Das Handwerk. Bis vor noch nicht allzu vielen Jahren gehörte es zu den kopfstärksten Berufsgruppen überhaupt. Einfache Zugänglichkeit und sehr vielfältige Jobs machten es zu einem Magneten, der erhebliche Teile eines jeden Jugendjahrgangs nach dem Ende der Schulzeit anzog.
Heute ist das anders. Zum Wintersemester 2022/2023 etwa nahmen ganze 54,7 Prozent aller dafür relevanten Jahrgänge ein Studium auf. Insgesamt waren zu diesem Zeitpunkt 2.910.000 Millionen Studierende eingeschrieben.
Regelrecht traurig sieht es hingegen bei den Berufsausbildungen aus: 2022 wurdenlediglich 269.588 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen; insgesamt gab es 683.296 Azubis. Doch von diesen an sich schon geringen Zahlen entfielen nochmals deutlich weniger auf das Handwerk. Nur etwa 129.000 Neu-Azubis entschieden sich für diese Sparte; bei insgesamt knapp 350.000 Auszubildenden. Zum Vergleich: Allein bei uns in Berlin gibt es knapp 17.000 Handwerksbetriebe.
Und als wenn das nicht schon kritisch genug wäre, gibt es zudem eine starke Schieflage zwischen den handwerklichen Berufsbildern. Von den 350.000 Gesamt-Azubis im Handwerk waren 188.000 nur in Metall- und Elektroberufen versammelt. Auf den einstmals so gigantisch nachgefragten Maurerberuf entfielen erschreckend wenige 164 neue Ausbildungsverträge bei gerade einmal 340 Azubis insgesamt – deutschlandweit, wohlgemerkt.
Wenn du nicht zuletzt angesichts solcher Zahlen stark in beide Richtungen überlegst, ob du in Berlin einen handwerklichen Beruf ergreifen solltest, dann ist das mehr als verständlich. Auf den folgenden Zeilen haben wir dir deshalb ein großes Fakten-Paket geschnürt, das dir bei deiner Entscheidung helfen wird.
1. Handwerksberufe: Die Vorteile im Portrait
Es gibt unzählige persönliche Gründe, warum jemand den Weg in eine bestimmte berufliche Richtung einschlägt. Darunter sogar solche, die gar nichts mit dem jeweiligen Beruf zu tun haben – etwa, wenn jemand nur deshalb Schreiner wird, weil er die Werkstatt seines Vaters so übernehmen möchte, wie der es einst vom Großvater tat.
Doch einmal abgesehen davon gibt es eine ganze Reihe wirklich guter Gründe, nach der Schulzeit den Weg ins Handwerk zu gehen.
Berufliche Vielfalt
Handwerk sagt zunächst einmal nur aus, dass hier tatkräftig mit den Händen agiert wird. Darin ähneln sich praktisch alle Handwerksberufe, selbst wenn es in der Praxis große Unterschiede gibt, wie technisiert es jeweils zugeht. Insgesamt kannst du jedoch von einer enormen Vielfalt der Berufe profitieren.
An der Basis unterteilt sich „das Handwerk“ in sieben eigenständige Bereiche:
1. Bau und Ausbau
2. Elektro und Metall
3. Holz und Kunststoff
4. Textil, Leder und Bekleidung
5. Lebensmittel
6. Gesundheit, Körperpflege und Reinigung
7. Grafische Gestaltung
In der Praxis gibt es hierbei einige thematische Überschneidungen. Beispielsweise kann jemand eine Ausbildung als Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik machen, aber je nach Arbeitgeber ausschließlich auf Baustellen arbeiten, um die Gebäudeelektrik zu installieren.
Insgesamt gibt es in Deutschland etwas über 130 verschiedene handwerkliche Ausbildungsberufe zwischen Änderungsschneidern und Zimmerleuten. Überdies gibt es bei einigen Berufen noch verschiedene Schwerpunkte oder Laufbahnen, die eingeschlagen werden können.
Das bedeutet für dich: Egal wo deine Interessen und Fähigkeiten liegen, du wirst mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens einen Handwerksberuf finden, der dazu passt.
Lockerer Umgang
Zugegeben, in den allermeisten Berufen haben sich die Hierarchien in den vergangenen Jahren deutlich abgeflacht und es geht insgesamt lockerer zu – Ausnahmen bestätigen die Regel.
