Wir holen Kid Simius zu Hause ab – irgendwo nahe der Gneisenaustraße und dem Bergmannkiez. Natürlich wären wir auch gern mit ihm durch seine Heimatstadt Granada gewandert. Aber José Antonio García Soler sorgt dafür, dass man sich neben ihm auch in Berlin auf der Sonnenseite des Lebens fühlt. Mit Sonnenbrille auf der Nase, Kippchen in der Hand und absoluter Ruhe nimmt er uns mit durch seinen Kiez – und mit seinen Geschichten immer wieder auch ins „Liverpool Spaniens“. Denn Granada ist dort DIE Stadt für Indie-Musik, wie Kid uns erklärt.
Eigentlich wollte er aber gar kein Musiker, sondern Basketballspieler, Astronaut und Maler werden. In der Schule hat Kid Comics gezeichnet und verkauft, bevor er mit 14 Jahren Gitarrenunterricht nahm. Um sich bei einer Band vorzustellen, sei er aber zu schüchtern gewesen, sagt er. „Dann kam die elektronische Musik. Und es sah so magisch aus!“ Prompt stand der Plan, Musik zu produzieren, statt sie zu spielen.
Trotzdem steht Kid heute mit diversen Instrumenten selbst auf der Bühne. Manche nennen ihn darum einen Multi-Instrumentalisten. Dabei beherrsche er die Ukulele, Melodika oder das Keyboard immer nur gut genug, um seine musikalischen Ideen gut umzusetzen, so der 26-Jährige. Denn eine wichtige Sache hat er sich abgeguckt: „Bei einem Konzert von Lou Reed in Granada habe ich verstanden, worum es geht: Er ist auch nicht der krasseste Sänger oder Gitarrist. Es geht um fette Lieder und nicht darum, wie man sie spielt.“
Musikalisch am Durchdrehen
Wie Kid selbst seine Lieder spielt, ist allerdings einzigartig. Während der gesamten Show ist er in Bewegung, springt und reißt die Arme in die Luft. Und das nicht nur als Show fürs Publikum, gibt er zu. Sondern weil er anfangs vor lauter Nervosität gar nicht wusste, wohin mit seinen Körperteilen. Aufgeregt ist er auch heute noch vor jedem Auftritt. Kein abgeklärter Multi-Instrumentalist also, sondern eher ein musikalisches Genie?
Immerhin ist Kid vom Studenten zum Haus-und-Hof-DJ von Marteria geworden und hat mit dem Album Wet Sounds einen ganz eigenen Musikstil kreiert: Surf’n’Bass ist eine Mischung aus Elektro und Surfmusik. Aktuell arbeitet er an einer EP mit Bonaparte. Unter dem Namen Mule & Man wollen sie noch in diesem Sommer einige Festivals bespielen. „Ich versuche einfach, Spaß zu haben und mich immer wieder wie ein Anfänger zu fühlen“, erklärt Kid seine Kreativität.
Und er hat noch ein Projekt auf Lager: Als Berlin Flamenco Ensemble mixt er mit einer Tänzerin und einem traditionellen Sänger Flamenco mit Elektro. „Woher ich komme, ist mir wichtig. Das merkt man in meiner Musik.“ Und zwar immer deutlicher, je länger Kid in Berlin ist. Irgendwann möchte er wieder zurück nach Spanien: „Ich mag die Dörfer, die Oliven, die Landschaft“, schwärmt er. „Eigentlich bin ich ein Stadtkind. Aber ich mag es auch, außerhalb zu sein. Nur mit Bier und Rum – das ist ein gutes Leben“, fügt er mit einem Grinsen hinzu.
Wo du den Kid Simius Burger bekommst
Apropos. Ins Quatschen kommen wir in der Burger Bar 61 bei einem Bierchen. Da isst Kid so oft, dass sogar ein Burger seinen Namen trägt – mit Rindfleisch vom Lavagrill, Serrano-Schinken, Manchego-Käse, Guacamole und Jalapeños. Spanisch wird’s auch beim Einkauf im Supermarkt Super Ibérico. Trotzdem hat sich der Musiker längst rund um den Bergmannkiez eingelebt. Er lobt das Essen im Tierra Colombiana, den Espresso im Chapter One Coffee und den Käsekuchen im Barcomis. Beim Stammfriseur Hair Colada, dem Gemüse-Dealer des Vertrauens in der Marheineke Markthalle oder im Restaurant vor der Tür wird er längst mit Handschlag, einem Lächeln und Anekdoten begrüßt.
Auch nach drei Jahren im Kiez findet Kid: „Kreuzberg ist der coolste Stadtteil in Berlin.“ Hier könne er runterkommen und geil essen. „Wenn ich hier bin, mag ich es ganz ruhig. Ganz normal. Ganz locker.“ Und dabei hat er ganz nebenbei eine interessante Hassliebe entwickelt: „Typisch Berlin ist für mich Sprudelwasser. Das habe ich damals gehasst und jetzt geht es mir selber auf den Sack, dass ich das mag!“