken. Vor fünf Jahren haben sie ihre 40 Quadratmeter große Manufaktur eröffnet. Direkt neben dem Klingelschild in der Ebertystraße 49 hängt eine Tafel, auf der sich zwei schwarz-weiße Comicfiguren umarmen. Darüber geschrieben: „Paul küsst Paulines heißen Mund, danach gibt’s Roses Kalten Hund.“ Es ist die einzige Manufaktur in Deutschland, die ausschließlich Kalten Hund herstellt. Und sie beliefert Cafés in allen Bundesländern. 14 verschiedene Sorten gibt es im Angebot: klassisch mit dunkler Schokolade, mit Marzipan, Espresso oder Rum und aus weißer Schokolade, dazu Kokos oder Erdbeeren.
30 Zentimeter lang, ein Kilo schwer
Zunächst hatten sich Viola Rose und ihr Mann Jens mit einer Kantine auf Fahrrädern selbstständig gemacht: Frische Salate, belegte Brötchen, Suppen und Kuchen. Wenn die Roses kamen, bildete sich ein kleiner Menschenauflauf um ihre mobile Kantine – und der Kalte Hund war oft zuerst weg. „Kein Zahnarzt guckt in glücklichere Gesichter“, erinnert sich Viola Rose.
Heute zieht der Geruch von warmem Schokopudding durch die zwei Produktionsräume ihrer Manufaktur. In einer Schüssel vermengt Rose Rohrzucker, Eigelb, das Mark einer Vanilleschote und geriebene Mandeln, erwärmt die Vollmilch und erhitzt das Kokosfett. „Auf keinen Fall teilgehärtetes Kokosfett, das macht den Kuchen nur glitschig“, sagt Viola Rose. Zusammen mit geschlagenem Eischnee und purem Kakaopulver entsteht eine cremige Schokomasse.
Rund 30 Zentimeter lang, mit 40 Keksen gefüllt und ein knappes Kilo schwer ist so ein Kalter Hund. Jens Rose, zuständig für das „Bauen“, streicht die Schokolade über die Keksschicht – in mit Klarsichtfolie ausgelegte quaderförmige Backformen. So lässt sich der Kuchen später leicht aus der Form heben. Am Ende schiebt Rose ihn nicht in den Ofen, sondern in einen der fünf Industriekühlschränke.
„Wenn die Leute in den Laden kommen, heißt es immer, sie kennen den Kuchen von der Mutter oder der Oma und man kommt sofort ins Erzählen: Bei uns hieß der Kellerkuchen oder Wandsbecker Speck, Schwarzer Peter, Kalter Igel und so weiter.“ Um den Kuchen ranken sich neben den persönlichen Anekdoten eine Reihe Ursprungsmythen. Einer besagt, der Kuchen sei wegen der einfachen und mächtigen Zutaten eine Speise aus der Nachkriegszeit. Damals waren viele Kalorien für wenig Geld gefragt. Die Kalorienbombe versorgte den Körper mit essenziellen Fettsäuren und Energie, über Maßen genossen nährte sie Winterspeck und Wohlstandswämpchen.
Ist er ein typischer Westkuchen? „Nee, bei uns im Osten gab es den auch“, sagt Jens Rose. Das belegen auch unzählige Rezepte – wie in „Das Backbuch“ vom Leipziger Verlag „Für die Frau“, erschienen 1979. Es nennt den Kuchen „Lukullus“, wie den römischen Feldherrn, der für seine üppigen Speisetafeln berühmt war. „Das Kokosfett auf kleiner Flamme zerlaufen lassen, Zucker, Eier, Kakao verrühren und das sich abkühlende Fett allmählich, fast tropfenweise, zugießen. In eine mit Butterbrotpapier ausgelegte Kastenform eine Schicht Lukullusmasse streichen, darauf Keks anordnen und so fortfahren, bis die Schokolodenmasse aufgebraucht ist.“
Auf der ganzen Welt beliebt
Die Erfindung des Kalten Hund liegt wahrscheinlich weiter zurück als die DDR oder das Nachkriegsdeutschland. Ihre Ursprünge reichen bis ins frühe 20. Jahrhundert. Jens Rose hat die Theorie, dass die Süßspeise aus dem slawischen Raum stammt – von den alten Bergarbeitern. Das Wort Hunt ist verwandt mit dem slowakischen Wort „hyntow“, also einem kastenförmigen Förderwagen. Und der erinnert an die Form des Kuchens. Irgendwann wurde dann aus dem „t“ am Ende ein „d“.
Was gegen die Theorie spricht: In Kroatien oder der Türkei gibt es den Kuchen ebenfalls, dort sehen sie aber anders aus. Nicht so rechteckig, eher wie eine Toblerone. Salame turco, Salame di cioccolato, Türken- oder Schokosalami heißt der Kalte Hund in Italien. Und in Norwegen: Delfiakake. Der Delfiakuchen trägt den Namen nach der Marke für das dort erhältliche Kokosfett. In Großbritannien ist es der Chocolate Biscuit Cake, den Prinz William so liebt. Er hat meist eine runde Form und wird aus zerbröckelten Tea Biscuits hergestellt. Mit rund 1700 Keksen und 17 Kilogramm Schokolade war die Hochzeitstorte von Prince William gefüllt.
Bis ins englische Königshaus hat es Roses Kalter Hund aus Berlin bisher nicht geschafft. Trotzdem wurde das Paar kurz vor Kates und Williams Trauung für den grandiosen Coup, die Hochzeitstortenbäcker zu sein, beglückwünscht. „Wir sind ganz stolz auf euch!“, sagte ein Geschäftspartner, der die Roses zu seiner Geburtstagsfeier eingeladen hatte. Für ihn und seine Gäste war klar: Egal wo der Schoko-Keks-Kuchen auftaucht, er muss aus der Kalter Hund Manufaktur Rose in Friedrichshain kommen. „Seitdem haben wir einen neuen Hund, der heißt Pflaume Royal.“ Eine Kreation mit Zwetschgenwasser. Viola Rose betont das Royal, da ist sie stolz. „Sozusagen eine Ode an Prinz William“, ergänzt Jens Rose. Das Rätsel um den Ursprung des Kuchens wird sich wohl nie ganz lösen. 2Ich weiß nur, dass bei schlechtem Wetter mehr bestellt werde“, sagt Viola Rose. Warum? „Weil er glücklich macht.“