Das Handwerk ist in seiner Breite jedoch schon immer von einer schwer zu beschreibenden „rauen Herzlichkeit“ geprägt, besonders diejenigen Berufe, die in Werkstätten und auf Baustellen durchgeführt werden. Bei aller Professionalität sind viele Handwerker und Arbeitgeber deshalb Menschen, die einen lockeren, vielfach kumpelhaften Umgang miteinander pflegen.
Im Gegensatz zu vielen anderen Berufen spielen hier solche Themen wie Etikette, Dresscodes oder Networking eine völlig untergeordnete Rolle. Interne Kämpfe um lukrative Beförderungen sind eher selten. Dafür herrschen in vielen Betrieben sehr familiäre, eingeschworene Zustände.
Sichtbare Ergebnisse
Ein Mensch kann in einem Großbetrieb einen Job machen, der praktisch keinerlei Schnittmengen mit dem Produkt der Firma hat. Sowas kann einen sowohl von seinem Beruf als auch dem Arbeitgeber entkoppeln. Man arbeitet Tag für Tag, sieht jedoch niemals, wie die eigene Leistung sich auf Produkt oder Gesamterfolg auswirkt – und ist oftmals für eigene Erfolge auf die Leistungen anderer angewiesen.
Im Handwerk ist es tatsächlich anders. Da bist du tagtäglich derjenige, der den Kernauftrag seines Arbeitgebers durchführt. Alles, was du machst, liegt in deiner Verantwortung, hängt von deinem Talent ab – das gilt ebenso für jedes Arbeitsergebnis.
Dadurch ist man im Handwerk viel dichter an allem dran. Du siehst jeden Tag, was du geleistet hast. Du wirst dir wahrscheinlich niemals Fragen nach der Sinnhaftigkeit deines Jobs stellen. Es gibt tausende Berufe, bei denen die Welt es nicht merken würde, wenn jemand einige Tage lang nichts tut. Das Handwerk hingegen ist tatsächlich systemrelevant.
Extrem vielfältige Aufgabenbereiche
Es gibt Berufe, die sind regelrecht monothematisch, weil man jeden Tag die gleichen Aufgaben absolviert, ähnlich wie ein Fließbandarbeiter. Zugegeben, sowas gibt es auch im Handwerk, allerdings nicht per se.
In der Breite sind die über 130 Ausbildungsberufe von einer erstaunlichen internen Vielfalt geprägt, wodurch oftmals jede Aufgabe völlig andere Ansprüche stellt. Nehmen wir einmal den Kfz-Mechatroniker als einen der mit Abstand beliebtesten Ausbildungsberufe im Handwerk.
Schon innerhalb dieses Berufs gibt es eine enorme Vielfalt und deshalb die Möglichkeit, sich thematisch zu spezialisieren. Namentlich auf
• Karosserietechnik
• Motorradtechnik
• Nutzfahrzeugtechnik
• PKW-Technik
• System- und Hochvolttechnik (Fahrzeugelektrik/-elektronik im Allgemeinen sowie Elektromobilität im Besonderen)
Wenn du jetzt allerdings glaubst, innerhalb dieser Spezialisierungen würde es tagtäglich nur um einige wenige gleichbleibende Aufgaben gehen, liegst du völlig falsch.
Beispiel Karosserietechnik: Allein, wenn wir uns nur auf das Thema Glas fokussieren, sprechen wir von einem vielfältigen Aufgabenbereich, der sowohl Reparatur als auch Austausch von Scheiben und Scheinwerfern umfasst. Dazu kommt das dadurch mitunter notwendige Kalibrieren von Sensoren – und alles an unterschiedlichsten Fahrzeugmodellen. Jenseits davon wird es sogar noch vielfältiger:
Ein Karosserietechniker wird alle möglichen Arten von Unfallschäden reparieren. Manches davon beinhaltet nur den Austausch von geschraubten Teilen. Anderes verlangt nach schwerem Gerät wie einer Karosserie-Richtbank, pneumatischen Meißeln und Schweißgeräten. Andere Aufgaben verlangen das Um- und Nachrüsten an Fahrzeugen ohne Unfallschäden. Ebenfalls gehört es zum Berufsbild, die Lackierpistole zu bedienen und alle dazu nötigen Vor- und Nacharbeiten durchzuführen. Und das, wie gesagt, ist nur ein Beispiel einer Spezialisierung innerhalb eines einzigen handwerklichen Ausbildungsberufs.
