Unterwegs im Kiez

Oase zwischen Platten

Gegensätze: Ein Hochhaus spiegelt sich im Wasser des Fennpfuhls.
Gegensätze: Ein Hochhaus spiegelt sich im Wasser des Fennpfuhls.
Fennpfuhl - Nur ein paar Schritte vom hippen Friedrichshain entfernt, wartet eine ganz andere Welt auf den Besucher. Wer von der S-Bahn Storkower Straße die Bahnbrücke auf die Lichtenberger Seite nimmt, entdeckt nach ein paar Schritten ein echtes Kleinod. Neben einer Sport- und Schwimmhalle, Poliklinik, Bibliothek, Volkshochschule und der ersten großen Hochhaussiedlung der DDR können sich die Anwohner in einem schönen Park mit Pfuhl vergnügen. Dessen Namen trägt auch der ganze Stadtteil: "Fennpfuhl".

Auf dem Fennpfuhl fahren Jugendliche Boot, Familien grillen im Park und spielen Ball, alte Menschen sitzen im Schatten der Bäume und genießen die Sicht aufs Wasser. Angler sitzen am Ufer und hoffen auf den großen Fang. Und was gibt es hier zu fangen? „Na, Barsche, Karpfen, Hechte und Plötzen“, sagt ein junger Großvater. „Aber wir machen das nur wegen die Pipel“, und deutet auf die Enkelkinder. Sie seien aus Neuenhagen hierher gezogen, um in der Nähe der Enkel zu sein und fühlten sich wohl, es sei grün, günstig und die Wege kurz. Für Kinder und Jugendliche gäbe es auch viele Angebote. „Sollen wir der Tante die Halfpipe zeigen“, fragt die junge Großmutter ihren dreijährigen Enkel.

Ruhiger als in Marzahn

Auf dem Sportplatz dann: Eine etwa fünf Meter hohe Halfpipe, Platz für Basketball, Beachvolleyball und Fußball. Vor einem Container sitzen zwei Männer, sie betreuen den Platz, im Container gibt es Fahrräder, Inlineskater, Roller und Skateboards frei auszuleihen. „Die Kinder müssen nur ihren Namen nennen. Früher mussten sie ’n Pfand lassen, aber die haben ja nix“, sagt einer der Betreuer. Die meisten seien sehr gut erzogen und würden sogar zu Feierabend mit aufräumen. Zwei Mädchen und ein Junge sitzen an einem Plastiktisch. Hier sei es viel ruhiger, sagt der Junge, früher habe er in Marzahn gewohnt, dort hätte es ihm nicht so gefallen. Eines der Mädchen stimmt ihm zu: „Hier kann man total viel machen.“ Das andere Mädchen, das erst vor zwei Jahren aus dem Friedrichshain ins Viertel gezogen ist, widerspricht; an der Warschauer Straße sei es schöner gewesen, dort habe sie mehr Freunde gehabt.

Baden ist im Pfuhl verboten. Die Badehose wird am Anton-Saefkow-Platz ausgepackt: Zwischen Plattenbauten spritzen Wasserstrahlen aus dem Boden, in denen tollen und toben an heißen Tagen die Kinder aus der Nachbarschaft.

Ein ehemaliges Standesamt im Park – die Villa Fennpfuhl – dient seit 2008 als Veranstaltungsort. In das Gebäude aus dem Jahr 1896 kommen am Wochenende Menschen aus den unterschiedlichsten Bezirken, um Hochzeit, Geburtstag oder Jubiläen zu feiern. Dabei wird abends über dem Pfuhl schon mal ein Feuerwerk gezündet.

Gedenktafel für Retter des TV-Moderators Hans Rosenthal

Auf die Frage, wo die Gedenktafel für die Retterinnen des jüdischen TV-Moderators Hans Rosenthal stehe, kommen die Menschen ins Erzählen: „Die Tafel wurde angebracht, da lebte er noch. Der kam dann auch hierher und das Fernsehen war auch da“, erinnert sich eine Dame. Ein anderer Herr macht einen Kreis mit dem Arm und sagt: „Hier waren ja früher Gartenkolonien, da hat er sich versteckt.“ Als die Siedlung in den 70er Jahren entstand, erzählt eine dritte Dame, sei es schwierig gewesen, eine Wohnung zu bekommen. Als sie der Wohnungsgesellschaft gesagt habe, dass sie schwanger sei und dringend eine Wohnung brauche, habe man ihr geantwortet: „Das Kind könnte ja noch tot geboren werden.“ 1974 zog sie mit Tochter und Mann in die Siedlung.

Es folgen weitere Geschichten aus der Vergangenheit. Nur wo die Gedenktafel ist, weiß keiner. Die meisten Anwohner leben seit den 70er Jahren im Viertel, nach der Wende sind viele Russlanddeutsche hierher gezogen; Türken, Araber und Afrikaner folgten in den letzten Jahren. Besonders präsent aber sind die Vietnamesen: Das größte vietnamesische Einkaufszentrum Berlins liegt nur drei Haltestellen von hier entfernt.

 

    „Hierher bin ich eher zufällig gekommen; ich hatte an der VHS-Lichtenberg einen Kurs besucht und da habe ich diesen wunderschönen Park entdeckt. Später habe ich seine wunderbaren Leute kennen gelernt. Das ist ein bunter Kiez: Familien, Migranten, Ost-Berliner, Neuberliner; nicht so homogen wie im Friedrichshain, wo ich lebe. Die Probleme habe ich bei meinen Erkundungen nicht überhört, deshalb hoffe ich umso mehr, das dieser Kiez weiterhin sauber und friedlich bleibt.“

Oase zwischen Platten, Franz-Jacob-Straße, 10369 Berlin

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