Mein Spaziergang startet an der U-Bahn-Station Pankow. „Ja, wie im Prenzlauer Berg, hier fahren die Leute neuerdings auch sehr viel Fahrrad“, bemerkt ein junger Mann am Ausgang. Wir laufen ein Stück zusammen. Mehrere Straßenbahnen, Busse, viele Taxis fahren kreuz und quer die Berliner Straße entlang. Er zeigt auf ein Gebäude, das im Verkehrstrubel ziemlich untergeht. „Hier ist das ehemalige jüdische Waisenhaus“, erklärt der Jugendliche im Blaumann. „Dort ist jetzt die Bücherei drin, die ist gut bestückt. Dahinter ist die ehemalige Zigarettenfabrik, da drüben kommt man zum Schlosspark und daneben ist die Musikschule, die schneidet immer gut ab bei Jugend musiziert.“
Das ehemalige jüdische Waisenhaus, in dem sich jetzt die Janusz-Korcak-Bibliothek befindet, wurde 1912 erbaut und 2001 saniert. Bis 1991 saß die Kubanische Botschaft drin, danach stand das Haus leer. Ursprünglich gehörte auch das dahinter liegende Gebäude dazu, heute ist es eine Schule. Daneben ist die ehemalige Zigarettenfabrik Josef Garbatys, der den Betsaal des Waisenhauses gestiftet hatte. Der prächtige Saal wird für Konzerte und Lesungen genutzt.
„Runder Tisch“ an der Panke
Weiter geht’s zum Schlosspark. Auf dem Weg eine Statue von Carl von Ossietzky, ein Stück weiter eine Figur mit Ziegelsteinen in den Armen. Durch den äußeren Schlosspark fließt die Panke, dort füttern Familien mit Kleinkindern Enten, es ist ein sonniger Herbsttag und die Menschen sitzen auf Bänken und lesen Zeitung oder picknicken im Gras. Rundherum Villen sowie die Musikschule Béla Bartók, ebenfalls in einer alten Villa untergebracht, und hier und da Botschaften: die libanesische, mongolische und kongolesische.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Schloss Schönhausen und der naheliegende Majakowskiring das Zentrum der Regierung der DDR. 1989/1990 tagte in den Nebengebäuden des Schlosses der sogenannte „Runde Tisch“ und es fanden die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen statt, Gespräche, die die deutsche Wiedervereinigung vorbereiteten. Heute befindet sich in den Nebengebäuden der Schlossanlage die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS). Das Schloss ist nach einer umfassenden Sanierung seit 2009 als Museum für Besucher geöffnet.
Um zum Schlosspark zu kommen, muss ein Tor passiert werden. Davor steht ein Wärter, der darauf hinweist, dass die Ausstellung, die in den zwei kleinen Häuschen rechts und links neben dem Tor heute wegen der Tagung in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik geschlossen ist. Schloss Schönhausen selbst ist in seiner heutigen Form von Königin Elisabeth Christine – der Ehefrau Friedrichs des Großen – erweitert und gestaltet worden. Durch sie wird Schönhausen zu einem Glanzstück des späten Rokoko. Nach dem Ende der preußischen Monarchie stand das Schloss viele Jahre leer, bis es 1935 in ein Ausstellungshaus umgewandelt wurde. Der Künstlerbund Norden veranstaltete zwischen 1931 und 1942 verschiedene Ausstellungen.
Fluglärm und Parks
Über dem Schloss düsen Flugzeuge vorbei – ein Manko im ansonsten auffällig grünen Viertel. Die Straßen sind mit großen alten Bäumen gesäumt. In den Hinterhöfen gibt es teilweise große Gärten und, nicht einmal ein Kilometer vom Schlosspark entfernt, ist der großzügige Bürgerpark.
Das gesamte Viertel ist im Umbruch. Villen wechseln sich mit kürzlich neu errichteten Häusern und Baustellen ab. Der Betreiber des Cafés Milchmanns erzählt, dass sich das Publikum schon in den letzten drei Jahren – so lange gibt es das Café – verändert hat, und dass wenn der Flughafen Tegel geschlossen ist, noch mehr Leute mit Geld in den Bezirk ziehen werden. Jetzt schon würden sehr viele Menschen, die wegen der steigenden Mieten aus Prenzlauer Berg wegziehen, hierherkommen, sagt der Wirt.