Unterm Strich kannst du dir für die breite Masse aller Handwerksberufe folgendes merken: Selbst, wenn du dich nur in einem eng umrissenen Bereich bewegst, wird jeder Tag, jede Aufgabe neue Herausforderungen stellen, etwas Neues mit sich bringen und extrem vielfältig sein. Nicht wenige Handwerks-Jobs gehören sogar zu den abwechslungsreichsten Berufen überhaupt.
Meistermöglichkeiten und Meisterzwang
Auch im Handwerk mögen sich die Berufsbezeichnungen mit der Zeit gewandelt haben. Nach erfolgreicher Ausbildung bist du darin jedoch nach wie vor ein Geselle – oder eine Gesellin.
Das ist ein wichtiges Detail im Handwerk. Denn wo es in sehr vielen anderen Berufen keine besonderen Qualifikationen braucht, um sich selbstständig zu machen, existiert bei der Mehrheit aller Handwerksberufe nach wie vor ein Meisterzwang. Und nur, wer eine Meisterprüfung abgelegt hat (oder einen angestellten Meister beschäftigt), darf Azubis ausbilden. Klingt für dich nach Limitierung? Eher ist das Gegenteil der Fall:
1. Jeder Geselle darf die Meisterprüfung angehen – ohne Ansicht von Schulabschluss oder sonstigen Qualifikationen.
2. Da hauptsächlich nur Meister Betriebe führen dürfen, herrscht automatisch eine sehr hohe Mindestqualität vor. Ebenso gilt das für die Qualität der Ausbildung.
3. Als zertifizierter Handwerksmeister erhältst du automatisch eine allgemeine Hochschulreife. Du bist also jemandem mit Abitur gleichgestellt und kannst deshalb studieren.
Gerade heute, wo der Fachkräftemangel so groß ist, setzen sehr viele Handwerksbetriebe darauf, sich ihre Azubis nach fachlicher Tauglichkeit auszusuchen, nicht nach wenig berufsbezogenen Schulnoten.
Anerkannte Qualitäten im In- und Ausland
Das deutsche Handwerk mit seinem dualen Ausbildungsprinzip setzt definitiv strengere Hürden als es in vielen anderen Ländern der Fall ist. In den USA etwa kann jeder eine Autowerkstatt (oder einen anderen Handwerksbetrieb) eröffnen, ohne jegliche fachliche Nachweise erbringen zu müssen. In vielen anderen Ländern ist es ähnlich.
Die positive Kehrseite der Medaille: Mit einem deutschen Gesellen- oder sogar Meisterbrief hast du einen Nachweis, der auf der ganzen Welt hoch angesehen wird.
Tradition und Zukunft
Nicht nur das Prozedere mit Gesellen- und Meisterbriefen geht im Handwerk auf jahrhundertealte Traditionen zurück. In vielen Berufen sind es ebenso Bezeichnungen, Werkzeuge, ja sogar Vorgehensweisen. Bedeutet, als Handwerker arbeitest du in vielen Berufen auf Basis weit in die Vergangenheit reichender Wurzeln.
Gleichsam ist das Handwerk jedoch meilenweit davon entfernt, in irgendeiner Form veraltet zu sein. Im Gegenteil: In einer erheblichen Zahl aller Fälle sind Handwerker diejenigen, die brandneue Techniken als erstes um- und einsetzen. In der Praxis sind deshalb viele Handwerksberufe ein faszinierender Mix zwischen Tradition und Moderne, der so außerhalb des Handwerks fast nirgendwo existiert.
Der ausführende Arm von Natur-, Klima- und Umweltschutz
Bist du der Meinung, die technische Entwicklung, die unser Leben insgesamt nachhaltiger macht, läge einzig und allein in den Händen von Forschenden und Ingenieuren – also Hochschulabsolventen? Dann sitzt du einer verbreiteten Ansicht auf, die jedoch bestenfalls nur „halb wahr“ ist.
Tatsache ist: Schon, was den praktischen Teil der Entwicklung verschiedenster Techniken zwischen E-Auto, Windrad und Wärmepumpe anbelangt, sind Handwerker aufgrund ihrer Praxiserfahrung unverzichtbare Helfer. Denn nur sie können durch ihren Beruf wirklich abschätzen, was realistisch umsetzbar ist und was nur im Labor funktioniert.
