Früher hätte ich es mir nicht träumen lassen, mein geliebtes Friedrichshain zu verlassen. All die Cafés, kleinen Geschäfte und unzähligen Möglichkeiten, sich die Abende zu vertreiben – “einen besseren Ort dafür gibt es nicht”, dachte ich mit Mitte Zwanzig. Zehn Jahre später war ich der vielen Menschen, der Hektik und der Hundehaufen überdrüssig. Ich sehnte mich zurück nach etwas mehr Ruhe, Bäumen statt Häuserfassaden vor meinem Fenster. So kam ich auf Frohnau, auch hinsichtlich des Nestbaus schien der Ortsteil im Norden Berlins bestens geeignet.
Besserverdiener neben jungen Familien
1910 zogen die ersten Berliner in ihre Häuser: Es waren vorrangig Bankiers, Ärzte, Wissenschaftler, Politiker, Kaufleute und Künstler – die besserverdienende Mittelschicht also. Daran hat sich auch heute nicht viel geändert. Angedacht war es, 30.000 Menschen in Frohnau anzusiedeln. Doch nach dem Ersten Weltkrieg stagnierte der Hausbau. An einigen Orten, etwa im Wald am Hubertussee, wo sich heute ein Künstlerhof befindet, kann man noch Straßenzüge ausmachen, um die eine Besiedlung geplant war, die aber nie zustande kam. Heute leben um die 8400 Menschen in Frohnau.
Das Leben spielt sich um die zentralen, von alten Kastanien umsäumten Plätze, den Ludolfinger- und den Zeltinger Platz, ab. Hier gibt es Geschäfte, ein Eiscafe, Restaurants und Apotheken – eigentlich alles, was man zum täglichen Leben braucht. Nicht zu übersehen ist das S-Bahn-Gebäude und der dazugehörige Casino-Turm – das Wahrzeichen Frohnaus – der leider seit Jahren leer steht und dessen Aussichtsplattform nicht mehr begehbar ist. Über eine Brücke gelangt man vom Ludolfinger zum Zeltinger Platz. Dieser lädt wie sein Bruder zum Verweilen auf der großen Wiese ein. Im Sommer liegen hier Familien neben verliebten Teenagern auf ihren Decken in der Sonne – ähnlich also, wie in Berlins übrigen Stadtteilen, nur eben weniger voll und etwas gediegener.
Der eindrucksvollste Bau am Zeltinger Platz ist die 1936 fertiggestellte Evangelische Johanniskirche. Nicht weit davon, auf der Zeltinger Straße befindet sich das Centre Bagatelle, welches 1926 von Paul Posser ursprünglich als Villa für Herbert Worch gebaut wurde. Später hatte in dem Gebäude die Ortsgruppe der NSDAP ihren Sitz, bis es erst von den britischen Alliierten und 1945 von den Franzosen übernommen wurde. Aus dieser Zeit stammt auch der heute noch bestehende Name. Nun ist das Haus Ort kultureller Begegnungen: Neben Konzerten, Lesungen und Workshops finden hier auch Sportkurse und ein älljährlicher Adventsbasar statt.
Kunst, Buddhismus, Polo
Nicht weniger eindrucks- und bedeutungsvoll für Frohnau ist das Buddhistische Haus auf dem Edelhofdamm. Der Berliner Arzt Dr. Paul Dahlke ließ es von 1922 bis 1924 auf einem Hügel errichten. 73 Stufen muss der Besucher erklimmen, um Haus und Tempel zu erreichen. Architektonisch fließen in der Anlage singalesische, japanische und ceylonesische Stilelemente zusammen. Heute leben hier buddhistische Mönche, die im Sinne der Lehre Buddhas wirken. Neben regelmäßigen Vorträgen und Veranstaltungen finden auch öffentliche Meditationen statt.
Was die Auswahl an Restaurants und Cafés angeht, wird der Friedrichshainer oder Neuköllner vielleicht etwas enttäuscht sein, denn die Adressen lassen sich tatsächlich an einer Hand abzählen. Zugeben, das hat mich anfangs auch etwas gestört. Doch die Ruhe und Gelassenheit der Leute hier ist mit nichts aufzuwiegen. Und wenn es unbedingt einmal die Stadt sein soll – in 30 Minuten ist man mit der S-Bahn an der Friedrichstraße und in 20 Minuten mit dem Auto am Ku’damm.