Karneval in Berlin

Mit "Heijo!" zu Partys und zum Regierenden

Kostüme es, was es wolle. Der letzte Faschingsumzug in Berlin ist schon zwei Jahre her. Die Narren der Stadt feiern seither in ihren Enklaven.
Kostüme es, was es wolle. Der letzte Faschingsumzug in Berlin ist schon zwei Jahre her. Die Narren der Stadt feiern seither in ihren Enklaven.
In Berlin kommt der Karneval aus der Entwicklungsphase nicht so richtig heraus. Auch der Umzug fällt dieses Jahr erneut ins Wasser. Aber die kleine unverdrossene Minderheit der Narren lässt sich nicht entmutigen: Sie laden bis zum Aschermittwoch wieder zu etlichen Spaß-Events ein.

Weiberfastnacht? Gibt’s auch in Berlin. Allerdings nicht flächendeckend wie in Köln oder im Schwäbischen. „Man muss hier schon wissen wo“, sagt Lothar Schmock. Der 62-Jährige kennt sich da bestens aus, ist seit 36 Jahren aktiv bei der Berliner Karnevalsgesellschaft „Fröhliche Elf e.V.“ und deren Präsident. Er bringt seinen Schlips beim traditionellen Weiberevent am 12. Februar am liebsten in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg oder in der Kneipe „Berliner Republik“ am Schiffbauer Damm in Gefahr. In diesen närrischen Enklaven rennen dann die Frauen mit Scheren herum, schnippeln ruck-zuck Schlipse ab und revanchieren sich mit Küsschen.

Die närrischen Wurzeln reichen bis 1430 zurück

„Macht doch einen Riesenspaß“, sagt Schmock. Man hört seiner Stimme an, dass er beim Endspurt zum Rosenmontag zu Bestlaune aufläuft. Zwar beklagen die Narren lautstark, dass sie 2015 zum zweiten Male aus Kostengründen keinen Karnevalsumzug über den Ku’damm schicken können, der letzte war 2013. Und sie haben auch weiter das Problem, dass die Narretei in Berlin, deren Wurzeln bis 1430 zurückreichen, aus der Entwicklungsphase einfach nicht herauskommt. Trotz alledem haben sie als kleine unverdrossene Minderheit wieder etliche Kostümpartys und Faschingtreffs auf die Beine gestellt, zu denen sie noch bis Aschermittwoch am 18. Februar einladen.

Großer Berliner Kinderfasching im Hansaviertel

Lothar Schmock, Beamter und zuhause im Hansaviertel, freut sich jetzt erstmal aufs nächste Fest der Fröhlichen Elf am 30. Januar in Tiergarten und auf den „großen Berliner Kinderfasching“ am 1. Februar. Sein Narrenkollege Carsten Kaukerat, Präsident des Berliner Carneval Vereines, wirbt für dessen nächste Große Faschingsparty am 14. Februar. Zum Saisonfinale werde vor allem getanzt und geschwoft, sagt der 36-Jährige, im Alltag Bankkaufmann.

Die offiziellen Sitzungen haben die Narren seit dem Saisonstart am vergangenen 11.11. um 11 Uhr 11 schon längst hinter sich. Da halten sich die immerhin 21 Berliner Karnevalvereine ganz ans rheinische Brauchtum. Bei jeder Sitzung thront der Elferrat im Ornat mit Frack und Kappe auf der Bühne, das Prinzenpaar zieht in den Saal, 1914/15 sind es Peter und Christiane, deren Terminkalender auch in diesen Tagen noch gut gefüllt ist. Die „Tollitäten“ klappern gerade die „Prinzenstammtische“ der Vereine ab. Nur vom hohen Umzugswagen können sie nicht grüßen. Da hat Cottbus mit seinem größten ostdeutschen Karnevalsumzug am 8. Februar Berlin längst den Rang abgelaufen.

Die Karnevalisten fühlen sich nicht ernst genommen

An der Spree fühlen sich die Narren dagegen vom Senat „nicht ernst genommen“ bei ihrem Feldzug gegen den tierischen Ernst, und es plagen sie Nachwuchssorgen. Nicht lauter als ein Staubsauger mit 75 Dezibel, so die Lärmschutzauflage, durften sie zuletzt beim Umzug ihren Schlachtruf „Heijo“ schmettern. Sponsoren sprangen ab. Und auch die Jugend will nicht so richtig an den Fasching ran, obwohl Berlin als Partyhauptstadt gilt.

Nur drei Vereine haben noch eigene Tanzgarden. Ein bisschen neidisch sind sie deshalb schon auf den Karneval der Kulturen, dem der Senat nun aus der Malaise helfen will. Und bei dem so laut getrommelt werden darf, wie’s Spaß macht. Doch Lothar Schmock gibt nicht auf. „Wir glauben an Fastnacht“, sagt er. Und hofft auf den närrischen Verstand des neuen Regierenden. Bei Michael Müller macht das Festkomitee Berliner Karneval bald seine Aufwartung.

Närrische Veranstaltungen in Berlin
 

Faschingsparty: am 30. Januar, 19 Uhr, steigt das Kostümfest der Karnevalsgesellschaft „Fröhliche Elf“ im Saal der St. Paulus Gemeinde, Oldenburger Straße 2 in Tiergarten.

Prunksitzung:
Carneval-Club Lichtenberg am 31. Januar und 14. Februar ab 19 Uhr im Nachbarschaftshaus „Kiezspinne“, Schulze-Boysen-Straße 38. 

Kinderkarneval: Am 1. Februar ab 11.11 Uhr Umzug unter dem Motto „Anton & die Umwelt“ ab Hansaplatz in Tiergarten. Danach Faschingsparty in der Universal Hall, Gotzkowskystraße 22.

Websites: www.festkomitee-berliner-karneval.de mit Infos zu allen Berliner Vereinen; www.froehliche-elf.de; www.bcv1968.de; www.carneval-club-lichtenberg.de; www.karnevalkidsberlin.de.


Quelle: Der Tagesspiegel

Kulturbrauerei, Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin

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