Es geht jedoch noch weiter: Ohne Handwerker könnten wir schlicht sämtliche Pläne zum nachhaltigen Umbau der Gesellschaft an den Nagel hängen. Denn von der nachträglich gedämmten Fassade über die Digitalsteuerung eines Passivhauses bis zum Verdrahten eines riesigen Solarparks sind es einzig und allein Handwerker, die den gesamten praktischen Part des Umbaus übernehmen.
Ohne Handwerker bliebe jede Wärmepumpe ohne Anschluss auf der Palette stehen und wäre jedes Windrad bloß ein Berg von Einzelteilen aus der Fabrik. Du möchtest aktiv dem Planeten helfen? Dann kannst du als Handwerker in entsprechenden Berufen mehr bewirken als die meisten anderen Personen, Initiativen und Demonstrationen.
2. Das Handwerk in Zeiten des Fachkräftemangels
Was du im vorherigen Kapitel gelesen hast, sind zeitlose Vorteile von Handwerksberufen. Es gibt aber derzeit in fast sämtlichen Handwerksberufen einen hohen Personalmangel. Das gilt sowohl für Azubis als auch Gesellen und Meister.
Insgesamt fehlten dem Handwerk zuletzt rund 40.000 Auszubildende. Bei den Gesellen waren es 2021 sogar knapp 75.000 unbesetzte Stellen – und gut 7.200 Meister noch dazu.
Allein, um die Klimaziele umzusetzen, sehen die Grünen bis 2030 einen Bedarf von einer knappen halben Million zusätzlicher Fachkräfte. Allesamt nur dem Handwerk zuzurechnen.
Doch was bedeutet das für dich? Vor allem eines: Geradezu paradiesische Zustände aus Arbeitnehmersicht.
• Wenn du grundsätzlich fachlich geeignet bist und ganz besonders, wenn du halbwegs gute Noten vorweisen kannst, dann kannst du dir deinen Ausbildungsbetrieb aussuchen. Das gilt sogar dann, wenn du schon Ausbildungen abgebrochen hast oder aus anderen Gründen einen wenig linearen Lebenslauf vorweisen kannst.
• Weil der Bedarf so groß ist, kannst du darauf bauen, eine ganze Menge Vergütungen zu bekommen. Denn im Kampf um Azubis und Fachkräfte sind viele Betriebe bereit, die „Extrameile“ zu gehen. Das kann beispielsweise Prämienzahlungen für abgeschlossene Ausbildungsverträge bedeuten. Oder die Übernahme von Wohnungskosten und ähnliche Leistungen – neben klassisch erhöhten Gehältern.
• Du musst, ungleich zu früheren Zeiten, praktisch kaum noch befürchten, als Handwerks-Azubi als günstige Arbeitskraft für alle Gelegenheiten missbraucht zu werden. Wo deine Vorgänger in vielen Betrieben regelmäßig Botengänge und ähnliches durchführen mussten, achten die Firmen heute scharf darauf, Mitarbeitern nur ja keine Gründe zu liefern, zur Konkurrenz zu wechseln.
Fraglos ist der Fachkräftemangel in gesamtgesellschaftlicher und wirtschaftlicher Betrachtung dramatisch. Gerade deshalb gab es jedoch wohl noch nie eine so gute Zeit, um eine Karriere im Handwerk zu starten. Denn noch nie war der Unterschied zwischen Bedarf und verfügbarem Humankapital so positiv für die Bewerber.
3. Harte Realitäten im Handwerk – was du nicht vergessen solltest
Das Handwerk hat im Allgemeinen und aufgrund des Fachkräftemangels heute so viele Stärken und Vorteile vorzuweisen, wie niemals zuvor. Allerdings sollten diese Tatsachen keinesfalls den Eindruck erwecken, in Handwerksberufen könnte man sich sprichwörtlich in die Hängematte legen oder alles ganz entspannt angehen. So ist es keinesfalls. Daher zeigen wir dir in diesem finalen Kapitel die „harten Realitäten“, die ebenso unzweifelhaft zum Handwerk gehören.
Recht hohe Lerndichte
Bei manchen Handwerksberufen beträgt die Regelausbildungszeit drei Jahre, bei anderen sind es dreieinhalb. Gerade für junge Menschen mag das nach einer sehr langen Zeitspanne wirken.
