Bereits Ende 2018 berichteten wir, was die österreichische Signa Holding aus dem derzeit nicht gerade ansehnlichen Karstadt am Hermannplatz machen will. Der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne) und das Stadtentwicklungsamt hatten etwas dagegen. Unter anderem wurde bemängelt, der Bau würde im Stadtgefüge „wie ein Fremdkörper“ wirken.
Die Karstadt-Eigentümer möchten das Gebäude neu errichten. Dabei sollte nicht nur die Bruttogeschossfläche um ein Drittel erhöht werden, sondern auch die Fassade in ihrer ursprünglichen Gestalt inklusive der beiden Türme rekonstruiert werden. Auch eine großzügige Dachterrasse war geplant. Ein großer Teil des Gebäudes sollte auch zukünftig von Karstadt genutzt werden. Für den Rest waren Büros, Einzelhandel, ein Hotel, eine Markthalle sowie Wohnungen angedacht. Diese gemischte Nutzung stieß beim Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg nicht auf Zustimmung. Ein formeller Bauantrag wurde von Signa noch nicht eingereicht.
Nun stellte der Konzern im Stadtentwicklungsausschuss des Nachbarbezirks Neukölln konkretisierte Pläne vor, wie der rbb berichtet. Diese sollen doch noch zu einem Kompromiss mit der Politik führen. Von einem Hotel und Luxuswohnungen ist nicht mehr die Rede. Laut Projektleiter Thibault Chavanat soll „bezahlbarer Wohnraum“ geschaffen werden, womöglich ergänzt durch soziale Angebote. Den Denkmalschützern kommt man mit einem neuen Entwurf der Architekten von Chipperfield entgegen, der vorsieht, den noch aus den 1920ern verbliebenen Teil des Kaufhauses vollständig und nicht nur äußerlich zu erhalten.
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Muschelkalk-Fassade im klassischen Art Decó
In den 20er Jahren war Karstadt am Hermannplatz eine berühmte Attraktion der Weimarer Republik. Der gigantische Bau galt als modernstes und größtes Kaufhaus Europas. Architektur, Wirkung und Dimension waren spektakulär – bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg durch die Nationalsozialisten. Als das imposante Gebäude im Jahr 1929 fertiggestellt wurde, überragte die Art-Decó-Fassade den Hermannplatz um 32 Meter. Gekrönt wurde der Bau durch zwei Türme, auf denen noch zusätzliche blaue Lichtsäulen angebracht waren und 71 Meter in die Höhe ragten. Neben Waren aller Art gab es eine Badeanstalt, eine Sporthalle und mehrere Gaststätten. Magnetisch angezogen wurden die Berliner jedoch von der 4.000 Quadratmeter großen Dachterrasse mit Gastronomie, Liegestühlen und Livemusik. Eine Innovation war zur damaligen Zeit auch der direkte unterirdische Zugang von der U-Bahn aus, der noch heute genutzt wird.
Wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkrieges fiel das Gebäude jedoch den Straßenkämpfen zum Opfer. Lediglich ein kleiner Teil der Originalfassade aus Muschelkalk ist an der Kreuzberger Hasenheide bis heute erhalten. In den 50er Jahren begann dann der teilweise Wiederaufbau. Die zahlreichen Umbauten und Erweiterungen zogen sich bis ins Jahr 2000. Seitdem ist das einst legendäre Kaufhaus vor allem eins: unspektakulär. Das könnte sich künftig wieder ändern. Bekommt Signa doch das Go, soll einer einjährigen Diskussionsphase mit Bürgerbeteiligung eine drei- bis vierjährige Bauzeit folgen.
Wie Karstadt im vergangenen Jahrhundert ausgesehen hat, lässt sich übrigens im 4. Obergeschoss von Karstadt am Hermannplatz noch bestaunen. Im Buffet-Restaurant steht ein großes maßstabsgetreues Modell des historischen Baus hinter Glas.
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