Das deutsche Handwerk hat deshalb einen so exzellenten Ruf, weil es jeden Auszubildenden (und jeden angehenden Meister) auf eine breite und tiefe Wissensbasis stellt. Du wirst deshalb auf jeden Fall mehr lernen als es für die reine alltägliche Berufsausübung notwendig ist.
Dadurch wiederum sind allein die drei bzw. dreieinhalb Ausbildungsjahre sehr voll:
• Ein oder zwei Vollzeittage Berufsschule pro Woche (sofern du keinen Blockunterricht hast). Das bedeutet Schule bis etwa 16 Uhr nachmittags – und in vielen Berufen Hausaufgaben, die du neben der Arbeitszeit erledigen musst.
• Fällt die Schule aus, endet sie früher oder sind Ferien, bist du praktisch immer verpflichtet, auf die Arbeit zu gehen – oder musst Urlaub nehmen.
• In regelmäßigen Abständen wirst du – oft berufsschulklassenweise – zu ein- oder zweiwöchigen Lehrgängen in die Handwerkskammern entsendet. Dort wird einheitliches Praxiswissen vermittelt, um Unterschiede zwischen den Ausbildungsbetrieben auszugleichen. Zu jedem dieser Kurse gehört eine Prüfung am Ende. Um zur Gesellenprüfung zugelassen zu werden, musst du alle erfolgreich absolviert haben.
• Zwar gibt es gewisse Ausnahmen für Minderjährige. Generell wirst du es als Azubi jedoch auf tägliche Vollzeitarbeit bringen.
Du möchtest den Meister machen? Dann wird es in vielen Konstellationen darauf hinauslaufen, das dafür nötige Wissen in Abend- und Wochenendkursen zu erlernen. Naturgemäß neben deinem eigentlichen Gesellenberuf.
Nicht gerade fürstliche Bezahlung
Würden Berufe rein nach der körperlichen Leistung bezahlt, dann würden Handwerker und Pflegekräfte zu den mit Abstand bestbezahlten Personen des Landes gehören. Leider läuft es jedoch selbst heute nicht so fair ab.
Durch den Fachkräftemangel sind die Ausbildungsvergütungen und allgemeinen Löhne bzw. Mindestlöhne in Handwerksberufen teils kräftig angestiegen. In der Gesamtbetrachtung allerdings ist der berühmte „goldene Boden“, den man dem Handwerk attestiert, oft nur eine Metapher.
Anders ausgedrückt: Du wirst im Handwerk nicht unbedingt schlecht entlohnt. Als Meister bekommst du sogar mehr als so mancher Akademiker. Insgesamt gibt’s jedoch viele Berufe, in denen du für dasselbe Geld nicht so hart (körperlich) arbeiten musst.
Wenig komfortable, oft körperliche Arbeitsbedingungen
Ein Handwerker, der in einem klimatisierten Büro stundenlang bequem am Schreibtisch sitzt, ist typischerweise eine Seltenheit. In jedem Handwerksberuf geht es ungeachtet fast aller technischen Entwicklungen sehr körperbetont zu. Hohe Anstrengungen, unangenehme Körperhaltungen, häufige (kleinere) Verletzungen – das sind hier die typischen Realitäten.
Hinzu kommt das Arbeitsumfeld. In vielen Handwerksberufen ist es nicht möglich, in der Werkstatt zu arbeiten. Du musst stattdessen zu den Auftraggebern fahren. Das kann mitunter bedeuten, bei Wind und Wetter draußen zu sein – etwa bei allem, was zum erweiterten Feld der Bauberufe gehört.
Mitunter kommt es aufgrund der Arbeitsweise zu stark unterschiedlicher Verteilung der Belastung. Beispielsweise sehr lange Arbeitstage und viele Überstunden im Sommer, dagegen viele wetterbedingte Zwangspausen im Winter.
Ein weiterer Effekt des Fachkräftemangels: Es geht in vielen Handwerksbetrieben sehr stressig zu. Denn es ist nötig, jeden Auftrag mitzunehmen, obwohl die Personaldecke sehr dünn ist.
Nicht zuletzt sind Handwerker aus all diesen Gründen typische Kandidaten für vorzeitige körperliche Überlastungserscheinungen – und das gilt definitiv nicht nur für Bauhandwerker.